Daniela Hilkert: Medienpakete zum Thema Gewalt
Programm polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes. (2009). Abseits. Medienpaket. Stuttgart. Institut für Friedenspädagogik Tübingen e. V.
Günther Gugel. (2011). Medien und Gewalt. Problemfelder und Handlungsmöglichkeiten. Praxisbox. Tübingen.
Playstation, Internetzugang, Handy – so sieht der heutige Alltag der meisten Kinder und Jugendlichen aus. Besitzen sie kein eigenes Gerät, so zumindest oft die Möglichkeit, sich Zugang zu verschaffen. Neben den vielen Vorzügen der sogenannten neuen Medien und positiven Inhalten bieten diese auch Zugang zu gewalthaltigen Darstellungen, denen Kinder oft schutzlos ausgesetzt werden. So ist es nicht verwunderlich, dass mittlerweile nicht mehr nur Eltern die Vermittlung von Medienkompetenz als wichtiges Erziehungsziel ansehen, sondern auch die Schule ihre wichtige Aufgabe erkannt hat. Es finden sich zahlreiche Medienpakete und Arbeitsmaterialien zu den Themen Medien und Gewalt, sei es direkt zu in den Medien vermittelte Gewalt oder zur Gewaltprävention, die medial vermittelt wird. Nachfolgend sollen zwei Materialien vorgestellt werden, die sich nicht nur für den Einsatz im Unterricht eignen, sondern auch in der offenen Jugendarbeit eingesetzt werden können.
Abseits ist ein Gewaltpräventionspaket für Schülerinnen und Schüler ab neun Jahren. Das Medienpaket bestehend aus einer DVD mit sechs Filmsequenzen zu erschiedenen Formen der Gewalt und einem Filmbegleitheft, legt den Schwerpunkt auf Aufklärung und Opferschutz. Es sollen Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, sowie das Helfer- und Zeugenverhalten bei Opfern aktiviert und die Empathie gefördert werden. Die einzelnen Filmsequenzen dauern je drei bzw. fünf Minuten und behandeln die Themenschwerpunkte verbale Aggression, Mobbing, körperliche Aggression, Sachbeschädigung – Graffiti und Erpressung – Abzocken.
Im Jahre 2009 wurde das Medienpaket aktualisiert, das heißt angeglichen „an aktuelle Entwicklungen jugendtypischer Gewaltphänomene“ (Filmbegleitheft, S. 5) und um eine neue Filmepisode zumThema Handygewalt, dem sogenannten „Happy-Slapping“ erweitert. Die Filmsequenzen können als Film im Ganzen oder einzeln präsentiert werden. Die Kurzfilme sind sehr realitätsnah aus dem Schulalltag von Kindern und Jugendlichen gegriffen, dementsprechend regen sie die Betrachterinnen und Betrachter an, sich mit dem Geschehen intensiv auseinanderzusetzen. Die jugendaffine Aufmachung mit der Verwendung altersentsprechender Sprache, ‚cooler‘ Hintergrundmusik und den spannenden Schnitten unterstützt diese Wirkung. Verantwortlich ist das Programm polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes. Die ergänzte Episode zum Thema Handygewalt wurde mit Unterstützung des Informationszentrums Mobilfunk produziert. Das praktische, eher kurz gehaltene Begleitheft richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer und bietet zu jedem Themenschwerpunkt allgemeine Zielsetzungen, Konzepte, Lernziele und stellt eine mögliche Unterrichtsumsetzung vor. Das Begleitheft rät, bei einer eher kognitiven Auseinandersetzung mit den Themenkomplexen circa zwei Stunden zur Bearbeitung der Inhalte einzuplanen. Allerdings können die Unterrichtseinheiten erweitert werden, wenn „die Umsetzung der Konzepte (Kommunikationstraining, Selbstbehauptungstraining et cetera) intensiv und unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung von Handlungs- und sozialen Kompetenzen und deren Umsetzung in zukünftigen relevanten Situationen geschieht“ (Filmbegleitheft, S. 6).
Das Paket bietet somit eine gelungene Orientierung für Lehrerinnen und Lehrer, da zwar ein Rahmen für die Verwendung der Materialien vorgeschlagen wird, dieser aber nicht zwingend eingehalten werden muss und so Freiraum für den Einsatz bietet. Zusätzlich enthält das 18-seitige Programmheft, welches der DVD beigefügt ist und auch im Internet frei zur Verfügung steht, Tipps für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Handygewalt mit wertvollen Links und vorgedruckte Elternbriefe in deutscher, türkischer und russischer Sprache. Die Elternbriefe sollen das Thema weiter in die Öffentlichkeit bringen, Informationen über das Projekt geben und gleichzeitig die Eltern bestärken. Interessant ist auch die Bastelanregung, ein Würfel zum Ausschneiden, der zentrale Botschaften vermittelt wie „Was Gewalt ist, entscheidet das Opfer“ (Filmbegleitheft, S. 29) und eine freie Seite für persönliche Statements bereithält. Die ‚kleine Basteleinheit‘ kann gut in den Unterricht integriert werden. Der Hintergedanke ist klar ersichtlich, allerdings bleibt offen, ob man die Zielgruppe, die das Paket erreichen möchte, von der ‚Auflockerung‘ begeistern kann.
Für Pädagoginnen und Pädagogen sehr hilfreich ist das für das eher dünne Begleitheft ausführliche Literaturverzeichnis. Hier finden sich zahlreiche, gut gegliederte Literaturangaben, die ergänzend bearbeitet werden können und eine weitere Vertiefung in das Thema Gewaltprävention erlauben. Heutzutage dürfen auch wertvolle Internetseiten nicht fehlen, entsprechende Links finden sich am Ende des Heftes. Die Praxisbox Medien und Gewalt des Instituts für Friedenspädagogik Tübingen e. V. beschäftigt sich im Gegensatz zum Medienpaket Abseits nicht mit realer Gewalt auf den Schulhöfen, sondern mit den Problemfeldern und Handlungsmöglichkeiten von Medien, speziell Fernsehen, Video, Internet und Computerspiele. Die Praxisbox möchte jedoch einen Bezug der medialen Gewalt zur realen Gewalt, welcher Kinder und Jugendliche im Alltag ausgesetzt sind, herstellen. Bereitgestellt werden ausgewählte Materialien und didaktische Zugänge für verschiedene Bildungsinstitutionen. Im Vordergrund steht der eigene produktive Umgang mit den verschiedenen Medien. Neben einem Booklet mit wichtigen Hintergrundinformationen über Gewalt in Bildschirmmedien, bieten klar gegliederte Materialien unter anderem zu den Themen Mediennutzung, Gewalt in Medien, Computerspiele, Darstellungsformen, Probleme und Risiken im Internet oder Umgang mit Gewalt in Medien Tipps und Möglichkeiten für den direkten Praxiseinsatz. Die Jugendlichen werden beispielsweise aufgefordert, ein eigenes Medienprotokoll zu erstellen oder sie werden mit einem Facebookprofil konfrontiert, welches die Gefahren der Onlinepräsentation zeigen soll. Zusätzlich enthält die Praxisbox 30 Bildkarten, die Werbeplakate aus den Bereichen Film, Computerspiele und Fernsehen seit den 1950er Jahren zeigen. Gewalt in den Medien ist also kein neues Thema. Bei der Diskussion über Merkmale und Unterschiede sind hitzige Debatten vorprogrammiert. Auf der Rückseite der Bildkarten finden sich Texte, die konkrete Situationen des Umgangs mit Medien schildern und eine eigene Stellungnahme fordern.
Der Einsatz der Karten ist erst in höheren Klassen empfehlenswert, allerdings eignen sich diese sehr gut, um Diskussionen anzuregen und den eigenen Standpunkt beispielsweise zu den Themen Privatsphäre im Internet oder Computersucht zu ergründen. Das Booklet beschreibt eine mögliche Umsetzung in der Praxis. Eine CD-ROM bietet ultimediale Zugänge und Quellenmaterialien, Filmbeispiele oder Interviews für die Praxis und den Filmkatalog von Cinema of Peace, der Filme für den Schulunterricht einstuft und beschreibt. Auch für die Arbeit mit der CD-ROM gibt es im Booklet Vorschläge. Die Vorteile der Praxisbox liegen eindeutig in den umfangreichen didaktischen Zugängen und Möglichkeiten für den Einsatz in der Praxis. Beide kostenlosen Materialien sind empfehlenswert, um im Unterricht oder in der offenen Jugendarbeit das Thema „Medien und Gewalt“ zu thematisieren. Wichtig ist, dass man sich als Pädagogin oder Pädagoge über seine genaue Zielsetzung aber auch seine eigenen Vorkenntnisse bewusst wird. Die Praxisbox Medien und Gewalt bietet zwar einen guten Einstieg mit wichtigen und ausführlichen Informationen zum Thema, lässt allerdings in der didaktischen Umsetzung viel Spielraum. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Materialien ist Voraussetzung. Im Gegensatz zu dem eher vorstrukturierten Medienpaket Abseits, welches neben klaren Zielsetzungen, Konzepten und Lernzielen sich sehr gut auch für ‚Neulinge‘ im Bereich der Medienarbeit eignet.
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