Sophia Stemmer: Verantwortungsbewusstes Handeln im Netz
Strategien zur Prävention von Sexting und Cyberbullying
Rauh, Felix (2016). Fit und Fair im Netz. Strategien zur Prävention von Sexting und Cyberbullying. Bern: hep. 136 S., 23,00 €.
Ob in der Schule oder der Freizeit: Kinder und Jugendliche kommen immer häufiger und leichter mit der digitalen Welt in Kontakt. Daher ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern wichtig. Das Handbuch Fit und Fair im Netz ist in 17 Kapitel aufgeteilt, die eine lebensweltnahe Einschätzung der medialen Herausforderungen für Kinder und Jugendliche beschreiben. Auf je vier bis fünf Seiten mit abschließender Zusammenfassung können sich die Lesenden über Beiträge wie ‚Im Banne des Displays‘, ‚Virtuelle Gruppen‘, ‚die Mär vom Multitasking‘ unter anderem über das Verhalten in sozialen Netzwerken oder die Nachteile des Multitasking informieren – und werden schließlich zu den Kernthemen Cyber mobbing und Sexting geleitet. Abgerundet wird das Spektrum an medialen Herausforderungen durch zum Beispiel eine Übersicht zum Recht am eigenen Bild, zu Möglichkeiten des Passwortschutzes oder mittels der Erörterung eines respektvollen Umgangs im Netz.
Durch konkrete Empfehlungen, wie einer Liste zur reduzierten Fremdbestimmung durch die Smartphone-Nutzung, regt Rauh außerdem dazu an, eigene Lösungen für die mediale Begleitung von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln. Er empfiehlt, Kindern schon in den ersten Lebensjahren stückweise Verantwortung für ihre Mediennutzung zu übertragen. Die Nutzung sozialer Medien sieht er bei Heranwachsenden allerdings eher kritisch. Er stellt fest, dass die sozialen Medien, wie Facebook, WhatsApp, Instagram und Twitter, die Möglichkeit bieten, sich mit Freundinnen und Freunden, Familienangehörigen, Bekannten und Unbekannten zu vernetzen und auszutauschen, und gleichzeitig auch, die sozialen Medien mit eigenen Inhalten selbst mitzugestalten. Allerdings birgt die rasante Entwicklung der sozialen Medien auch eine ambivalente Seite, die Schattenseiten mit sich bringt. So können Inhalte falsch, ungeeignet, unwahr oder sogar beleidigend sein und zudem eine einseitige, übermäßige oder nicht altersgerechte Nutzung Suchtpotenzial bergen. Neben den sich eher an die allgemeine Leserschaft richtenden Aufklärungsabschnitten kommen aber auch speziell erzieherische und pädagogische Perspektiven zum Tragen.
So verweist Rauh im Beitrag ‚Viel mehr als nur Flausen im Kopf‘ auch auf eine psychologische sowie altersbedingte Verhaltenskomponente der Jugendlichen, die in der pubertären neuronalen „Umbauphase“ nicht immer rational handeln und oft von Neugier, Impulsivität und Risikobereitschaft getrieben sind. Direkte Tipps an die Elternschaft richtet Rauh aber insbesondere mit den letzten Beiträgen zur Medienerziehung, speziell in Bezug auf Handyverträge, und der schrittweisen Vermittlung von Medienkompetenz je nach Alter, Fähigkeiten und Lebenswelt. Abschließend knüpft der Autor im Workshop Fit und Fair im Netz an die Problematik des Sexting und Cyberbullying an und leitet daraus Handlungsempfehlungen ab. Die darin enthaltenen drei Doppellektionen können im Unterricht der Sekundarstufe I innerhalb von etwa 90 Minuten durchgeführt werden. Sie basieren auf dem systemisch-lösungsorientierten Ansatz und dem Einbezug von Jugendlichen und deren Eltern.
Die Workshop-Vorschläge sollen Schülerinnen und Schülern helfen, soziale Kompetenzen und die Kommunikation in der Gruppe zu fördern sowie sich für andere zu engagieren. So haben Jugendliche die Möglichkeit, durch Kommunikation über verschiedene Standpunkte, Haltungen und Ideen herauszufinden, wie sie durch Veränderung ihres Sozialverhaltens einen wichtigen Beitrag für eine angenehme Klassen Atmosphäre leisten können. Das Handbuch zeichnet sich durch viele Informationen und nützliche Hinweise zur Mediennutzung aus und leistet mit anschaulichen Anekdoten, Zitaten der Jugendlichen selbst oder beispielhaften Aufklärungsgesprächen einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Medienkompetenz. Beeindruckend an der Aufbereitung der gesamten Publikation ist die hohe Verständlichkeit für eine breite Zielgruppe. Angesprochen werden zwar vor allem Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Pädagoginnen und Pädagogen. Allerdings können sich auch Elternteile ohne weiteres in ihrem direkten Handlungs- und Wirkungsumfeld in Bezug zur Medienerziehung ihrer Kinder zurechtfinden.
Die leichte Rezipierbarkeit des Werkes, unabhängig von Vorerfahrungen in der medienpädagogischen Praxis, wird begünstigt von einer lockeren und einfachen Sprache sowie abwechselnden, lebensnahen Methoden der Informationsaufbereitung, die gleichzeitig den pauschalisierten Zuschreibungen an der heranwachsenden Generation entgegenwirken. Dennoch bleiben die Ausführungen insgesamt an der Oberfläche, insbesondere hinsichtlich der Kernthemen Sexting und Cybermobbing. Somit ist das Werk eher als Ratgeber für einen sanften Einstieg in das weite Feld der jugenddominierten Netzwelt zu verstehen. Die nachvollziehbare eher populärwissenschaftlich anmutende Aufbereitung des Themenfeldes wird zwar durchbrochen durch Zitate oder Verweise. Der Autor muss sich aber dennoch fragen, ob eine vorwiegende Vertretung einer Selbstverschuldung von Problemen durch Vernetzung und Digitalisierung gerechtfertigt erscheint, insbesondere, da er in den Workshop-Erfahrungen mit Jugendlichen feststellt, dass diese doch überwiegend reflektiert im Netz agieren.
Neben der zahlreichen Bebilderung durch Illustrationen, beigefügten Plakaten und einer einfachen Vermittlung von Kernproblematiken im Umgang mit digitalen Medien besticht dieses Werk allerdings insgesamt mit den Workshop- Empfehlungen, welche durch medienpädagogische Inhalte einen wichtigen Beitrag zur Schulsozialarbeit leisten können. Pädagogische Fachkräfte erhalten so die Möglichkeit, sich an Konzepten zu orientieren und die Herausbildung von Medienkompetenz im Unterricht zu fördern. Damit bietet Fit und Fair im Netz eine gute Grundlage, um den kritischen Umgang mit digitalen Medien für den Unterricht mit Jugendlichen zu gestalten und ist empfehlenswert für alle, die Informationen zu neuen Medien erhalten wollen oder damit arbeiten möchten.
Zurück