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Günther Anfang: Frühe Kindheit und Medien

    Zur Person

    Brandt/Hoffmann/Kaulbach/Schmidt (Hrsg.) (2018). Frühe Kindheit und Medien – Aspekte der Medienkompetenzförderung in der Kita. Budrich Verlag Opladen. 209 S., 24,90 €.

    Das Thema boomt, ob digitale Medien in der Kita, Kita digital oder Krippe, Kita und Kinderzimmer – Veröffentlichungen zur Medienarbeit im Kindergarten sind en vogue. Da könnte man fast den Verdacht haben, dass nun jeder und jede auf den Zug aufspringt, um mit der frühen Medienerziehung ein Geschäft zu machen. Deshalb wurde das gerade im Budrich-Verlag erschienene Buch "Frühe Kindheit und Medien" erst einmal kritisch unter die Lupe genommen. Wer schreibt da, mit welchem Background und welcher Expertise? Nun gut, die Herausgeberinnen und Herausgeber stammen alle von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Der Band wurde angeregt durch zwei Tagungen zur "Frühen Kindheit und Medien" im Juni 2014 und Oktober 2015 an der gleichnamigen Hochschule und versammelt eine Reihe bemerkenswerter Artikel zum Thema. Somit hebt er sich von herkömmlichen Tagungsbänden ab und versucht, sich aus verschiedenen Blickwinkeln dem Thema zu nähern. Dabei gliedert sich der Band in insgesamt vier Kapitel, vom "Aufwachsen und Leben in digitalen Welten" über "Professionelles pädagogisches Handeln" sowie der "Kita in Zeiten der Digitalisierung" bis hin zur Medienpädagogik in der frühen Kindheit". Jedes Kapitel ist mit zwei bis drei grundlegenden Artikeln von renommierten Medienpädagoginnen und -pädagogen ausgestattet. So beginnt das erste Kapitel gleich mit einem Beitrag von Friederike Tilemann zu "Foto, Film und Wachsmalstift" – Medienpädagogik mit jungen Kindern, in dem sie die Notwendigkeit, Kleinkinder bei der Verarbeitung von Medienerlebnissen zu unterstützen, unterstreicht. Sie betont den Bedarf an Medienkompetenzförderung in der frühen Kindheit und schildert Medienpädagogik als Teil des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Kita. Dass das alles nicht ohne Widerstände abgeht, wird gleich im nächsten Artikel von Dagmar Bergs-Winkels und Peter Winkels beschrieben. Medienerziehung wird noch zu oft als Bewahrung vor dem Übel gesehen. Dies liegt auch daran, dass der Widerstand gegen Bildmedien in den europäischen und islamisch geprägten Kulturen stark verankert ist. Auf dem Boden der Geringschätzung von Bildmedien hat es der Erwerb von Medienkompetenz somit nicht leicht. Berger-Winkels plädiert deshalb dafür, diese Grundhaltung zu überwinden und gemeinsam mit den Kindern zu lernen, wie mit dieser neuen Medienwelt umzugehen ist.
    Im zweiten Kapitel stellt Henrike Friedrichs-Liesenkötter Medienerziehung in Kindertagesstätten unter dem Blickwinkel des medienerzieherischen Habitus angehender Erzieherinnen und Erzieher vor. In ihrer Untersuchung zur Ablehnung von digitalen Medienkompetenzprojekten durch pädagogische Fachkräfte wird deutlich, dass angehende Erzieherinnen gegenüber älteren Erzieherinnen dem Thema Medienerziehung nicht offener gegenüberstehen. Hier bedarf es praktischer Er¬fahrungen und struktureller Unterstützung, um Medienpädagogik in der Kita zu verankern und Vorurteile abzubauen. Welche Möglichkeiten und Grenzen der Aus- und Fortbildung pädagogischer Fachkräfte sich in Zeiten der Digitalisierung eröffnen, beschreiben Thomas Schmidt und Sebastian Karnoll in ihrem Beitrag zur Professionalisierung pädagogischen Handelns. Dabei führen sie aus, dass virtuelles Lernen erhebliche Potenziale für die Fort- und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte eröffnet, allerdings nur, wenn dafür auch die Voraussetzungen für onlinebasiertes Lernen geschaffen werden.
    Im dritten Kapitel "Die Kita in Zeiten der Digitalisierung" beschreiben Sabine Eder und Susanne Roboom, wie im Zeitalter von "Big Data" das Kinderzimmer, die Kita und die ganze Lebenswelt der Kleinkinder immer stärker ausspioniert, überwacht und kontrolliert werden und wie die Erwachsenen und die Kita darauf reagieren sollten. Sie kommen zum Schluss, dass die digitalisierte Kindheit es notwendig macht, die digitalen Kinderrechte zu stärken und zu verankern. Das Recht auf digitale Bildung bringt aber auch die Bildungseinrichtung Kita mehr und mehr in die Verantwortung, Medienbildung konzeptionell einzubinden. Nehmen wir Medienbildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ernst, müssen auch pädagogische Fachkräfte medienpädagogisch fundierte und aktive Medienerziehung als Querschnittsaufgabe auffassen, die für alle Bereiche der frühkindlichen Bildung und Erziehung bedeutsam sind.
    Im abschließenden Kapitel "Medienpädagogik in der frühen Kindheit" gehen Nadja Kutscher und Birgit Schäfer-Biermann noch auf verschiedene sozialpädagogische Aspekte der Medienbildung ein und schildern die Aufgaben, die sich dadurch für die Kita ergeben.
    Frühe Kindheit und Medien richtet sich an die wichtigsten Hauptakteure im Bereich Kita und Medien, die in vier Kapiteln mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung adressiert werden. Während sich im ersten Kapitel gegen Katastrophenszenarien und ein utopisches ländliches Kindheitsidyll positioniert wird, erhalten hier insbesondere Eltern einen Aufgabenkatalog mit latenten Mahnungen zu mehr Offenheit, Kooperativität mit ihren Kindern und erhöhter Reflexion des Medien- und Familienalltags. Das Sichtbarmachen von Studienergebnissen und damit des Widerspruchs zum politischen Willen inklusive Bildungsauftrag gegenüber Kitas gelingt dagegen im folgenden Kapitel, gesteigert um eine, für die adressierten pädagogischen Fachkräfte angemessene, fachliche Aufbereitung. In einer anregenden Ursachenforschung über medialen Habitus und Dispositionen von Erziehenden werden schließlich neue Kompetenzbereiche für Fachkräfte in der Frühpädagogik erschlossen und damit gut begründet – neben dem 'An-die-eigene-Nase-fassen' – auf eine Verbesserung der Ausbildung und dem Ausbau der Kita hinsichtlich einer virtuellen Lehr-und Lernkultur verwiesen. Innerhalb eines Selbstverständnisses von Medienkompetenz als "vierte Kulturtechnik", neben Lesen, Schreiben und Rechnen, plädieren die Herausgeberinnen und Herausgeber schließlich für eine verstärkte Zuwendung zu einer informatischen Bildung in Kitas. Viele aktuelle Beispiele, politische Maßnahmen und insbesondere zukunftsträchtige Konzepte liefern Impulse zum Weiterdenken und regen zum Aktivwerden an. Der Band erreicht, trotz so einiger Mahnungen und Imperative samt latenter Instrumentalisierungen medienpädagogischer Koryphäen, einen Überblick über die jeweiligen aktuellen Fragestellungen. Geleistet wird dabei ein Zugang zu den jeweiligen Herausforderungen mit Chancen und neuen Aufgaben in allen angrenzenden Handlungsbereichen.
    Als Fazit kann festgehalten werden, dass der Band wichtige Aspekte für eine frühe digitale Medienbildung liefert und damit in jedem Fall die aktuelle Diskussion bereichert. Eine Antwort darauf, welche Modelle der medienpädagogischen Arbeit in der Kita zu entwickeln sind, bleibt das Buch allerdings schuldig. Hier bräuchte es ein Praxisbuch Medienkompetenzförderung in der Kita.

    Günther Anfang

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