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Sutter, Tilmann/Mehler, Alexander (Hrsg.) (2010). Medienwandel als Wandel von Interaktionsformen. Wiesbaden: VS Verlag. 285 S., 34, 95 €

Ein geteilter Thron für alle Medien!?

„Wir erleben einen tiefgreifenden Medienwandel, dessen Bedeutung und weiterer Verlauf nur schwer abzusehen sind. Wir schwanken zwischen Faszination und Skepsis, hochgesteckten Erwartungen und Vorsicht, kulturoptimistischen und kulturpessimistischen Einstellungen.“ (S. 15) Die Publikation Medienwandel als Wandel von Interaktionsformen greift zwei grundlegende Perspektiven zum Thema Medienwandel auf. Zum einem wird der historisch vergleichende Blick auf den Medienwandel fokussiert, welcher für eine realistische Einschätzung notwendig ist. Der zweite, nach vorn gerichtete Blick ist notwendig, um die gewandelten medialen Verhältnisse erfassen zu können. Dieser Blickwinkel wagt es, vertraute Begriffstraditionen und Abgrenzungen in Frage zu stellen. Die Publikation umfasst in ihren einzelnen Beiträgen ein breites Spektrum an medienwissenschaftlichen Disziplinen, welches von der Kultur- und Sprachwissenschaft über die Soziologie bis hin zur Informatik reicht. Zentral ist in diesem Band, dass der Medienwandel nicht mehr nur als eine Ergänzung und Erweiterung der alten Medien hin zu den neuen Medien gesehen werden kann, sondern als ein schrittweiser Ersatz neuer Medien gegenüber den Leistungen der Massenmedien. Die neuen Medien werden als interaktiv, das heißt, mit einer gesteigerten Rückkopplungs- und Eingriffsmöglichkeit für die Nutzerinnen und Nutzer ausgestattet, erkannt.

Einer der ersten Beiträge des Buches von Prof. Dr. Lore Benz, welche sich mit klassischer Philologie, Literatur, Kultur und Medien beschäftigt, umreißt den Medienwandel als Wandel von Interaktionsformen in frühen europäischen Medienkulturen. „Und bereits hier kann der Wechsel von einem überwiegend passiven, Inhalte bloß rezipierenden Publikum zu Personen nachgezeichnet werden, die sich aktiv am Geschehen beteiligen.“ (S. 10) Ein weiterer Beitrag von Michael Beißwenger untersucht die spezif ische Form der Chatkommunikation aus sprachwissenschaftlicher Sicht. Die Kommunikationssituation stellt sich für alle Beteiligten unterschiedlich dar. Koordinationsprobleme während des Chats müssen bearbeitet werden. Oftmals werden die ursprünglichen Handlungspläne geändert. Dieser Beitrag ist exemplarisch für einen Medienwandel als Wandel von Interaktionsformen. Der Beitrag von Tilmann Sutter zeichnet zunächst den Wandel von Massenmedien zur Interaktivität der neuen Medien nach und arbeitet auf kritische Art und Weise Begriffe der Interaktivität und die Frage des damit bezeichneten kritischen Medienwandels nach.

In einem letzten Beitrag der Publikation wird die Gemeinschaft in den Blickpunkt gerückt. Michael Hahne und Corinna Jung gehen von einem graduell abgestuften Modell von Gemeinschaftstypen aus. Hierzu stellen sie sich die Frage, welche Unterstützungstechnologien für welche Gemeinschaftstypen zentral sind. Die Massenmedien waren und sind ein elementarer Bestandteil der Gesellschaft, doch die Zeit der einseitigen Kommunikation ist vorbei: Die neue Medien drängen vor und mischen sich unter die Massenmedien. Innerhalb der letzten Jahre haben sich Onlineportale, in denen man Kommentare schreiben, Beiträge verfassen und Gespräche führen kann, etabliert und die Massenmedien ergänzt. Dass diese ganz ersetzt werden, scheint allerdings unwahrscheinlich, da sie in das gesellschaftliche Handeln und Bewusstsein fest etabliert sind. Ein Wandel der Interaktionsformen durch die Medien kann allerdings unterstrichen werden. Durchaus ändern sich Kommunikation und Interaktion, wenn man sich von dem klassischen face-to-face Gespräch oder dem einseitigen Informationstransfer durch die Massenmedien distanziert.


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