Kati Struckmeyer: Fajembola, Olaolu; Nimindé-Dundadengar, Tebogo (2024). Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen. Weinheim Basel: Beltz. 284 S., 20,00 €.
Fajembola, Olaolu; Nimindé-Dundadengar, Tebogo (2024). Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen. Weinheim Basel: Beltz. 284 S., 20,00 €.
Kinder werden aus unterschiedlichen Gründen diskriminiert. Zum Beispiel aufgrund von Queerness, Behinderung und Armut oder aus rassistischen bzw. antisemitischen Ideologien heraus – das Ergebnis ist meist, dass die betroffenen Kinder sich verletzt fühlen, ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstwirksamkeit untergraben werden und sie dadurch ihr Potenzial nicht ausschöpfen können.
Ziel von Fajembola (Kulturwissenschaftlerin) und Nimindé-Dundadengar (Psychologin), Autorinnen des Bestsellers ‚Gib mir mal die Hautfarbe – mit Kindern über Rassismus sprechen‘, ist es, mit ihrer neuen Publikation Heranwachsende und ihre Bezugspersonen für Vorurteile, Abwertung und Ausgrenzung zu sensibilisieren und sie davor zu schützen. „Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Diskriminierungsformen sollte zu den Kulturpraktiken gehören, die wir alle von Kindesbeinen an lernen.“ (S. 14) Lesende sollen ein umfassenderes Verständnis von Diskriminierung und deren Auswirkungen erlangen. Dieses Verständnis soll dazu beitragen, dass sie selbst in die Diskussion mit Kindern gehen und sich mit den Herausforderungen auseinandersetzen, „die sich bei der Vermittlung von Inklusivität und Gerechtigkeit ergeben können.“ (S. 17).
Aufgeteilt ist das Buch in zehn Kapitel. Im einführenden Kapitel zu Diskriminierung wird die Grundlage für den folgenden Inhalt gelegt und Diskriminierung in ihrer Komplexität erklärt, indem grundsätzliche Gedanken und Begrifflichkeiten eingeführt werden. Dabei geht es nicht nur darum, was Diskriminierung ist und welche Auswirkungen sie hat, sondern auch um die Rolle, die Erwachsenen zukommt, wenn sie Diskriminierung bei Kindern erleben bzw. wie wir sie davor schützen können. „Dieser Prozess des Empowerments zielt insbesondere darauf ab, die Selbstwirksamkeit der Kinder zu erhöhen und sie zum Zentrum ihrer eigenen Bewertung zu machen.“ Fajembola und Nimindé-Dunda-dengar zeigen auf, wo die Schnittstelle von elterlicher und pädagogischer Verantwortung liegt. „Kindermund tut Wahrheit kund – wer kenntsie nicht, die Sprüche, die Kinder von sich geben und in denen sich klar die Haltung der Eltern widerspiegelt. Damit Kinder so weit wie möglich frei sein können von diesem langen Arm der Erwachsenen(-meinungen) ist es in pädagogischen Räumen wichtig, diese Äußerungen aufzugreifen und sie gemeinsam mit den Kindern und in Elterngesprächen zu beleuchten.“ (S. 31)
In den folgenden Kapiteln wird auf verschiedene Formen und Momente von Diskriminierung im Detail eingegangen: Anti-Schwarzer, Antimuslimischer, Antiasiatischer Rassismus; Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze, Antisemitismus, Anti-Gender-Diversity, Bodyshaming, Ableismus und Klassismus werden definiert, erklärt und anhand zahlreicher Beispielen aus der Alltagspraxis greifbarer. Bücher, Filme und Serien, Social-Media-Kanäle sowie Vereine und Initiativen als Anlaufstellen werden empfohlen sowie Fachbegriffe glossarartig erklärt. Als Grundlage für Gestaltung der einzelnen Kapitel haben die Autorinnen Expert*innen interviewt. Aufgrund von deren Erfahrungswissen, ihrer aktivistischen Arbeit und/oder ihrer akademischen Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema konnte die Perspektive geweitet werden, was man der intensiven und authentischen Auseinandersetzung mit den einzelnen Diskriminierungsformen anmerkt. Die Biografien der Expert*innen schließen jeweils das Kapitel ab und geben zusätzlichen Einblick in das Leben sehr unterschiedlicher Menschen.
Beispielhaft hervorgehoben sei das Kapitel ‚Klassismus – Gedanken zur Klassenreise‘. Der persönliche Einstieg ins Thema zeigt bereits, wie stark die Herkunft aus einer bestimmten sozialen Klasse wirkt, selbst dann, wenn es nicht in erster Linie um materielle Armut geht. Im Vergleich zu beispielsweise Rassismus und Antisemitismus wird Klassismus aber längst nicht so im gesellschaftlichen Diskurs abgebildet, obwohl er sehr wirkmächtig ist. Nach einem kurzen Exkurs zur Problematik der Kinderarmut in Deutschland bzw. der kaum vorhandenen Aufmerksamkeit dafür wird Klassismus definiert und von einem Fragebogen ergänzt, der zum Reflektieren des eigenen Standpunkts anregen soll. Daraufhin werden
Denkanstöße gegeben, wie Armut in der Sprache benannt werden kann, ohne Menschen dabei klassistisch zu diskriminieren oder historisch negativ geprägte Begriffe zu verwenden. Weiter geht es mit Gedanken dazu, warum Geld in der deutschen Gesellschaft eigentlich so in-
transparent behandelt wird – und welche Beziehung wir (auch angesichts dessen) zu Geld haben. Nach einem kurzen Exkurs zum komplexen Thema Bildungsungerechtigkeit mündet das Kapitel in alltagsnahe Tipps für Familien und Pädagog*innen, wie eigenes klassistisches Verhalten im Alltag verhindert und das Bewusstsein dafür schon bei Kindern geschärft werden kann. In ihrem Schlusswort reflektieren die Autorinnen ihren Schreibprozess sowie die Entstehung des Buches und plädieren dafür, sich selbst immer wieder mit den eigenen Privilegien sowie mit Unsicherheiten, Wissenslücken und den Perspektiven und Meinungen anderer auseinanderzusetzen. Denn „wenn wir uns in unserer Menschlichkeit begreifen, in unseren Ungewissheiten und Fehlbarkeiten, dann entstehen Räume für Veränderung.“ (S. 268)
Zurück