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Swenja Wütscher: Stichwort Binge Watching

Ein neuer Volkssport? Die Sucht der Neuzeit? In jedem Falle ist Binge Watching kein Einzelphänomen, sondern ein Trend: das – unschön übersetzte – Komaglotzen oder der Serienmarathon, also das Schauen mehrerer Folgen oder Staffeln einer Fernsehserie am Stück. Das eher neuzeitige Phänomen resultiert aus der zunehmenden Vielfalt an (legalen und illegalen) Video-on-Demand-Angeboten von Portalanbietern wie Netflix, maxdome oder Lovefilm, die – im Gegensatz zum linearen Fernsehen – alle Folgen einer Serie gleichzeitig anbieten und die Fernsehbranche damit verändern, da die nächste Folge nicht mehr eine Woche, sondern nur noch einen Klick entfernt liegt.

Theoretisch sind solche Marathons zwar schon seit der Erfindung der Videokassette möglich und wurden mit den DVD-Boxen enorm erleichtert, aber der Trend des ununterbrochenen Konsumierens avancierte erst mit dem Stream per Mausklick oder Bildschirmberührung. Und jetzt, jetzt wird natürlich gewettert: Binge Watching schade den Einschaltquoten der Sender, die Ungeduld digitaler Konsumentinnen und Konsumenten werde gefüttert, fesselnde Handlungen lassen das Publikum in einen Trance-Zustand verfallen, ganz zu schweigen von den ökonomischen Folgen dieses radikalen Wandels des Sehverhaltens und den ausbleibenden Werbeeinnahmen.

Vielleicht könnte es aber auch sein, dass das Fernsehprogramm und die wöchentliche Stückelung nicht mehr zeitgemäß sind, dass Nutzerinnen und Nutzer durch ihren Konsum Selbstkontrolle lernen (müssen) und dass Fernsehsender sich schneller in Mediatheken verwandeln sollten – weit über gelegentliche Doppelepisoden oder Blockausstrahlungen hinaus. Und dann, dann könnte sich der Kuchen des Binge Watching nicht nur geteilt werden, er könnte sogar schmecken. Anders eben!


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