Elisabeth Jäcklein-Kreis: Wundertag gefällig?
Im Magazin TOLL verzaubern Autorinnen und Autoren mit Behinderung
Die Becken schwingen unaufhörlich und erzeugen einen unruhigen Tonteppich, dazwischen drängt sich die Tuba ins Bewusstsein, jetzt eine Trompete, eine E-Gitarre und dann – ein Schuss! Blut! Ein verschwörerischer Blick direkt in den Pistolenlauf – Das muss James Bond sein, der Doppel-0-Agent, leibhaftig!Man zögert, schaut noch einmal hin, im Hinterkopf bläst die Tuba unbeirrt weiter und während man das Filmthema leise pfeift, muss man unwillkürlich lächeln. Nein, James Bond ist das nicht, der da so gekonnt die Pistole schwenkt und frech über den Rand seiner coolen Sonnenbrille lugt, einmal sogar bei- nahe aus dem Kreis hüpft, der den Pistolenlauf darstellt – Nikolaus Gerlach und Daniel Tietjen von der Hamburger Theatertruppe Eisenhans springen vergnügt durch die Kreise und machen den ‚echten‘ Bonds dabei mächtig Konkurrenz.Die beiden selbstbewussten Hamburger sind die Titelmodels der allerersten Ausgabe des Magazins TOLL – Magazin für Wundertage, das im September 2011 als Dummy erschienen ist.TOLL? Ganz schön selbstsicherer Name …Für Wundertage? Da kann man ja manchmal lange warten ...Doch sobald man die beiden James Bonds der Titelseite hinter sich gelassen hat, weiß man: Ein Tag mit TOLL wird von selbst ein Wundertag.
Denn da folgt ein wundervolles Wort auf das andere, liebevoll auf die Seiten geworfen, umrahmt von herzerwärmenden Illustrationen und den wahrscheinlich charmantesten Bildern, die eine Hochglanzzeitschrift jemals zu bieten hatte. Um Liebe geht es. Um gute Tage und schlechte. Um Glück. Um Pech. Um sich selbst. Um Musik. Um Mode. Um das Leben, von vorne und hinten und oben und unten. Aus lauter verschiedenen Sichtweisen und ganz besonderen Perspektiven.Denn die Autorinnen und Autoren sind alle besonders TOLL und anders. Es sind Menschen mit Behinderung, aus der Hamburger Schreibwerkstatt Tolle Worte, die ihre Texte bisher – seit nunmehr fünf Jahren – nur auf dem Blog www.tolle-worte.de veröffentlicht haben und jetzt mit Anlauf den Sprung ins echte Papier gewagt haben. Initiatorin und Herausgeberin Sylvia Heinlein hat sie losgeschickt und feuert sie dabei an. Weil sie ein Potenzial sieht und große Träume hat. Weil die Texte ehrlich und schön sind und man sich jede zweite Seite einrahmen möchte.
Weil sie raus will aus dem Schonraum und rein in den echten Markt, auf dem TOLL genau am richtigen Platz wäre. Denn TOLL ist „stylish, schräg und überraschend. Hingebungsvoll layoutet und ohne sozialpädagogisches Schischi.“ Das behauptet nicht nur die Homepage, das könnte man auch selbst sehen, wenn man unvoreingenommen hineinschaut.Und hineinschauen sollen bald noch viel mehr Menschen können. Bisher kann man unter www.toll-magazin.de ‚nur‘ den ersten, 47 Seiten starken Dummy ansehen und als pdf herunterladen. Bald aber soll es TOLL regelmäßig geben, möglichst als Beilage eines Printmediums, so es vielen Menschen in die Hände rutscht und ein Lächeln zaubert. Die Bonds und ihre schreibenden, malenden, fotografierenden und layoutenden Kolleginnen und Kollegen stehen dafür in den Startlöchern, Sylvia Heinlein sucht derweil noch Sponsoren und das passende Printmedium. Denn wenn mit deren Hilfe der Anlauf geschafft ist, schwebt ihr Großes vor: Die weltweit erste professionelle Redaktions-Werkstatt mit festen Arbeitsplätzen für geistig behinderte Autorinnen und Autoren, das wäre ihr Traum.
Ein paar Sponsoren tummeln sich bereits online, die diesen Traum mitträumen. Und jeder, der noch mit einem leisen James-Bond-Beckenklingen im Kopf den TOLL-Dummy zuschlägt und auf der Rückseite zum letzte Mal schmunzeln muss, weil der letzte Bond zum Abschied vornüber aus dem Kreis springt, träumt sicher auch ein bißchen mit – denn lange möchte man nicht warten müssen, auf den nächsten Wundertag mit TOLL!
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