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Doh, Michael (2011). Heterogenität der Mediennutzung im Alter. Theoretische Konzepte und empirische Befunde. Gesellschaft – Altern – Medien Band 2. München: kopaed. 457 Seiten, 24,80€. Anja Hartung (Hrsg.). Lieben und Altern. Die Konstitution vom Alter(n)

Vom ‚Silver Surfer‘ zum ‚Best Ager‘

Ein Dönerspieß? Ein Laubbaum? Ein Pilz? Sicher ist nur eines: Eine Pyramide ist die ‚Alterspyramide‘ in unserer Gesellschaft längst nicht mehr. Sie nimmt zu, am oberen Ende, und das hat Auswirkungen. Die Gruppe der älteren Menschen wächst, das merken Dienstleister, das merken Werbefachkräfte und das merken ‚die Medien‘. Denn während ältere Menschen bis vor Kurzem sowohl inhaltlich als auch als Zielgruppe vieler Medienangebote noch kaum eine Rolle spielten, sind sie mittlerweile als ‚Best Ager‘ und ‚Silver Surfer‘ zur gefragten Gruppe avanciert. Das schlägt sich in Werbestrategien und Themensetzungen nieder, hat Einfluss auf Gestaltung und Präsentation von Medienangeboten und – fordert natürlich auch neue Forschungsanstrengungen auf diesem längst nicht erschöpfend beforschten Gebiet. Um diese voranzutreiben gibt es seit 2009 die Gesellschaft – Altern – Medien GAM). Diese möchte „die nachhaltige Diskussion um die kulturelle, sozialpolitische und gesellschaftliche Bedeutung von Medien für das höhere Erwachsenalter fördern und durch empirisch und theoretisch fundierte Erkenntnisse anregen“, veranstaltet dazu jährlich Tagungen und weitere Zusammenkünfte, schreibt einen Nachwuchsförderpreis für wissenschaftliche Arbeiten aus, gibt eine Zeitschrift heraus – und eine Schriftenreihe, die sich mit allen Themen rund um Alter(n) und Medien‘ beschäftigt.

Zwei Bücher sind in dieser Reihe im kopaed Verlag bereits erschienen: Den Auftakt machte Lieben und Altern. Die Konstitution von Alter(n)swirklichkeiten im Film herausgegeben von Anja Hartung. Das 310 Seiten starke Werk beschäftigt sich mit der filmischen Darstellung des Themenkomplexes ‚Liebe und Alter‘ aus ganz verschiedenen Perspektiven. Es wird eröffnet von einer theoretischen Einführung in das Thema und einer Rückschau auf die gleichnamige Tagung, die den Grundstein für das Buch legte. Anschließend führen verschiedene wissenschaftliche ‚Reflexionen‘ in das Thema ein, Clemens Schwender, Stefan Neuhaus, Miriam Seidler und Olaf Sanders beleuchten Liebe, Alter, Demenz, Geschlechterrollen in Literatur, (Fernseh-)Film und Gegenwartskino und bieten so eine gute theoretische Basis. Darauf folgen fünf Filmbesprechungen und zwei Gespräche mit Regisseuren, die die theoretischen Fragestellungen praktisch untermauern und vertiefen. Nach einem weiteren Theorie-Block, in dem sich Dagmar Hoffmann und Anja Hartung mit der ‚anderen Seite‘, nämlich älteren Menschen als Publikum, beschäftigen, werden schließlich vier medienpraktische Projekte mit und über ältere Menschen und Medien vorgestellt. So gelingt es dem Buch, einen wirklich ausgewogenen und umfassenden Einblick in dieses wichtige Thema zu geben und sowohl für ‚theoretische‘ als auch ‚praktische‘ Leserschaften fruchtbar zu sein.

Als zweites Buch der Reihe schließt sich die Dissertation von Michael Doh an: Heterogenität der Mediennutzung im Alter. Die fast 450 Seiten starke Dissertation bietet einen umfassenden Überblick über das Feld der Mediennutzung im Alter, der in einer ausführlichen eigenen Studie gipfelt und so breit angelegt ist, dass bei Laien und Expertinnen und Experten gleichermaßen keine Fragen offen bleiben dürften. Die Basis bildet eine ausführliche Darstellung des aktuellen Wissensstandes zu medienwissenschaftlichen Konzepten, klassischen und aktuellen Alterstheorien, zu sozialökologischen Ansätzen zu Medien und Alter, zu gesellschaftstheoretischen Konzepten zu Generation, Alter, Lebenslauf und Medien sowie der angrenzenden Disziplinen Wohnen, Freizeit, Gesundheit und Sozialverhalten im Alter. Aus all diesen Befunden destilliert er ein ausführliches Resumée sowie Forschungsdefizite, die er sogleich in seiner eigenen Untersuchung aufgreift. Dazu bedient er sich der Datensätze dreier Studien: Zwei Zeitpunkte der Längsschnittstudie „Massenkommunikation“ (ARD/ZDF- Medienkommission) sowie eine Kohorte der „Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters“. Aus diesen Daten gewinnt er Ergebnisse zu den Fragestellungen, wie sich das Mediennutzungsverhalten älterer Menschen gestaltet, wie ihre Ausstattung und ihr Medienumgang sind und wie sie sich verändert haben, aber auch welche Unterschiede zwischen verschiedenen (bspw. gesellschaftlichen) Gruppen bestehen. Durch die gründliche Herangehensweise zeichnet er ein umfassendes und differenziertes Bild, das die heterogene Mediennutzung dieser Altersgruppe tiefgehend darstellt. Ein verheißungsvoller Auftakt also in die Schriftenreihe, die spannende Erkenntnisse bringt und zugleich neugierig macht auf weitere Bände, die dieses viel zu lange stiefkindlich behandelte Thema der älteren Generation ins Rampenlicht rückt.


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