Rudolf Tippelt: Medienpädagogik und Erziehungswissenschaft
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Interdisziplinärer Diskurs
Medien vor 60 Jahren – Medien heute. Da ist vieles gleich geblieben und doch irgendwie alles ganz anders. Wir sind vernetzt, online und mobil, Medien sind immer und überall – und aus keinem Lebensbereich und keiner (humanwissenschaftlichen) Disziplin wegzudenken. merz, seit 60 Jahren Forum der Medienpädagogik, nimmt ihren Geburtstag zum Anlass, um dies im interdisziplinären Horizont zu erörtern. Wir fragten Kolleginnen und Kollegen verschiedenster Disziplinen: Was macht den Mehrwert medienpädagogischer Forschung und Praxis in der zunehmend mediatisierten Gesellschaft aus?
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Die besondere Relevanz der Medienpädagogik liegt darin, dass sie überfachliche Kompetenzen wie Lernkompetenz, personale Kompetenz oder Medienkompetenz stärkt und damit zur Teilhabe am lebenslangen Lernen von Menschen in allen Alters- und Bildungsphasen beiträgt. Ausgehend von einem Kompetenzbegriff, der neben kognitiven auch motivationale und volitionale Komponenten umfasst, fördert die Medienpädagogik metakognitive Lernstrategien und die Bereitschaft, an formalen und informalen Lernprozessen teilzuhaben. Dadurch wiederum trägt Medienpädagogik dazu bei, dass die Digitalisierung vieler Arbeitsfelder und Lebensbereiche gesellschaftlich und individuell bewältigt werden kann.Die zunehmende Nutzung von Internet-Technologien hat im globalen und regionalen Kontext zu massiven Veränderungen von Dienstleistungs- und Produktionsprozessen geführt und dabei wird sichtbar, dass die neuen Anforderungen im beruflichen Bereich mittlerweile alle Bildungsgruppen erreichen. Die neuen Qualifikationsanforderungen beziehen sich einerseits auf den Umgang mit der über das Internet verfügbaren Vielfalt an Informationen sowie auf gelingende Kommunikation mit Kundinnen und Kunden und Kooperationspartnern über virtuelle Plattformen, andererseits sind durch die Verbreitung interaktiver Internetanwendungen auch Fragen des Datenschutzes und der Vertraulichkeit für einen immer größeren Teil der Arbeitnehmenden bedeutsam. Aber die neuen mediengestützten Anforderungen an Kommunikation und Kooperation gehen über den beruflichen Bereich weit hinaus und prägen mittlerweile auch die sozialen Lebenswelten von Menschen entscheidend.
Eine moderne Medienkompetenz ist daher mehr als Mediennutzungskompetenz.Die Medienpädagogik hat im Rahmen einer differenzierten Erziehungswissenschaft und der Bildungsprozesse über die Lebensspanne unter anderem die Aufgabe übernommen, neue kommunikative, interkulturelle und rechtliche Kompetenzen zu untersuchen und diese in zielgruppenadäquaten pädagogischen Arrangements und Lernsettings zu vermitteln und zu reflektieren. Dabei spielen informelle wie formelle, berufliche wie außerberufliche Kontexte eine Rolle.Wir wissen, dass die Vermittlung der genannten überfachlichen Kompetenzen und insbesondere einer allgemeinen Medienkompetenz schwierig ist, auch ist man mit einer deutlichen Differenz zwischen den Fähigkeiten und Kenntnissen von Lernenden und den Anforderungen im jeweiligen Berufsfeld oder auch den Lebenswelten konfrontiert. Medienpädagogik thematisiert daher neben Medienerziehung und Mediendidaktik auch Fragen der Mediensozialisation, um beispielsweise generative Unterschiede des medienbasierten Lernens sichtbar und bearbeitbar zu machen. Es ist ein Faktum, dass Ältere in unserer Gesellschaft meist noch weit weniger mit modernen Medien und digitalen Technologien konfrontiert waren als Jüngere, entsprechend verfügen die Älteren über weniger ausgeprägte Fähigkeiten und Wissensressourcen im Umgang mit den modernen Medien. Eine besondere medienpädagogische Herausforderung ist es daher, situiertes und kompetenzbasiertes Lernen zu realisieren, denn es geht darum, erfahrungsnahe Problemstellungen zu bearbeiten und Lernende der verschiedenen Alters- und Bildungsstufen ihren Lernprozess selbst steuern und kontrollieren zu lassen. Medienpädagogik stärkt damit selbstverantwortliches Lernen und Handeln.
Dr. Rudolf Tippelt ist Professor am Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Schwerpunkte sind unter anderem Bildungsforschung, Erwachsenen- und Weiterbildung sowie Bildungsprozesse über die Lebensspanne.
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