Elisabeth Jäcklein-Kreis: Robert-Geisendörfer-Preis
Er stand für Wahrhaftigkeit und Unabhängigkeit, Ehrlichkeit und Freiheit, Authentizität als Journalist und Pfarrer: Am 01. September 2010 wäre Robert Geisendörfer, Gründer des Gemeinschaftswerkes evangelischer Publizistik (GEP) 100 Jahre alt geworden. Er hat es nicht mehr erlebt und doch standen seine Träume und Ziele ganz im Mittelpunkt des Geschehens, als sich am 15. September knapp 200 Medienleute, Journalistinnen und Journalisten, Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen und Interessierte im großen Saal des Bayerischen Rundfunks in München trafen, um zum 27. Mal den Preis für Hörfunk- und Fernsehbeiträge zu verleihen, die individuelles und soziales Verantwortungsbewusstsein stärken, zum guten Miteinander und zur gegenseitigen Achtung der Menschen beitragen und die christliche Orientierung vertiefen sowie Zeugnis und Dienst der Kirche unterstützen – den Robert Geisendörfer Preis.
Es war ein interessantes Publikum, das da an einem Mittwoch-Abend den Weg in die BR-Hallen gefunden hatte und sich in den blauen Stuhlreihen tummelte: Kragen- und Schlipsbewehrte Preisträgerinnen und Preisträger mit Teams, Chefs und Unterstützung, die Bericht erstattende Fraktion mit Jeans und Notizblöcken, dazwischen weiße Krageneinsätze und große Kreuze an der Kordel saßen in trauter Eintracht nebeneinander und lauschten den obligatorischen Begrüßungsreden. Hörten zu, wie Sigmund Gottlieb, Chefredakteur Fernsehen des BR freihändig den Slalom versuchte, die teils wenig schmeichelhafte Berichterstattung über kirchliche Angelegenheiten der letzten Zeit zu rechtfertigen und zugleich die Verbundenheit der Rundfunkanstalt mit GEP und Co. zu betonen. Saßen in andächtiger Stille, während Landesbischof Dr. Johannes Friedrich den Namensgeber des Preises ausführlich ehrte und betonte, wie wichtig Medienarbeit gerade in Kirchen ist. Und hielten bei all den Reden so brav still, dass sie zwischendurch sogar ausdrücklich zum „Szenenapplaus“ aufgefordert werden mussten. Aber schließlich war auch niemand für die Reden gekommen, sondern für die Preise und als die ihre neuen Besitzer fanden, war die Begeisterung schon deutlich spürbarer. So sah man in allen Reihen nachdenkliche Gesichter, als Paul Plamper und Nils Karicek ihre Medaille für das Hörspiel Der Assistent entgegennahmen, in dem das Verhältnis zwischen einer körperlich behinderten Frau und ihrem Helfer diskutiert wird und der eine oder andere musste seine Gänsehaut abschütteln, nachdem Claudia Klein und Sabine Smit für ein Feature über die friedliche Revolution 1989 in der Gethsemane-Kirche ausgezeichnet wurden.
Bei der Ehrung der Kinderprogramme mischten sich wohl bei einigen die Lachmit den Rührungs-Tränen, wenn in Der Kleine und das Biest ein Junge versucht, seine nach der Scheidung verbiesterte Mutter wieder in einen Menschen zu verwandeln (Marcus Sauermann, Uwe Heidschötter und Johannes Weiland wurden für diesen ganz besonderen Zeichentrick-Kurzfilm geehrt) oder wenn sichin rEchte Freunde Jungs gegen rechtsradikale Gruppen wehren (Christoph Eichhorn hatte Regie in dem ambitionierten Krimi.de-Film geführt). Anschließend gab es wieder bewegte bis betroffene Gesichter, als Franziska Buch und Rodica Döhnert den Preis für Die Drachen besiegen, einen Spielfilm über Präimplantationsdiagnostik, entgegen nahmen und als Thomas Weidenbach und Shi Ming für Tian‘anmen. 20 Jahre nach dem Massaker – die Opfer erzählen ausgezeichnet wurden.
Ein Reigen an ambitionierten Produktionen also, die keine leichten, aber immer wichtige Themen aufgriffen und sie mit Interesse, Respekt und Ehrlichkeit aufarbeiteten – und damit genau das spiegelten, was Robert Geisendörfer vorschwebte: „Fürsprache üben, Barmherzigkeit vermitteln und Stimme leihen für die Sprachlosen.“Einzig beim Sonderpreis der Jury bedurfte es doch einiger Fantasie, um das Anliegen diesesZitates und damit das Anliegen Robert Geisendöfers wiederzufinden: Den durfte nämlich Volker Heise dafür einstecken, dass er 24 Stunden lang 80 Drehteams durch die deutsche Hauptstadt schickte, um wen- und wasauchimmer zu filmenund dann in 24h Berlin tatsächlich einen ganzen Tag Sendezeit damit füllte, Berlinerinnen und Berliner beim Leben zu zeigen. Die Jury meinte zwar, darin „Liebe zu den Menschen und Faszination für die Schöpfung“ zu erkennen. Da mag man nun geteilter Meinung sein, sicher ist aber, dass es keine besonders christliche Einstellung spiegelt, wenn Heise in seiner Rede großzügig verlauten lässt, er freue sich trotzdem über den Preis, obwohl Geisendörfer ein Mann der Kirche war. Geisendörfer hätte solcherlei Überheblichkeit statt Dank sicher nicht auf sich sitzen lassen – dass den anwesenden Männern und Frauen der Kirche dazu allerdings nicht mehr einfiel, als sich die Gesichter rosa zu färben und verlegen zu lächeln, ist nur schade.
Nichtsdestotrotz macht eine Preisverleihung wie diese wieder Mut, zu glauben, dass sich in der deutschen Medienlandschaft auch engagierte Menschen tummeln, die wichtige Themen in qualitätvollen Produktionen behandeln – darauf konnte im Anschluss an die Veranstaltung getrost angestoßen werden und das taten auch alle, ob in Anzug, Jeans oder Kollarhemd.
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