Deutsche Telekom Stiftung (Hrsg.) (2014). Medienbildung entlang der Bildungskette. Ein Rahmenkonzept für eine subjektorientierte Förderung von Medienkompetenz im Bildungsverlauf von Kindern und Jugendlichen. Bonn: Deutsche Telekom Stiftung. 52 S., kostenf
Medienbildung entlang der Bildungskette
Medienkompetenz und Medienbildung sind wichtige Themen in der heutigen digitalen Gesellschaft. Alle Kinder und Jugendlichen sollten deshalb die Möglichkeit haben, gleichermaßen Kompetenz zu erwerben. Da das Bildungssystem diese Disziplinen noch nicht fest verankert hat, liegt es in der Verantwortung jeder einzelnen Familie, ihren Kindern Medienbildung nahezubringen. Weil dies in der Realität allerdings nicht überall gegeben ist, kommt es zu einer immer noch bestehenden sozialen Ungleichverteilung von Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Aus diesem Grund hat die Deutsche Telekom Stiftung das Projekt Medienbildung entlang der Bildungskette in Auftrag gegeben, das als thematisches Rahmenkonzept dienen soll. Eine Expertengruppe hat sich mit dem Thema Medienbildung ganzheitlich befasst und handlungsempfehlungen formuliert, die in der vorliegenden Publikation im Anschluss an die theoretische Hinführung zusammengetragen wurden. Einleitend wurden Grundlagen formuliert, die an das Thema heranführen. Neben der Beschreibung der Ausgangssituation, in der gefordert wird, dass Medienbildung als eigenständige Disziplin anerkannt wird, die nicht in Konkurrenz mit anderen viel diskutierten Themen steht, wird die Verwendung der Begrifflichkeiten Medienkompetenz und Medienbildung klar eingegrenzt sowie definiert. Der Fokus liegt dabei auf der Perspektive der Kinder und Jugendlichen, da durch die Subjektbetrachtung die persönliche Bedeutung von Medien herausgestellt werden kann. Für ein umfassenderes Grundverständnis von Medienbildung beinhaltet das Rahmenkonzept eine horizontale und eine vertikale Dimension des Begriffs, die sowohl einzeln als auch verknüpft betrachtet werden.
Medienbildung wird außerdem aus unterschiedlichen Perspektiven heraus aufgefasst: entlang der Bildungskette, bei Übergängen im Bildungssystem, aus der Subjektperspektive heraus und aus struktureller Sicht auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Kontexten. Im Anschluss an die grundlegenden Erläuterungen geht es in der Publikation um die differenzierte Darstellung der einzelnen Altersphasen und die damit zusammenhängenden Entwicklungsstufen. Bei der ersten der vier beschriebenen Phasen wird die frühe Kindheit (0 bis 5 Jahre) näher beleuchtet. Hier sind vor allem die Familien und Institutionen wie Kindertageseinrichtungen gefragt, wenn es um die mediatisierte Welt geht, da die Kinder in diese Welt hineingeboren werden und sie deshalb nicht als direkte Anforderung ansehen. Dabei ist in erster Linie die Familie gefordert, da die Familienmitglieder als Vorbilder fungieren und Studienergebnisse belegen, dass das Medienhandeln grundsätzlich einen starken Bezug zur familiären Lebenssituation aufweist. Für Kinder, die aus eher bildungsaffineren Milieus stammen, gibt es den Bedarf einer institutionellen Unterstützung, um die fehlende Förderung auf andere Weise zu erlangen. In der Phase der mittleren Kindheit (5 bis 9 Jahre) spielen zusätzlich die Gleichaltrigen eine wichtige Rolle, da durch die beginnende Schulzeit der Alltag der Kinder stark verändert wird. Diese Veränderung bezieht sich auch auf die Medienwelten, da neue Erfahrungen gemacht werden, neue Formen der Nutzung hinzukommen und somit die Medienkompetenz weiter ausgebaut werden sollte. Neben den neuen Herausforderungen und Elementen dieser Phase werden ebenso grundlegende Daten bezüglich Medienumgang, der Status quo in der Schule und Forderungen an Bildungsinstitutionen und Familien beschrieben. Bezüglich der dritten Phase, die die späte Kindheit und frühe Adoleszenz (9 bis 14 Jahre) umfasst, werden die Veränderungen und Umbrüche, die charakteristisch für diese Zeit sind, im Lebens- und Medienalltag geschildert. Dazu zählen neue Erfahrungen, die durch den Beginn der Pubertät und der damit verbundenen Ablösung von der Familie mit einer gleichzeitigen Näherung in Richtung der Peers gemacht werden, weitere Bildungsübergänge, die neue Anforderungen mit sich bringen, wie auch die mediale Aneignung mithilfe explorativer Orientierungssuche. Mit der Medienbildung in der vierten Phase, der mittleren bis späten Adoleszenz (14 bis 19 Jahre), werden vorrangig Bildungseinrichtungen und Peergroups wie auch der Übergang in den Beruf oder das Studium in Verbindung gebracht. Das Streben nach Selbstbestimmung prägt diesen Lebensabschnitt und damit auch den Umgang mit Medien. Die Besonderheit dieser Phase liegt in der Unterschiedlichkeit der Wege, die Jugendliche einschlagen können.
Heterogene Bildungsbiografien stellen damit eine Herausforderung für die Ausformung der Medienkompetenz dar. Die Herausforderungen, die sich aus den einzelnen Phasen für die Kinder und Jugendlichen ergeben, sind auch für die Gesellschaft von Bedeutung. Exemplarisch werden innerhalb der Publikation die Themen Partizipation, Umgang mit Heterogenität und Entgrenzung durch Medienhandeln herausgegriffen. Dabei wird der Bezug zur Medienbildung aufrechterhalten und die gesellschaftliche Bedeutung wie auch die subjektive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen werden in den Blick genommen. Abschließend werden nach der theoretischen Aufarbeitung der Thematik konkrete Handlungsempfehlungen formuliert, die die Verankerung von Medienbildung entlang der Bildungskette fördern sollen. Als erstes soll ein nationaler Orientierungsrahmen für die Verankerung entwickelt werden, der sich auf das hier zugrunde liegende Verständnis von Medienbildung stützt. Damit soll das bisherige bildungspolitische Versäumnis ausgeräumt werden. Die Entwicklung des Orientierungsrahmens könnte von einer Arbeitsgruppe übernommen werden, deren finanzielle und organisatorische Förderung vom Bund, den Ländern und auch von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren wie auch Förderinitiativen gesichert wird. Neben dem Orientierungsrahmen ist es ebenfalls wichtig, dass Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte grundsätzlich eine bessere medienpädagogische Ausbildung erhalten und ihre vorhandenen Kenntnisse verbessern. Für eine angemessene Medienkompetenzförderung ist es erforderlich, dass dies bereits in der pädagogischen Ausbildung standardisiert verankert wird. Um diese Forderung umzusetzen wäre es notwendig, Universitäten und Hochschulen von Grund auf im Bereich der Medienbildung auszustatten und neue Lehrstühle einzurichten, damit die Thematik in all ihren wichtigen Facetten in der Ausbildung aufgenommen werden kann. Für die konkrete Umsetzung werden neue Curricula gebraucht, die sich an die einzelnen Ausbildungsformen und ihre entsprechenden Besonderheiten anpassen.
Nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für die Fortbildung müssen neue Strukturen zum schrittweisen Aufbau von Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen entwickelt und implementiert werden. Dafür sollten zunächst Förderbedarfe ermittelt und anschließend Konzepte entwickelt werden, die von den Erfahrungswelten von Kindern und Jugendlichen ausgehen. Weiterhin wäre es sinnvoll, auch lokale Netzwerke zu schaffen oder, falls bereits vorhanden, sowohl institutionenund kontextübergreifend auszubauen. Um dies zu realisieren, müssen verschiedene Maßnahmen umgesetzt werden. Ideenwettbewerbe werden dabei als ein effektives Mittel eingeschätzt. Dadurch wird es Förderinitiativen ermöglicht, Modelle mit Vorbildcharakter zu begleiten, erforschen und zu unterstützen. Ausschreibungsthemen sollten hierbei die horizontale wie auch die vertikale Vernetzung der Orte der Medienbildung beinhalten. Mit der Realisierung des Rahmenkonzepts Medienbildung entlang der Bildungskette hat die Deutsche Telekom Stiftung einen großen Beitrag für die Bildungspolitik zur Förderung der Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen geleistet. Stefan Aufenanger, Birgit Eickelmann, Uwe Hasebrink, Bardo Herzig, Rudolf Kammerl, Norbert Neuß, Helga Theunert und Michael Wagner, die ihre Expertise in die Publikation einbrachten, schaffen es, kurz, knapp und verständlich die theoretische Basis auszuführen. Als Leserin oder Leser bekommt man eine klare Vorstellung vom Verständnis von Medienbildung für das Rahmenkonzept, der Perspektive der Kinder und Jugendlichen wie auch der Entwicklung des erweiterten Grundverständnisses von Medienbildung.
Die anschließende Erläuterung der verschiedenen Altersphasen und Entwicklungsstufen auf Medienbildung gemünzt verdeutlicht, wie unterschiedlich die Herausforderungen in den Altersphasen sind. Jede Stufe hat ihre Besonderheiten, auf die auch die Medienbildung achten muss. Die Differenzierungen wie auch Gemeinsamkeiten werden verständlich und auf den Punkt gebracht herausgearbeitet, wodurch die besondere gesamtgesellschaftliche Relevanz der Publikation nochmals hervorsticht. Besonders hervorzuheben sind die abschließenden Handlungsempfehlungen, da sie nicht nur theoretisch formuliert wurden, sondern auch praktische, konkrete Überlegungen enthalten, die sowohl kurz- als auch langfristig angelegt sind. Doch nicht alle Handlungsempfehlungen sind einfach zu realisieren. Betrachtet man beispielsweise den Ausbau oder die Neuentstehung von Lehrstühlen für medienpädagogische Belange, so wird klar, dass diese Empfehlung mehr als sinnvoll ist, die tatsächliche Realisierung allerdings ein großes Unterfangen darstellt. Dies liegt jedoch mehr in der Hand der Bildungspolitikerinnen und -politiker, die an der Umsetzung des Rahmenkonzepts entscheidend beteiligt wären. Das Rahmenkonzept bietet auf wenigen Seiten viele wertvolle Informationen, die hinsichtlich der Medienbildung in der Bildungspolitik Beachtung finden sollten, da sie einen praxisorientierten Ansatz verfolgen.
Die Deutsche Telekom Stiftung hat mit dieser Publikation einen wichtigen Schritt nach vorne getan. Es bleibt zu hoffen, dass das Konzept die Belange der Medienpädagogik in der Bildungspolitik vorantreiben kann und Medienbildung zukünftig einen festen Platz in den Curricula einnehmen wird. Somit eignet sich das Rahmenkonzept für alle thematisch interessierten Medienpädagoginnen und -pädagogen, für jede Person, die am Fortschritt der Bildungspolitik interessiert ist, wie auch für alle Bildungspolitikerinnen und -politiker.
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