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Michael Gurt: Familienbilder im Fernsehen

Die Fernsehfamilie hat im deutschen Fernsehen eine lange Tradition. Aus heutiger Sicht mutet manch Familienidylle (z. B. Familie Hesselbach(ARD), Ich heirate eine Familie (ZDF)) von damals betulich und bieder an. Die ‚Normalfamilie‘ war die Regel, häusliche Strukturen auf eher traditionelle Rollenverteilung ausgerichtet. Der Familienvater als Ernährer, die Mutter als gute Seele und Ankerpunkt des (mehr oder weniger) harmonischen Familienlebens. Heute ist das Spektrum der Familienkonstellationen weitaus vielfältiger: Multikulti in Türkisch für Anfänger (ARD), chaotischschräg bei den Simpsons (PRO7), hip-dynamisch bei Gute Zeiten – Schlechte Zeiten (RTL). Neben den Soaps zeigen vor allem US-amerikanische Sitcoms traditionell Geschichten mit starkem Familienbezug: Familien mit (Malcolm mittendrin (PRO7)) oder ohne Kinder (King of Queens (Kabel1)), Familien von Teenagerstars (Hannah Montana (SuperRTL)), oder Familien mit offensichtlich dysfunktionalen Beziehungen (Two and a half men (PRO7/Kabel1)). Daneben spielen in manchen Sitcoms familienähnliche Freundschaftsstrukturen eine große Rolle (How I met your mother (PRO7)).

In den letzten Jahren sind auch prekäre Familienverhältnisse ins Zentrum des Programms gerückt: In den sogenannten Reality-Dokus wie Frauentausch (RTLII) oder der Super Nanny (RTL) werden Menschen in problematischen Familienkonstellationen vorgeführt. Der anhaltende Quotenerfolg solcher Formate legt nahe, dass die gezeigten Konflikte und Problemstellungen beim Publikum einen Nerv treffen. Entweder, weil sich die Zusehenden tatsächlich Orientierung für das eigene Familienleben erhoffen, oder weil sie sich selbst über die bedauernswerte Lebenssituation der gezeigten Familien erheben können. Noch einen Schritt weiter ging im Jahr 2009 die Sendung Erwachsen auf Probe (RTL) und löste damals einen Medienskandal aus. Statt einer realen Ausgangssituation wurde ein komplett künstliches Szenario geschaffen. In dem sogenannten TV-Experiment wurden Jugendliche in Musterhäuser einquartiert, um mit geliehenen Kindern Familie zu spielen.

Ziel war es laut Sender, den Teenagern vor Augen zu führen, wie anstrengend es ist, Eltern zu sein. Dabei vertraute man vor allem auf die abschreckende Wirkung der „Leihkinder“. Andere vergleichbare Formate mit starkem Familienbezug sind reine Fiktion, wie zum Beispiel Familien im Brennpunkt (RTL). Die Konflikte und Situationen werden von Laiendarstellern nach Drehbuch in Szene gesetzt, ‚Experten‘-Interviews und die Aussagen von Beteiligten sollen dem Ganzen Seriosität verleihen. Insgesamt ist festzuhalten, dass viele solcher ‚quasi-dokumentarischen‘ Sendungsformate ein überwiegend abschreckendes Bild von Familie zeichnen.


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