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Medien mit Migrationshintergrund?

Susanne Eggert (2010). Medien im Integrationsprozess: Motor oder Bremse? Die Rolle der Medien bei der Integration von Heranwachsenden aus der ehemaligen Sowjetunion. München: kopaed. 240 Seiten, 18,80 €.

Hunger, Uwe/Kissau, Kathrin (Hrsg.) (2010). Internet und Migration. Theoretische Zugänge und empirische Befunde. Wiesbaden: VS Verlag. 342 Seiten, 29,90 €.

Hepp, Andreas/Bozdag, Cigdem/Suna, Laura (2011). Mediale Migranten. Mediatisierung und die kommunikative Vernetzung der Diaspora. 290 Seiten, 24,95 €.

Ein Fünftel der deutschen Bevölkerung hat einen sogenannten Migrationshintergrund (bpb 2010). Fast 20 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen sind entsprechend nicht hier geboren oder haben Vorfahren, die aus einem anderen Land eingewandert sind. Wie diese Menschen hier leben, ob und wie sie sich integrieren, welches Selbstbild sie aufbauen und nach außen tragen, wie ihr Verhältnis zum Herkunftsland sich gestaltet, hängt von vielen Faktoren ab – von ihrer Erziehung und Sozialisation, ihrer Umgebung, ihrer Peergroup – und ihrer Mediennutzung. Denn Medien sind aus keinem Lebensbereich mehr wirklich wegzudenken.Doch welche Rolle spielen sie für Migration und Integration? Unterscheidet sich Mediennutzung ‚mit‘ und ‚ohne Migrationshintergrund‘? Haben Medien einen Einfluss auf den Integrationsprozess oder bleiben sie außen vor?

Diesen Fragen widmen sich – mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten – drei aktuelle Bücher: Medien im Integrationsprozess: Motor oder Bremse? ist eine Dissertation. Susanne Eggert beleuchtet darin ganz gezielt das Mediennutzungsverhalten von Heranwachsenden aus der ehemaligen Sowjetunion, die höchstens vier Jahre in Deutschland leben. Sie führte leitfadengestützte Interviews mit insgesamt 22 Jugendlichen zwischen zehn und 16 Jahren, Expertengespräche mit Aussiedlerberaterinnen und -beratern und einem Wohnheimleiter und beobachtete zwei Familien in ihrem Alltags- und Medienleben. Durch diese qualitative Herangehensweise gewinnt sie sehr tiefe Einblicke in die Medienaneignung der Jugendlichen, die sie ebenso authentisch wiedergibt: Etwa dreißig Seiten widmet sie dem Medienumgang der Jugendlichen, minutiös aufgeteilt nach den verschiedenen Medien(-produkten), weitere dreißig der Darstellung der einzelnen Interviewten, aufgeteilt nach Jungen und Mädchen. Die Erkenntnisse, die sie hier am Einzelfall anschaulich und tiefgehend darlegt, präsentiert sie vor dem Hintergrund einer ausführlichen Darstellung der theoretischen Grundlagen zum Thema, von Integration allgemein über ‚Spätaussiedler‘, die ehemalige Sowjetunion bis hin zu Medienaneignungstheorien. Ihre qualitative, an sich sehr spezielle Studie präsentiert sich so vor dem Hintergrund allgemeinerer, qualitativer sowie quantitativer Erkenntnisse, so dass die Forderungen, die sie schließlich an die medienpädagogische Forschung und Praxis richtet, sowohl quantitativ als auch am Einzelfall nachvollziehbar sind.

Ganz ähnlich gehen Andreas Hepp, Cigdem Bozdag und Laura Suna das Thema an: Sie präsentieren in Mediale Migranten die Ergebnisse ihrer Studie zur Medienaneignung in der marokkanischen, russischen und türkischen Diaspora in Deutschland. Auch sie stützen sich vor allem auf qualitative, leitfadengestützte Interviews und versuchen, ein möglichst authentisches Bild ihrer Zielgruppe zu zeichnen. Etwas breiter ist die Untersuchung dennoch aufgestellt: Hepp, Bozdag und Suna befragten insgesamt 100 Personen und ergänzten deren Antworten durch qualitative Netzwerkkarten, die sie von ihrem Medienrepertoire und -verhalten zeichneten, durch Medientagebücher und fotografische Dokumentationen der Medienausstattung ihrer Befragten. Zudem stellen sie den Interviews Sekundärauswertungen bestehender quantitativer Erhebungen, insbesondere der ARD/ZDF-Studie Migranten und Medien 2007 voran. So können sie trotz etwas knapper gehaltenem Theorie-Teil einen gezielten und guten Einblick in ihre Grundlagen bieten – vor allem eine tabellarische Aufstellung der zentralen Mediennutzungsstudien zu Migrantinnen und Migranten in Deutschland seit 2000 dürfte vielen interessierten Leserinnen und Lesern ein Post-It wert sein.

Ihre Ergebnisse präsentieren die Forschenden in zwei großen thematischen Blöcken: Einmal sortiert nach „Aneignungskontexten“, wobei sie auf die Rolle von Bildung und Sprache, von Lokalitäten sowie von Diasporamedien eingehen. Den ausführlichsten Teil aber widmen sie der Darstellung der von ihnen geclusterten „Aneignungstypen“.Hier unterscheiden sie zwischen Herkunftsorientierten, Ethnoorientierten und Weltorientierten. Sie stellen jeden dieser ‚Typen‘ ausführlich und anhand zahlreicher Zitate dar und versuchen abschließend, alle Verhaltensweise ihrer „Medialen Migranten“ noch einmal in wenige ‚Hauptresultate‘ zusammenzuführen, was insgesamt zu einem umfassenden und stimmigen Bild führt.

Ganz anders schließlich nähert sich das dritte Buch dem Thema: Internet und Migration von Uwe Hunger und Kathrin Kissau ist ein Herausgeberwerk – und allein deshalb natürlich schwer mit den beiden anderen vergleichbar. Doch bietet auch dieser Band viel Lohnenswertes für alle, die sich mit Migration und Medien beschäftigen. Der Fokus liegt hier nicht auf einer bestimmten Gruppe von Migrantinnen und Migranten, sondern, wie der Titel bereits verrät, auf einem bestimmten Medium, nämlich dem Internet. Aufgeteilt in „Theoretische Zugänge“ und „Empirische Befunde“ versammelt das Buch insgesamt 15 Beiträge von ganz verschiedenen Autorinnen und Autoren, die die Rolle des Internets bei der Migration aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Von Communitys, Blogs und Homepages über Wissensnetzwerke bis hin zum Satellitenfernsehen; von Migrantinnen und Migranten ganz allgemein über türkische Jugendliche, islamische Portale oder das Ethnoportal Indernet bis zur Selbstpräsentation deutscher Kommunen zu Migrations-Fragen – das Thema wird breit aufgefächert und aus vielen Perspektiven beleuchtet. So präsentiert Internet und Migration zwar keine einheitliche Fragestellung und entsprechend auch keine umfassende Abarbeitung einer Thematik, aber doch viel Interessantes rund um Internet und Migration, in dem Forschende, praktisch Tätige sowie Interessierte viele gute Anstöße für ihre Arbeit finden können.

Insgesamt lässt sich also feststellen: Migration und Medien ist ein wichtiges und spannendes Thema, das immer mehr Eingang in den wissenschaftlichen und praktischen Diskurs findet – was angesichts der Mobilität der Weltbevölkerung auch mehr als sinnvoll ist. Wer sich für das Thema interessiert, bereits daran arbeitet, Grundlagen oder neue Impulse sucht, dem seien alle drei hier vorgestellten Bücher durchaus ans Herz gelegt – um einen Überblick über die Theorie, eine umfassende Darstellung der Thematik, interessante Schlaglichter, fundierte Einblicke oder auch neue Anstöße zu gewinnen.

Elisabeth Jäcklein-Kreis


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