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Corell, Catrin (2009). Der Holocaust als Herausforderung für den F ilm. Formen des filmischen Umgangs mit der Shoah seit 1945. Eine Wirkungstypologie. Bielefeld: transcript. 520 S., 39,80 €

Von Umerziehung bis Schindlers Liste

In Generationen, die ihn nicht selbst miterlebt haben, ist die Erinnerung an den Holocaust vor allem durch den Film geprägt. Wie aber wird im Film mit dem Holocaust, der Shoah umgegangen? Wie wirken diese Darstellungen auf die Betrachterinnen und Betrachter? Diesen Fragen hat sich Catrin Corell angenommen und versucht, diese in ihrer Dissertation zu beantworten. Zum Einstieg skizziert die Autorin verschiedene Positionen in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust und befasst sich mit der Frage, ob Bilder im Umgang mit der Judenvernichtung überhaupt vertretbar sind und dem tatsächlichen Leid je gerecht werden. Vor diesem Hintergrund wird das Ziel der Arbeit vorgestellt, nämlich die Wirkung, die solche Filme erzielen, komplex zu betrachten und die verschiedenen Strategien im Umgang mit der Thematik im F ilm herauszuarbeiten.

Den Hauptteil des Buches Der Holocaust als Herausforderung für den Film nimmt die umfassende Darstellung von verschiedenen Typen von Holocaust-F ilmen ein, beginnend mit den frühen Dokumentarfilmen, die allein der ‚Umerziehung’ dienten, über den Essayfilm Nacht und Nebel bis hin zum weniger bekannten Auf Wiedersehen, Kinder und den Kassenschlagern Schindlers Liste und Benignis Das Leben ist schön. Warum gerade diese Filme ausgewählt wurden, bleibt leider unerwähnt. Die Filme werden detailreich analysiert, besonders der Inszenierung wird viel Platz eingeräumt. Bewundernswert ist die Akribie, mit der die Autorin vorgeht – vor allem bei der Herausarbeitung der leisen Untertöne in Auf Wiedersehen, Kinder zeigt sich diese Stärke deutlich. Untermalt wird die Darstellung stets durch F ilmbilder. Diese Illustrationen könnten hilfreich sein, sind allerdings häufig so klein, dass es schon einiger Anstrengung bedarf, etwas darauf zu erkennen. Zwar sind die Analysen der ausgewählten Filme interessant und die Kritik der Autorin durchaus aufschlussreich, doch gelingt es Corell bei näherer Betrachtung nicht, die Wirkung der F ilme zu ergründen. Durch die computergestützte F ilmanalyse ist es zwar möglich herauszustellen, was in den jeweiligen Filmen intendiert wird, über die tatsächliche Wirkung sagt das allerdings kaum etwas aus. Um hier Aufschluss zu erhalten wäre wohl der Einsatz von Methoden aus der Medienwirkungsforschung erforderlich gewesen.

Insgesamt vermittelt das Werk einen guten Einblick in die Diskussion um den Holocaust im F ilm und eröffnet gerade Laien interessante Blickwinkel. Allerdings hat die Autorin ihr ehrgeiziges Ziel einer Wirkungstypologie nicht erreicht, sondern durch feinfühlige Beschreibung der jeweiligen Inszenierungen lediglich aufgezeigt, welche Reaktion seitens der Betrachterinnen und Betrachter erwünscht war. Man betrachtet die F ilme nun vielleicht mit anderen Augen, aus wissenschaftlicher Sicht bleibt der Ertrag etwas dünn. So eignet sich das Buch wohl weniger für Kennerinnen und Kenner der Thematik – viele der dargestellten Sichtweisen dürften bekannt sein und manchmal hätte man sich gewünscht, die Autorin hätte ihre eigene Sicht deutlicher gemacht. Für interessierte Laien oder Studierende etwa der F ilmwissenschaft oder Romanistik gibt das Buch einen guten Überblick über den Stand der Forschung, wenn auch kaum auf einzelne F ilmgenres eingegangen. Das reine Lesevergnügen wird zudem durch die mit Fußnoten überladenen Seiten etwas getrübt und auch die Vielzahl an Zitaten, viele davon in französischer Sprache, hemmen den Lesef luss. Eine Überarbeitung der Dissertation hin zu mehr Leserfreundlichkeit wäre also wünschenswert gewesen.


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