Tilmann P. Gangloff: Ob Manni oder Roary – am Ende bleibt es immer Bob
Aus medienpädagogischer Sicht lässt Vorschulfernsehen viele Wünsche offen
Weil die Welt nicht so heil ist, wie wir alle gerne hätten, verbringen viele kleine Kinder den Vormittag nicht im Kindergarten, sondern zuhause; und da ist der Fernseher oft der einzige Spielgefährte. Programmmacherinnen und -macher stehen daher auf dem Standpunkt: Wenn Vorschulkinder schon Zeit vor dem Fernsehgerät verbringen, dann sollen sie dort auch Sendungen finden, die exakt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. So weit die Theorie. In der Praxis zeigen Ki.ka , Super RTL und Nickelodeon in den Morgenstunden wöchentlich insgesamt rund sechzig Stunden Vorschulfernsehen; und das, obwohl aus der Zielgruppe mitunter nicht mal 100.000 Kinder zuschauen.
Das Angebot besteht beispielsweise bei Nick jr., der Vorschulstrecke des Senders Nickelodeon, auch schon mal aus acht Folgen der Serie Backyardigans hintereinander. Die einzelnen Episoden sind nicht etwa wie bei vielen anderen Produktionen knapp zehn Minuten lang, sondern dauern fast eine halbe Stunde. Wenn der Kinderkanal von ARD und ZDF das Konkurrenzprogramm seit Oktober mit der Programmfläche Kikaninchen kontert, ist das also weit mehr als bloß ein sympathisches Wortspiel. Zum einen versucht der KI.KA durch diese Markenbildung, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Das Vorschulfernsehen war lange eine öffentlich-rechtliche Domäne, weil ein Sender wie Super RTL in diesem Bereich früher kaum Erlösmöglichkeiten sah. Aber auch der KI.KA vernachlässigte den vermeintlichen Selbstläufer. In der Vorabendschiene mit dem „Abendgruß“ vom Sandmann, in vielen Familien ein fest in den Tagesablauf integriertes Ritual, ist der KI.KA zwar klarer Marktanteilsfavorit. In den Morgenstunden aber hatte Super RTL schon 2008 die Nase vorn, in diesem Jahr konnte der Vorsprung bei den Drei- bis Fünfjährigen (6.00 bis 10.15 Uhr) deutlich ausgebaut werden. Super RTL erreicht nach eigenen Angaben über 52 Prozent der Kinder, die zu dieser Zeit vor dem Fernseher sitzen, der KI.KA kommt nur auf gut 21 Prozent. Doch das ist Senderpolitik. Entscheidender aus Sicht kritischer Eltern ist die Qualität des Programms und auch in dieser Hinsicht hat der KI.KA Nachholbedarf. Seit vor rund zehn Jahren die Stopp-Trick-Serie Bob der Baumeister ihren Siegeszug durch die Kinderwelt antrat, haben die Geschichten des immer gut gelaunten Gemeindearbeiters Dutzende von Nachahmern gefunden und die bevölkern jetzt das Programm der Kindersender, auch das des Kinderkanals. Medienpädagogischen Mehrwert sucht man vergebens. Immerhin helfen die Sendungen ihren jungen Zuschauerinnen und Zuschauern, eine soziale Kompetenz zu entwickeln.
Die Botschaft all dieser Produktionen lautet schlicht: Nur gemeinsam sind wir stark. Während Bob bei Super RTL Verstärkung durch Meister Manny und seine Werkzeugkiste bekommt, brummen beim KI.KA ein kleiner roter Traktor und Roary der Rennwagen durch die Gegend, beides selbst nach Einschätzung von ARD-Mitarbeitern „die achte und die neunte Variante von Bob der Baumeister“. Mit Kikaninchen wird das Vorschulprogramm keineswegs auf einen Schlag völlig anders, aber es ändert sich immerhin schon mal. Die Hauptf igur selbst, ein sympathisches blaues Kaninchen, das sprechen kann und mit seinem Freund Christian (der Schauspieler Christian Bahrmann, 34) Abenteuer erlebt, ist die auffälligste Veränderung. Die kurzen, nur wenige Minuten langen Zwischenspiele sollen vor allem die Fantasie anregen. Da wird ein Schirm kurzerhand zur Rakete umfunktioniert, mit der die beiden in den Himmel fliegen, um dem Mann im Mond ein Ständchen zu bringen. Und natürlich wird auch der Vorschulklassiker schlechthin, die Sesamstraße, in die neue Schiene integriert. Medienpädagogisches Schmuckstück der dreieinhalbstündigen Programmfläche aber ist Die Sendung mit dem Elefanten vom WDR. Bei den kunterbunten Darbietungen wechseln sich Menschen und Zeichentricktiere in fröhlicher Folge ab. Die Sendung ist gewissermaßen der perfekte Vorschulersatz, weil die Kinder auf keinen Fall still in der Ecke sitzen, sondern hüpfen, singen und beiläufig auch was lernensollen. Also fast wie im Kindergarten.
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