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Adrian Roeske: Alltagskonflikte Jugendlicher in der Konfliktarena ‚soziale Medien‘

    Zur Person

    Schimpf, Elke/Stehr, Johannes (Hrsg.) (2017). Soziale Medien als Konfliktarena. Alltagskonflikte Jugendlicher und wie sie über die Nutzung von Social Network Sites bearbeitet werden. Marburg: Büchner-Verlag. 174 S., 20,00 €.

    Private Lebensgestaltung funktioniert für Kinder und Jugendliche nicht mehr ohne Social Network Sites. Über Soziale Netzwerke werden unter anderem Peerbeziehungen gepflegt und Apps wie Facebook, WhatsApp und Co. sind von den Smartphones der Heranwachsenden kaum noch wegzudenken. Lebenswelten sind zunehmend von Sozialen Medien durchdrungen und sowohl Soziale Arbeit als auch Medienpädagogik sind dazu aufgefordert, sich kontinuierlich mit diesen Phänomenen auseinanderzusetzen. Hierunter fällt auch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, unter anderem in Form von ‚(Jugend)Konflikten‘. Aus Sicht von Schimpf und Stehr werden diese im gesellschaftlichen Diskurs und in Sozialer Arbeit „häufig problematisiert und skandalisiert“.

    Mit Hilfe eines verstehenden Zugangs sowie einer kritischen, konfliktorientierten Forschungsperspektive wird dem eine Studie entgegengesetzt, welche die Lebenswelten von Jugendlichen als Räume der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlich dominierenden Diskursen begreift. In dem von 2013 bis 2016 durchgeführten Projekt an der Evangelische Hochschule Darmstadt sind die „Alltagskonflikte Jugendlicher und ihre Strategien des Umgangs mit sozialen Medien bzw. die Relevanz ihrer Nutzung soziale Medien“ untersucht worden. Der Band besteht aus sechs Beiträgen, welche anhand exemplarischer Auszüge aus den drei Gruppendiskussionen unterschiedliche Fragestellungen bearbeiten. Das Werk bietet einen tiefen Einblick in die Lebenswelten von Jugendlichen und verbindet diese inhaltlich mit Sozialen Medien.

    Nach dem Überblick über die Genese, das Forschungsdesign sowie die Probleme beim Feldzugang sticht zunächst die Eingrenzung auf den Schulkontext hervor. Zudem werden soziale Medien als gesellschaftliches Konfliktfeld deklariert und einige zentrale Problembereiche benannt. Dabei stellt sich unter anderem heraus, dass hegemoniale Sexualisierungs- und Geschlechterdiskurse durch die Jugendlichen reproduziert und Konflikte vorwiegend innerhalb eigener Strukturen bearbeitet werden. Soziale Arbeit wird dazu aufgefordert, sich mit gesellschaftlichen Diskursen und den Weltbildern der Jugendlichen sowie der Aufklärung über gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse werden darauf verdichtet, dass soziale Medien ein „elementarer Bestandteil“ der Lebenswelt von Jugendlichen sind und diese „als Ressource zur Lebensbewältigung, aber auch zur Demonstration von Eigenständigkeit und autonomer Gestaltung genutzt werden.

    “Die Beiträge von Dumke, Turgay und Mosell zoomen unter der Prämisse der Perspektivenvielfalt tiefer in das Material hinein. Es wird festgehalten, dass es sich in den Gruppendiskussionen um typische Jugendkonflikte und keine gefährliche Kategorie von Konflikten handelt, die überdramatisiert werden sollte. Hierbei wird der Bogen zu gesellschaftlich prägenden Diskursen über soziale Medien gespannt und der ‚Skandalisierung‘ widersprochen. Stattdessen wird auf die bewahrpädagogische Haltung von Eltern sowie die Rolle der Schule hingewiesen, welche normative und hegemoniale Konstrukte unterstützt und Diskurse zum Teil (re)produziert. Die Institution Schule gerät durchweg in die Kritik, indem sie als „Macht-Wissen-Gefüge“ und „Arena“ beschrieben wird, in der Normen entlang von geschlechtlichen Einteilungen verhandelt, (re)produziert und somit „auch bestimmte Handlungsmöglichkeiten von Jugendlichen strukturiert werden.“

    Zuletzt wird „die (Re)produktion hegemonialer Skripte“ in den Artikulationen angemahnt, wenngleich zusätzlich „Irritationen und Widersprüche“ ausgemacht werden konnten. Die Kämpfe und Konflikte der Jugendlichen um eine eigene Position sind letztlich mit „Ambivalenzen, Pragmatismus und Eigensinn“ verbunden. Soziale Arbeit wird hierbei das Potenzial einer dekonstruierenden Figur zugeschrieben, was sowohl hegemoniale Deutungsmuster als auch dominantes Wissen betrifft. Ziel müsse es sein, eine Verschiebung von einer „Politik des Verhaltens“ in eine „Politik der Verhältnisse“ zu ermöglichen.

    Die Analysen zeigen gesellschaftskritisch auf, wie Jugendliche Alltagskonflikte in ihrer Lebenswelt verhandeln und welche Diskurse dabei relevant werden. Die detaillierten Einblicke geben ein präzises Bild über die Strategien der Jugendlichen – wenngleich die eingeschränkte Erhebungssituation kaum Verallgemeinerungen zulässt. Der Band liefert wichtige Erkenntnisse zu den Lebenswelten der Jugendlichen und stellt dabei zahlreiche kritische Fragen an die Institution Schule. Soziale Arbeit wird vor allem hinsichtlich ihres kritischen Charakters aufgerufen und erhält Hinweise, um mit den im Alltag und in sozialen Medien auftauchenden Konflikten umzugehen. Die Ergebnisse bieten auch dank der konfliktorientierten Forschung sozialer Arbeit sowie Medienpädagogik die Möglichkeit, praktische Arbeit gezielter entlang lebensweltlicher Realitäten auszurichten. Unter anderem kann der „problematisierenden und skandalisierenden“ Debatte um Cybermobbing, Sexting oder Gewalt im Netz besser begegnet und der öffentliche Diskurs präziser geführt werden.

    Literatur

    Alfert, Nicole (2015). Facebook in der Sozialen Arbeit. Aktuelle Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe für eine professionelle Nutzung. Wiesbaden: Springer VS.

    Krotz, Friedrich (2012). Von der Zentralperspektive zur Augmented Reality. Wie Mediatisierung funktioniert. In: Krotz Friedrich/Hepp, Andreas (Hrsg.), Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden: Springer VS, S. 27–57.

    Kutscher, Nadia (2013). Jugend und Medien. In: Rauschenbach, Thomas/Borrmann, Stefan (Hrsg.), Herausforderungen des Jugendalters. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 118–138.

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