Sebastian Ring: Play14 – Festival für kreatives Computerspielen
Sehen. Machen. Reden. Feiern
Sehen. Machen. Reden. Feiern. – so gliedert sich das 60 Seiten starke Programmheft der Play14, dem Festival für kreatives Computerspielen. Diese Auflistung von Verben lässt sich ohne Weiteres ergänzen, etwa um Laufen, Lachen, Staunen und natürlich: Spielen. Diese eigenartige Handlungsform ist der Ausgangspunkt und Gegenstand des fünftägigen Festivals in der Elbmetropole – und das Festival führt wirklich eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Verständnisse und Praktiken von Spiel vor Augen. Oder lädt eben ein zum Machen, Reden, Feiern und mehr. Das Play-Festival folgt dem Anspruch, ein Festival für kreatives Computerspielen zu sein. Nun liegt Kreativität bei den allermeisten Spielen eigentlich in der Natur der Sache. Minecraft etwa (dessen Entwicklerstudio Mojang eben für 2,5 Milliarden Dollar an Microsoft verkauft wurde) verlangt den Spielenden eine gehörige Portion Kreativität ab, ebenso wie das performative Handeln in Online-Rollenspielen oder das Lösung von Rätseln in der Serie Portal. Die Play geht aber einen Schritt weiter: Sie bietet eine Plattform für ungewöhnliche, eigensinnige, künstlerische oder kritisch-subversive Strategien des Gamings und der Auseinandersetzung mit Games. Die Macherinnen und Macher des Festivals sind ein multiprofessionelles Team. (Medien-)Pädagoginnen und -pädagogen, Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Designerinnen und Designer sowie viele, viele engagierte, helfende Hände. Wie sieht der typische Gast der Play14 aus?
Auf den ersten Blick würde man sagen, das Publikum ist nicht zu alt und nicht zu jung, vielleicht eher männlich, aber doch gemischt sowie durchaus auch mit professionellem Interesse am Gaming (z. B. Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Gamedesignerinnen und -designer, Künstlerinnen und Künstler, pädagogische Fachkräfte). Beim genaueren Hinsehen wird aber deutlich, dass das Festival kreative Spielformen ganz praktisch für unterschiedliche Zielgruppen erfahrbar macht. Man hatte den Eindruck, dass die Vielfalt an Formaten und Orten adäquate Zugänge für fast jeden bot. Da gab es Spielstationen, die im öffentlichen Raum die Passantinnen und Passanten zum Spielen einluden oder ein Escape the room auf dem Reeperbahnfestivalgelände. In einem ehemaligen Weltkriegsbunker wurde eine sorgsam kuratierte Ausstellung von Games präsentiert. Im Mittelpunkt standen da weniger die ohnehin bekannten, kommerziell erfolgreichen Games, sondern innovative Spielformen, zum Beispiel aus dem Bereich der Indie Games oder der Virtual Reality. Eine kleine Zusammenstellung von Spielen beleuchtete die Frage nach der Präsentation von Genderrollen in Games und dem gesellschaftlichen Diskurs (Stichwort Women vs. Tropes und #gamergate) rund um dieses Thema. Theatervorführungen, Musikperformances, ein Poetry Slam im Nachtasyl des Thalia Theaters, Partys, das Backen von Pixelkeksen und jede Menge mehr lockten Spielbegeisterte jeden Alters und Backgrounds an.
Für Schulklassen bot das Festival eine Reihe von Workshops, in denen das Design eigener Games, die Kreation von Let’s Play- oder Machinima-Clips und jede Menge kreative Basteleien ausprobiert werden konnten. Hier gab es viel Spielerisches zu entdecken, aber auch die Chance, Einblicke in mögliche zukünftige Arbeitsfelder zu gewinnen. Auch interessierte Erwachsene konnten in Workshops, Talks und Fortbildungen Einblick in ein breites Themenspektrum erlangen.Play ConferenceWelche Bedeutung Games für Bildung und Gesellschaft haben, war zudem Gegenstand der zweitägigen internationalen und interdisziplinären Play-Conference, die von der Initiative Creative Gaming in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) an einem weiteren ungewöhnlichen Ort – der Hamburger Justizvollzugsschule – veranstaltet wurde. Einige zentrale Akteure konnten für Vorträge, Workshops und Talks gewonnen werden – wenngleich Katie Salen, Mitbegründerin des New Yorker Institute of Play und Initiatorin der Quest to Learn Schule, leider krankheitsbedingt absagen musste. Games kann man in kulturanthropologischer Tradition als Spiele diskutieren. Sie erfahren aber in der digitalen Kultur noch eine andere Einbettung und stellen weitere Bezüge her. Sie sind oftmals weltumspannende Kommunikationsräume, sind komplexe Wirtschaftsgüter, schaffen oder präsentieren spezifische ökonomische oder politische Systeme. In all dem spiegelt sich die Gesellschaft, in der sie entstanden sind und gespielt werden, wider. Dass diese Fragen im Kontext eines Festivals für kreatives Computerspielen auch wissenschaftlich diskutiert werden, ist sinnvoll.
Im Vergleich zu den beiden anderen großen interdisziplinären und international ausgerichteten wissenschaftlichen Computerspielkonferenzen im deutschsprachigen Raum (Clash of Realities in Köln und F. R. O. G. – Future and Reality of Gaming in Wien) bietet gerade die Einbettung in die Vielfalt an kultureller Praxis rund um Games, die das Festival präsentiert, einen besonderes und anregendes Ambiente.Zwei thematische Schwerpunkte umfasste die Konferenz – am ersten Tag Computerspiele und Bildung, am zweiten Computerspiele und Politik. Professor Andrew Burn vom Institute of Education an der University of London behandelte in seiner Keynote die Frage nach der Verortung digitaler Spiele in der bildungsphilosophischen Tradition der Auseinandersetzung mit Spielen und Lernen. Er kritisierte dabei zunächst den Begriff der Gamification – der Anwendung von Elementen digitalen Spiels auf andere Handlungsbereiche wie Bildung, Marketing et cetera. Bildungsbezogene Konzepte der Gamification würden zu oft mit Technozentrierung und überzogener Didaktisierung des Spiels einhergehen und dem Charakter des Spiels als Selbstzweck nicht gerecht werden. Anschließend erläuterte er sechs aktuell diskutierte Modelle, die unter anderem unterschiedliche Aspekte des Lernens durch Spielen und des Lernens über Spiele, der Ludic Literacy, der aktiven Medienarbeit, Computerspiele als Kunst, Programmierung und Kreativität umfassten. Praxisworkshops boten Einblicke in die schulische und außerschulische Anwendung von Games im deutschsprachigen Raum, aber auch in Finnland, etwa am Beispiel des Einsatzes von Minecraft im finnischen Chemieunterricht.
Den zweiten Tag eröffnete die Keynote des britischen Gamedesigners Tomas Rawlings, der unter anderem für sein vielbeachtetes Newsgame My Cotton Picking Life (http://gamethenews.net/index.php/mycotton-picking-life/) bekannt ist, in dem die Situation von Kindern illustriert wird, die auf den Baumwollplantagen Usbekistans arbeiten. “All games have politics in them.“ Sein Vortrag gab zum einen Einblicke in unterschiedliche Formen der Repräsentation von Politik in Computerspielen, aber auch darüber, wie Gamingcommunitys als politische Handlungsräume strukturiert sind. Am Beispiel der Ermordung von Lord British in Ultima Online, einem der meistbeachteten Ereignisse in der Geschichte von Multiplayeronlinerollenspielen, oder der Massenproteste von Spielenden im Stil einer virtuellen Sitzblockade in Eve Online erläuterte er Ansprüche und faktische Möglichkeiten der Partizipation von Spielenden im Verhältnis zu Gamedesignern oder -betreibern. Anschließende Workshops zeigten praktische Einsatzmöglichkeiten von Games auf, zum Beispiel im Bereich der politischen Bildung oder dem Journalismus.
Beide Konferenztage wurden von Talkrunden beschlossen, die den gesellschaftlichen, kulturellen und pädagogischen Stellenwert von Computerspielen thematisierten. Insgesamt führten das Play14-Festival und die Play-Conference die Dynamik digitaler Spielwelten und Einsatzmöglichkeiten von Games in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen vor Augen. Dieser handlungsorientierte Zugang auf Games, der Gewöhnliches übersteigt und neue Wege aufweist, ist ein Gewinn für die digitale Spielekultur.
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