Maya Götz: Instagram & Co.
In den letzten Monaten habe ich viel Zeit mit der Analyse der Selbstdarstellung von Mädchen und Influencerinnen sowie Influencern auf Instagram verbracht. Viele schöne junge Frauen mit super Haut und einem tollen Körper, großen Augen und perfekt gestylten Haaren – und alle so ähnlich, dass es mich zutiefst beunruhigte. Je tiefer ich in die Materie einstieg, desto deutlicher wurden zwar die Unterschiede in den Inszenierungsstrategien einer Medienveteranin wie Heidi Klum im Vergleich zu einer Dagi Bee und dem, was Lilly oder Anna, zwei „normale Mädchen“ aus unseren Fallstudien, von sich posten. Doch wenn ich dann mal ein paar Tage die Ordner beiseitelegte, um mit frischem Blick ins Material zu schauen, überliefen mich immer wieder Schauder, denn im Prinzip sehen alle Mädchen und Frauen irgendwie gleich aus.
Als ich zur Schule ging – und das ist jetzt ganz schön lange her –, gab es Popper, Normalos, Ökos, ja sogar auch eine Punkerin. Im Studium habe ich dann voller Begeisterung Ulrich Beck und Gerhard Schulze gelesen: In unserer individualisierten Gesellschaft vermehren sich die Möglichkeiten, was gleichzeitig den Zwang zur Wahl mit sich bringt. Kaufentscheidungen werden zur Form der Identitätsarbeit, mit der ich mich von anderen unterscheidbar präsentiere. Die Lebensstildiskurse eröffneten mir damals ganze Verständnishorizonte. Subjektivität in der Postmoderne, Identitätsbastelei – all das fügte sich so wunderbar in mein humanistisches Menschenbild ein.
Als dann ein Jahrzehnt später die Sozialen Netzwerke wie Facebook kamen, erschienen diese als passende Plattform für Selbstdarstellung und Präsentation von Individualität. Doch spätestens bei Instagram wird deutlich: hier funktioniert es etwas anders, denn Unterscheidbarkeit ist genau nicht mehr das Ziel.
„Man braucht ein perfektes Bild“, erzählt die 14-jährige Lilly zu dem, was sie auf Instagram postet. „Zufallsbilder“, auf denen es aussieht, als hätte sie eine „Mordswampe“, sind ein absolutes No-Go. Sie würde sich niemals „ungepflegt“ zeigen, mit wirrem Haar oder knappem Bikini. Die Praktikumsleiterin könnte es ja sehen – oder ein imaginärer „Notgeiler“, weswegen sie auch niemals etwas zeigen würde, was ihren Wohnort verrät. Mir fällt auf, über welch hohe Medienkompetenz die Mädchen verfügen. Sie wissen um Gefahren, gehen sehr überlegt und sorgsam mit ihren Posts und ausgesprochen wertschätzend miteinander beim Kommentieren und Liken um. Angela McRobbie nennt sie „Top Girls“, mit einem Leben in postfeministischer Maskerade. Der Konsum führt eben nicht mehr zur Stilbildung, sondern zur Vereinheitlichung eines weiblichen Klischees mit selbstoptimierter Körperlichkeit – und wehe derjenigen, die nicht mithalten kann.
Ich mache mir eigentlich keine Sorgen um Lilly und Anna. Sie werden gut zurechtkommen in dieser Gesellschaft, so bereit, wie sie zur Anpassung sind. Und doch geht ihnen und unserer Gesellschaft viel verloren. Was es dringend bräuchte, wäre die Förderung einer (geschlechterspezifischen) Widerstandskultur, ein Zelebrieren von Einzigartigkeit, von Pickeln und Fettpölsterchen. Doch dafür sind wir vermutlich alle viel zu sehr gefangen im schönen Schein von Instagram & Co.
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