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Günther Anfang: Create Your World – Ars Electonica 2011

Mit „Create Your World“ hat die Ars Electronica dieses Jahr die Jugend als Zielgruppe entdeckt. Zwar gab es immer schon den Wettbewerb U19, der sich an den Mediennachwuchs unter 19 Jahren richtete, doch nun hat die Festivalleitung um Gerfried Stocker und Christine Schöpf entschieden, die Jugend noch mehr in den Mittelpunkt des Festivals zu stellen und das Zukunftsfestival der nächsten Generation kreiert. Aus diesem Grund mutete die Ars Electronica zum Teil wie ein Jugendmediencamp an. Eine Zelt- und Bauwagenstadt rund um das Ars Electronica Center wurde aufgebaut. Hier wurden sowohl Pizzas gebacken als auch im Erfinderladen Dinge angeboten, die es noch nicht gibt, wie Bücher mit Kleiderhaken oder elegante „Stuhlsocken“. Von kleinen Geschenkartikeln bis hin zu witzigen und durchaus interessanten Ideen, war vieles dabei, was junge Menschen entwickelt haben. Auf einem Markplatz der Talente konnten darüber hinaus am Samstagnachmittag Jugendliche ihre Fähigkeiten auf der Donaubrücke zur Schau stellen. Hier versammelten sich dann auch jede Menge Expertinnen und Experten, die ihr Wissen über Fragen zum Sonnensystem bis hin zu Fragen, die nicht beantwortet werden können, weitergaben. Im Ausstellungsbereich konnte man schließlich die Gewinner des diesjährigen U19 – freestyle computing Wettbewerbs kennen lernen.

Insgesamt 15 Preise und Anerkennungen wurden vergeben, unter anderem an das Projekt Weltherberge Schulhaus, das als Kooperationsprojekt zweier österreichischer Schulen die Goldene Nica erhielt. Grundidee dieser mehrteiligen Installation ist es, dass jedes Lebewesen Spuren, Gedanken, Geschichten und Erinnerungen in Zimmern hinterlässt. Diese Spuren werden mit Hilfe sensorenbestückter Möbel bei Berührung sichtbar gemacht und als Geräusche wiedergegeben. Dadurch kann die Geschichte des Raumes, von wem er betreten und besucht wurde, eingefangen und erfahrbar gemacht werden. Diese aufwändige und vielschichte Installation war nicht nur deshalb beeindruckend, weil hier fast 100 Schülerinnen und Schüler mitwirkten, sondern auch weil hier unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mädchen und Jungen zum Zug kamen. Angefangen von der Programmierung der Sensoren bis hin zu den Bastel- und Näharbeiten zur Erstellung der Installation. Weitere U19-Preise und Anerkennungen gingen unter anderem an das Projekt Bikemap von Felix Krause, der ein iPhone-App für ein Radfahrer-Portal entwickelt hat, das innerhalb weniger Tage über 20.000 Mal heruntergeladen wurde, sowie an den Animationsfilm Flug und Fall von Nikolai Maderthoner, der vor allem aufgrund seiner ausgefeilten Grafik überzeugte.Das Ars Electronica Festival selbst stand dieses Jahr unter dem Motto „origin – wie alles beginnt“. In Zusammenarbeit mit dem CERN, an dem über 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt die Entstehung des Universums und den Ursprung aller Materie erforschen, widmete sich die Ars Electronica der Welt der Spitzen- und Grundlagenforschung. Dieser Schwerpunkt verlagerte allerdings auch das Gewicht des Festivals auf sehr technizistische Fragestellungen. Auch wenn im Logo des Festivals künstlerisch eine Kernspaltung visualisiert wird, bleiben die Fragen rund um die Ursprünge des Universums letztendlich auf der Ebene der Grundlagenforschung, bei der die Kunst nicht mehr viel beizutragen hat. Wenn im Rahmen des Festivals der Antimaterie-Experte Michael Doser über „Neue Physik und das Neuland, nach dem im CERN gestrebt wird“ spricht oder ein Wissenschaftler über die vier großen Experimente am LHC, dem weltweit größten Teilchenbeschleunigungskomplex in der Nähe von Genf, berichtet, dann geht das sehr in die Tiefe der Grundlagenforschung, die für Laien nicht mehr verständlich ist. Da kann auch das im Rahmen des Festivals präsentierte Buch mit Bildern und Texten zum LHC keine Abhilfe schaffen. Denn die in diesem Bildband präsentierten Bilder über die ‚Weltmaschine‘ LHC bleiben ebenfalls sehr technizistisch und glatt. Mit Medienkunst hat das wenig zu tun. Spannend waren aber auch dieses Jahr wieder einige der Preisträger des Wettbewerbs.

So überzeugte zum Beispiel das Projekt Newstweek von Julian Oliver aus den Niederlanden und Dana Vasiliev aus Russland, das die Goldene Nica im Bereich „Interactive Art“ erhielt. Dieses Projekt ist vor allem deshalb so irritierend, da es aufzeigt, wie leicht Informationen im Internet manipuliert werden können. Mit Hilfe eines Tools können innerhalb eines offenen Hotspots Informationen verändert und zum Beispiel die Schlagzeilen von Nachrichtenportalen manipuliert werden. So kann aus der Spiegel online-Schlagzeile „Obama legt neues Investitionsprogramm auf“, schnell „Obama scheitert mit neuem Investitionsprogramm“ werden. Welchen Glauben man somit den Nachrichten aus dem Internet schenken kann, wird damit sehr schnell anschaulich. Weniger nachvollziehbar war dagegen die Entscheidung, das Projekt May the horse live in me von Marion Laval-Jeantet und Benoît Mangin aus Frankreich zu prämieren. Als Preis in der Kategorie „Hybrid Art“ löste dies kontroverse Diskussionen zu (Bio-)Ethik und der gängigen wissenschaftlichen Praxis aus. Im Rahmen einer Performance lässt sich hier eine der Künstlerinnen Blut eines Pferdes injizieren, um die Blutsbrüderschaft zwischen Pferd und Mensch zu dokumentieren. Die Sinnhaftigkeit eines derartigen Projekts erschließt sich jedoch nicht jedermann. Aber auch im letzten Jahr war der Preis in dieser Kategorie umstritten. Hier ließ sich ein Künstler ein Ohr an seinen Arm verpflanzen. Doch diese Verstörungen machen schließlich auch den Reiz der Ars Electronica aus. Es gilt vieles zu entdecken und nicht alles muss gefallen.

Alle Preise des Festivals sind zu finden unter new.aec.at/prix/en/gewinner.


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