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Susanne Eggert, Jan Keilhauer und Elke Stolzenburg: Editorial

Vernetzung von rechts und gegen rechts

Rechte Einstellungen sind ein stabiler Bestandteil westlicher Gesellschaften. Das Phänomen wird vertreten durch die bekannten Rechtsaußen-Parteien, über eine durchaus vielschichtige und schwer durchschaubare rechte Szene, die mal neonazistisch, mal antiislamisch, antisemitisch, nationalistisch oder antidemokratisch daher kommt, bis hin zu Formen rechter Jugendkulturen, die heute äußerlich nur noch schwer von nicht-rechten Jugendkulturen zu unterscheiden sind. Die Problematik lässt sich aber nicht auf bekennende Rechte oder sogenannte Rechtsextreme reduzieren. In einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert werden stets rechte Gewalttäterinnen und -täter.

In diesem Jahr ist uns allen noch das Attentat in Norwegen präsent, bei dem ein „neuer Rechter“ den vielfachen Mord politisch begründet hat. Auch die (leider) gewöhnliche rassistisch motivierte Gewalt auf Straßen und Schulhöfen ist nur der besser sichtbare Teil des gesellschaftlichen Phänomens. Alltägliche Formen von Ausgrenzung in Schule, Beruf und nachbarschaftlichem Zusammenleben finden weniger Beachtung, werden nicht als Problem erkannt oder sogar als legitim erachtet. Dahinter steht die Verbreitung von rassistischen, demokratiefeindlichen und chauvinistischen Einstellungen in breiteren Teilen der Bevölkerung, und zwar übergreifend über alle Alters- und sozialen Gruppen. Es ist die Entstehung dieser alten und neuen Vorurteile gegenüber Minderheiten oder des Strebens nach einer autoritären Ordnung, an denen pädagogisches Handeln im Allgemeinen und Medienpädagogik im Besonderen ansetzen muss. Diese Einstellungen müssen als Ergebnis der Aneignung gesellschaftlicher Bedingungen und Einflüsse verstanden werden. Sie sind häufig einfache Antworten auf die Fragen, die sich insbesondere Heranwachsende auf ihrer Suche nach Orientierung stellen. Sie finden diese Antworten im sozialen Umfeld und in vielfältigen medialen Räumen. Heranwachsende, die rechte Einstellungen übernehmen, sind dabei nie einfach nur Opfer von rechten ‚Rattenfängern‘. Sie stimmen diesen vor ihrem Erfahrungshintergrund mehr oder weniger bewusst zu. Ihnen muss eine rationale Analyse der rechten Angebote zugänglich gemacht und es müssen ihnen alternative, humanistische Orientierungen angeboten werden. In pädagogischen Prozessen gegen Rechts kommt man an der Auseinandersetzung mit rechten Medienangeboten und dem eigenen Medienhandeln der Adressaten nicht vorbei.

Heranwachsende gehen heute selbstverständlich mit einem breiten Medienensemble um. Sie verfolgen ihre Interessen insbesondere im Netz, treffen ihre Freundinnen und Freunde und neue Leute in Online Communitys et cetera. Dass auch rechte Aktivistinnen und Aktivisten ihre Weltbilder über Medien verbreiten, ist nicht neu. Sie nutzen alle erdenklichen Kommunikationsformen und Tools des Netzes. Für die Medienpädagogik heißt das, aktuelle Entwicklungen zu beobachten. Neu ist insbesondere eines: Mit dem Social Web sind rechte Offerten nicht mehr nur auf eindeutig rechte Seiten oder Kommunikationsnetze beschränkt, die sich gezielt ansteuern lassen. Vielmehr begegnen den Nutzenden heute rechte Sprüche und Symboliken auch auf den populären Plattformen wie facebook.com und anderen. Im Netz finden sich aber genauso auch Widerspruch und vielfältige Initiativen gegen Rechts. In diesem Feld sind nun auch Jugendliche immer häufiger selbst aktiv Kommunizierende, indem sie Inhalte in verschiedensten Formen einstellen. Ein kleiner Teil der Jugendlichen kommuniziert hier rechte Einstellungsmuster und platziert diese somit an den Orten, an denen sich viele andere Jugendliche täglich aufhalten. Umso wichtiger ist es, Jugendliche zu verantwortungsvollem Handeln zu befähigen. Der Jugendmedienschutz steht hier noch am Anfang. Jugendliche müssen nicht mehr nur vor Offerten „der Nazis“ geschützt werden, sondern auch ihr eigenes, aktives Handeln im Netz unter ethischen Gesichtpunkten reflektieren und positive Handlungsmöglichkeiten entwickeln können. Dazu braucht Medienpädagogik sowohl die Kenntnis der medialen Entwicklungen von Rechts und gegen Rechts als auch immer wieder eine eigene inhaltliche Auseinandersetzung und Standortbestimmung. Wie sich die Bedeutung des Internets für die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewandelt hat, stellt Stefan Glaser von jugendschutz.net dar. Gerade für Jugendliche wird heute einiges geboten, angefangen bei Musik bis hin zu „rechtsextremen Erlebniswelten“, die über das Netz verstreut angeboten werden. Mittlerweile hat die rechte Szene auch das Web 2.0 für sich entdeckt. Dieser Entwicklung kann nur dann entgegengewirkt werden, wenn alle – Provider, Plattformbetreiber, die Justiz, aber auch die Internetcommunity – zusammenarbeiten. Im Zentrum des zweiten Beitrags steht das Web 2.0. Simone Rafael (Amadeu Antonio Stiftung) beschreibt die Präsenz von Vertreterinnen und Vertretern rechtsextremen Gedankenguts in den sozialen Netzwerken, ihre Vorgehensweise, wie sie zu erkennen sind, und welche Möglichkeiten es gibt, sich gegen Rechtsextremismus im Netz zu wehren. Abschließend stellt sie das Modellprojekt no-nazi.net der Amadeu Antonio Stiftung vor.

Für Klaus Farin vom Archiv der Jugendkulturen e. V. wird die Bedeutung des Internets überschätzt, wenn es darum geht, Jugendliche für rechtsextremes Gedankengut zu gewinnen. Er plädiert dafür, Jugendliche nicht zu unterschätzen (in einem positiven Sinn), sondern ihnen zuzutrauen, dass sie rechte Einstellungen im Netz erkennen und sich dagegen zu wehren wissen. Worin die Arbeit des antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums Berlin e. V. besteht, beschreiben die apabiz-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter Ulli Jentsch, Eike Sanders und Frank Metzger. Hier wird nicht nur neonazistisches Material gesammelt und verwaltet, Ziel des Vereins ist es, Wissen darüber bereitzustellen und zu schaffen, wie die Ausbreitung neonazistischer Ideologie verhindert und zurückgedrängt werden kann. In der darauffolgenden Zusammenstellung erläutert Jan Keilhauer, mit welchen Einstellungen eine rechtsextreme Überzeugung in der Regel einhergeht und wodurch diese begründet sein können. Außerdem zeigt er auf, an welchen Merkmalen Anhängerinnen und Anhänger der rechten Szene zu erkennen sind. Abgerundet wird das Thema durch die Empfehlung aktueller Medienprodukte. Elisabeth Jäcklein-Kreis hat sich für merz vorab den Film Kriegerin von David Wnendt angeschaut, der im Januar 2012 im Kino zu sehen ist. Kriegerin beschreibt die Geschichte einer jungen Frau, die zu einer rechten Clique gehört. Ein tragischer Unfall, den sie selbst verschuldet hat, bringt sie dazu, über ihre Einstellung nachzudenken. Elke Stolzenburg (JFF – Institut für Medienpädagogik) schließlich empfiehlt allen, die ihre eigene Einstellung einerseits und ihre Kenntnis der rechten Ideologie andererseits überprüfen wollen, das Online-Spiel Brauner Peter. Für die eher sachliche Auseinandersetzung mit Neonazismus und Rechtsextremismus verweist sie auf die Internetseite www.hass-im-netz. info von jugendschutz.net. Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Heft einige Informationen und Hintergründe zu einem schwierigen Thema liefern können und wünschen Ihnen nun eine anregende Lektüre.


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