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Markus Fischer: Erlaubnisfreie Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke

Die medienpädagogische Arbeit baut auch auf dem Schaffen anderer auf oder nimmt Bezug auf fremde urheberrechtlich geschützte Werke. So wird zum Beispiel fremde Musik in Filmen genutzt, im Unterricht werden Filmausschnitte gezeigt und Drehbücher fußen auf vorhandenen Drehbüchern, Theaterstücken, Romanen oder Erzählungen. Dabei stellt sich die Frage, ob die Einwilligungen der Urheber bzw. Rechteinhaberinnen und -inhaber für die Verwertung in der medienpädagogischen Arbeit eingeholt werden müssen, oder ob die urheberrechtlich geschützten Werke ohne Erlaubnis der Berechtigten in die medienpädagogische Arbeit einfließen können. Nachfolgend wird dargestellt, unter welchen Voraussetzungen urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis der Berechtigten von Medienpädagoginnen und Medienpädagogen wiedergegeben werden können. Urheberrechtlich geschützte Werke sind persönliche geistige Schöpfungen1, wie zum Beispiel Drehbücher, Romane, Erzählungen, Filme und Musikstücke. Auch Teile solcher Werke sind geschützt, sofern sie die Gestaltungshöhe einer persönlichen geistigen Schöpfung beinhalten. Die Wiedergabe dieser Werke kann innerhalb der medienpädagogischen Arbeit beispielsweise durch Vorträge (z. B. Lesen von Texten), Aufführungen (z. B. Spielen eines Theaterstücks oder Singen von Liedern), Vorführungen (z. B. Aufführung von Filmen), Zugänglichmachung (z. B. Bereitstellen von Filmen im Internet) und Sendungen (z. B. Stadtradio) erfolgen. Die Werke können erlaubnisfrei wiedergegeben werden, wenn die Wiedergabe gemeinfreie Werke beinhaltet, nicht öffentlich geschieht, die urheberrechtlich geschützten Elemente frei benutzt werden oder die medienpädagogische Arbeit sich innerhalb der Urheberrechtsschranken hält. Zudem können aus urheberrechtlich geschützten Werken erlaubnisfrei Elemente genutzt werden, die nicht die Anforderungen der persönlichen geistigen Schöpfung erfüllen.

Gemeinfreies Werk

Unter gemeinfreien Werken werden amtliche Werke und Werke, deren Schutzdauer abgelaufen ist, verstanden.3 Darunter fallen Gesetze, Verordnungen, amtliche Bekanntmachungen und Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen. Diese amtlichen Werke genießen keinen Urheberrechtsschutz. Innerhalb der medienpädagogischen Arbeit ist also eine Auseinandersetzung mit diesen Werken erlaubnisfrei möglich. Siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt das Urheberrecht.5 Goethes Texte können folglich erlaubnisfrei wiedergegeben werden. Bei Filmwerken ist die Dauer des Urheberrechtsschutzes schwieriger festzustellen. Hier erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tod des Längstlebenden aus folgendem Personenkreis: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge und Komponist der Filmmusik.

Nichtöffentliche Nutzung

Die nichtöffentliche Wiedergabe fremder Werke ist erlaubt. Nichtöffentlich ist die Wiedergabe, wenn die Personen, die das Werk wiedergeben und aufnehmen, durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind. Ob eine Verbindung durch persönliche Beziehungen besteht, muss jeweils für den Einzelfall entschieden werden. Als Entscheidungskriterien sind dabei die Anzahl der das Werk aufnehmenden Personen und die Art der Beziehungen untereinander heranzuziehen. So werden zum Beispiel Wiedergaben urheberrechtlich geschützter Werke in Hochschulseminaren, in Projektgruppen und in Schulklassen als nicht öffentlich angesehen.

Freie Benutzung

Nach der Rechtsprechung liegt eine freie Benutzung eines Werkes vor, wenn das neue Werk zu dem benutzten älteren Werk einen so großen inneren Abstand hält, dass die übernommenen Züge des älteren Werkes in dem neuen Werk verblassen und somit das neue Werk als selbständig anzusehen ist. Bei einer Parodie bzw. Karikatur kann aufgrund des Schaffens einer neuen Aussage eine freie Benutzung vorliegen, obwohl urheberrechtlich geschützte Elemente fast unverändert übernommen werden. Für die medienpädagogische Arbeit bedeutet dies, dass beispielsweise eine filmische Parodie über eine Seifenoper erlaubnisfrei öffentlich aufgeführt werden kann, obwohl urheberrechtlich geschützte Elemente der Soap, zum Beispiel einzelne Figuren, übernommen werden. Voraussetzung ist, dass die übernommenen Elemente in der Parodie verblassen. Das ist einzelfallartig zu beurteilen. Eine freie Benutzung liegt nicht vor bei der erkennbaren Entnahme einer Melodie aus einem Werk der Musik.

Nutzung innerhalb der Urheberrechtsschranken

Aufgrund von Interessen der Allgemeinheit werden die urheberrechtlichen Befugnisse in bestimmten Fällen durch das Urheberrechtsgesetz eingeschränkt. Unter den Voraussetzungen des Zitatrechts können urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen der medienpädagogischen Arbeit wiedergegeben werden. So dürfen beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen Filmausschnitte zu Unterrichtszwecken gezeigt werden. Für dieses Beispiel bedeutet das, dass die Unterrichtsvermittlung für sich ein Werk darstellt, dass der Unterricht sich mit dem Filmausschnitt auseinandersetzt und der Filmausschnitt nur einen für die Auseinandersetzung angemessenen Umfang hat, was bei Filmausschnitten von wenigen Minuten grundsätzlich zu bejahen ist. Zudem ist in der Regel eine Quellenangabe vorzunehmen. Unter den Voraussetzungen der öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung können beispielsweise im Rahmen des Hochschulunterrichts für die Studierenden erlaubnisfrei Filmausschnitte zum Download bereit gestellt werden.19 Hierfür ist eine angemessene Vergütung zu bezahlen, die durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Die öffentliche Zugänglichmachung eines Filmwerkes ist vor Ablauf von zwei Jahren nach Beginn der üblichen regulären Auswertung in Filmtheatern nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.

Anmerkungen

1 vgl. 2 Abs. 2 UrhG.2 vgl. Fischer, Urheberrechtsschutz im Arbeitsverhältnis in merz 02/2011.3 zur freien Musik im Internet vgl. Broschüre: LAG Lokale Medienarbeit NRW e. V. (Herausgeber), Freie Musik im Internet Schriften zur lokalen Medienarbeit 9, 2. Aufl. 2010.4 Vgl. § 5 UrhG.5 Vgl. § 64 UrhG.6 Vgl. § 65 Abs. 2 UrhG.7 Vgl. § 15 Abs. 3 UrhG.8 Vgl. v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 Rn. 75.9 Vgl. v. Ungern-Sternberg aaO, § 15 Rn. 83, 84.10 Vgl. § 24 UrhG.11 Vgl. BGH ZUM 1993, S. 537 (546).12 Vgl. Raue in Münchener Anwaltshandbuch Urheber- und Medienrecht 2011, § 1 Rn. 144.13 Vgl. § 24 Abs. 2 UrhG.14 Vgl. §§ 44a-63a UrhG.15 Vgl. § 51 Nr. 2 UrhG.16 Vgl. Jäger, Rechtliche Problemfelder bei der Vorführung von Filmausschnitten im Hochschulunterricht und deren Bereitstellung im Internet zum Download, herausgegeben von der Universität Passau, Forschungsstelle für Rechtsfragen der Hochschul- und Verwaltungsmodernisierung am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. Sicherheitsrecht und Internetrecht, Prof. Dr. Heckmann, Stand: 2005, S. 4f.17 Vgl. § 63 UrhG.18 Vgl. § 52a UrhG.19 Vgl. Jäger, aaO, S. 5-9.20 Vgl. § 52a Abs. 4 UrhG.21 Vgl. § 52a Abs. 2 S. 2 UrhG.


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