Grünewald, Dietrich/Kaminski, Winfried (Hrsg.) (1984). Kinder- und Jugendmedien. Ein Handbuch für die Praxis. Weinheim und Basel: Beltz.
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60 Jahre merz Buchklassiker
(Ehemalige) merz-Redakteurinnen und -Redakteure empfehlen medienpädagogische Klassiker: Dazu haben sie jeweils eine ihrer liebsten, interessantesten, herausforderndsten, wichtigsten ... Publikationen aus dem Regal gezogen, aus der sie heute noch Gewinn und Anregungen ziehen.
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Spätestens mit dem Erfolg der Vorschulserie Sesame Street und ihrer internationalen Vermarktung seit Ende der 1960er-Jahre war offenkundig, dass auch Medien für Kinder den globalen Konditionen des Medienmarktes unterliegen. Ob und wieweit sie von deren Imaginations- und Vorstellungswelten zunehmend geprägt werden, wird seither leidenschaftlich diskutiert. Die sich bald formierende Medienwissenschaft für Kindermedien interessierte sich vor allem für Produkte, Genres und Inhalte in ihren jeweiligen medialen Figurationen und Verflechtungen. 1984 gaben die Kunst- und Literaturdidaktiker Dietrich Grünewald und Winfred Kaminski erstmals ein ‚Handbuch für die Praxis‘ zu Kinder- und Jugendmedien heraus. Sie begründeten ihre neue, ganzheitliche Sichtweise zum einen mit dem geschärften Blick auf die Kindheit – nach dem französischen Historiker Philippe Ariès –, zum anderen mit besagter kommerzieller Verquickung der Kindermedien. Die Artikel greifen daher nahezu jedes Medium auf: unter den Oberkategorien ‚Druck‘, ‚bewegtes Bild‘, ‚Audio‘, ‚Theater‘ und ‚Spielzeug‘. Diese Einteilung ist (noch) nicht trennscharf; zudem fehlen Computer, Konsole- und Videospiele gänzlich.
Interessant und bis heute ergiebig sind aber die beiden anderen Zugänge, hier – nicht ganz passend – unter ‚Aussage‘ gefasst: Zum einen sind es ‚Inhalte‘ (besser ‚Themen‘) wie Arbeitswelt, Behinderte, Gewalt, Liebe/Sexualität, Realität, Sport, Werbung, die in den diversen Medien behandelt, verklärt oder auch benutzt werden; zum anderen Gattungen bzw. Genres wie Abenteuer, Krimi, Science Fiction und Western.Die sich vielfältige weiterentwickelnde spezifische Medienwissenschaft beeindruckte mit vielen Befunden und Einblicken und überzeugte darin, dass der Kindermedienmarkt kontinuierlich einer kritischen Sichtung und Analyse bedarf. Allerdings scheint inzwischen das medienwissenschaftliche Interesse für Kindermedien nachgelassen zu haben; vielleicht lässt sich ihr ständig üppiger sprießender Markt nicht mehr angemessen überblicken. Aber brauchen Medienpädagoginnen und -pädagogen nicht just solch sachliche Einsichten in die Welten der kindlichen Illusionen und Begierden, um aktuell und kompetent arbeiten zu können? Darüber wäre zu diskutieren.
Dr. Hans-Dieter Kübler war Professor für Medien-, Kultur- und Sozialwissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg und Privatdozent an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Von 2004 bis 2014 war er als Gutachter und im Beirat von merz | medien + erziehung tätig.
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