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Vera Tillmann: Inklusive Bewegungs- und Sportmöglichkeiten mit der Spielkonsole Wii

Wii als Medium im SportSportmöglichkeiten für Menschen mit und ohne Behinderung werden nicht flächendeckend angeboten, sondern von wenigen Vereinen durch Integrationssport. Sportvereine und auch Behindertensportvereine bieten dies kaum an und sind für mobilitätsbeeinträchtigte Personen zudem schwer erreichbar (vgl. Rheker 2008, S. 168; Markowetz 2007, S. 326). Hier können Bewegungsspiele mir der Wii1 als Ergänzung genutzt werden, um gemeinsam aktiv zu werden oder zu bleiben.Im Sport ist die Motivation ein entscheidender Faktor für die Auswahl, Häufigkeit und Zielstellung von sportorientierten Angeboten. Motive sind dabei sehr individuell und können sowohl Ich-bezogen sein (z. B. Kompensation, Leistung zur Selbstbestätigung oder Gesundheitsförderung) oder in sozialen Kontexten stehen (z. B. soziale Interaktionen, Leistung als Präsentation oder Geselligkeit) (vgl. Gabler 2002, S. 17). Die Vielfältigkeit der zur Verfügung stehenden Wii-Spiele bietet die Möglichkeit, auf sehr unterschiedliche Motivationen einzugehen. Das Angebot reicht von Spielen, die vornehmlich auf Fitness und körperliche Anstrengung ausgelegt sind, bis hin zu Bewegungsspielen, die gemeinsame Interaktionen fokussieren. Die Nutzung einer aktivierenden Spielkonsole wie der Wii bringt demnach Möglichkeiten mit sich, mit relativ geringem zeitlichem und finanziellem Aufwand vielfältigen Bedürfnissen entsprechen zu können.In der Rehabilitation nimmt der Einsatz der Wii aufgrund ihres hohen Motivationscharakters immer mehr zu und Bewegungs- und Balancespiele werden als Ergänzung zu physiotherapeutischen Angeboten eingesetzt (‚Wiihabilitation‘) (vgl. u. a. John/Bücher 2009; Brosnan 2009; Ramchandani/Carroll/Buenaventura/Douglas/Liu 2008).Bewegungsangebote für Menschen mit geistiger Behinderung mit der WiiAm Lehrstuhl Rehabilitation und Pädagogik bei geistiger Behinderung der Fakultät Rehabilitationswissenschaften an der TU Dortmund sind im Rahmen eines Seminars in regionalen Einrichtungen der Behindertenhilfe Angebote mit der Wii gemacht worden. Ziele waren unter anderem, Menschen mit geistiger Behinderung die selbständige Nutzung der Wii als Basis für zukünftige Angebote zu ermöglichen und Barrieren zu identifizieren.Für das selbständige Anschließen der Wii sind Bildkarten entstanden, die Erklärungen ergänzen und als Gedächtnisstütze dienen können (s. Bild 1). Innerhalb einer Wohngruppe oder einer Klassengemeinschaft können beispielsweise solche Kompetenzen aufgebaut werden, dass sie sich gegenseitig unterstützen können, ohne auf Assistentinnen und Assistenten oder Lehrkräfte angewiesen zu sein. Parallel erfolgte nach der Analyse von diversen Bewegungsspielen die Auswahl der Spiele ‚Bowling‘ und ‚Boxen‘. Um schnelle Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, sind Hilfsmittel im Vorfeld geplant worden. Beim Bowling könnte insbesondere die zeitliche Koordination des Bewegungsablaufes bei gleichzeitiger Bedienung des Controllers eine Hürde darstellen sowie beim Boxen das zielgerichtete Schlagen oder die Zuordnung des eigenen Mii2. Für eine bessere Orientierung beim Boxen sind entsprechend der Farbe der virtuellen Boxhandschuhe farbliche Hüllen für die Controller angeschafft worden und beim Bowling können Markierungen auf dem Boden hilfreich sein. Bei Teilnehmerinnen und Teilnehmern denen es motorisch nicht möglich ist, den Controller selbständig festzuhalten, kann dieser zum Beispiel mit Hilfe eines Schlauchverbandes an der Hand befestigt werden.Zu Beginn sollte ein Aufwärmprogramm durchgeführt werden, welches speziell auf Wii-Sportspiele zugeschnitten ist (British Chiropractic Association 2006). Dies ist notwendig, um Verletzungen zu vermeiden, die ursächlich bei der Nutzung der Wii liegen (vgl. u. a. Nett/Collins/Sperling 2008). Für die Beantwortung der Leitfragen sind ein Beobachtungsbogen sowie ein Leitfadeninterview entwickelt worden, die mit insgesamt 31 Teilnehmenden durchgeführt worden sind. Die kleine Stichprobe ermöglicht es, Erfahrungen und Eindrücke zu beschreiben, jedoch keine belastbaren Daten aufzuzeigen.Beim Boxen hat sich gezeigt, dass kaum die Steuerungsmöglichkeiten Verteidigung und Ausweichen, sondern überwiegend Angriffe genutzt werden. Das Boxen ist von der Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer als das sportlich orientiertere Spiel eingeschätzt worden.Beim Bowling gelingt es circa 65 Prozent der Teilnehmenden mit einer gezielten Armbewegung zu spielen. Eine zusätzliche Schrittfolge wird ebenfalls von einigen durchgeführt. Die zeitliche Koordination in Verbindung mit der Bedienung des Controllers kann bis auf wenige Ausnahmen von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern schnell bewältigt werden. Die mögliche Richtungssteuerung wird von etwa 52 Prozent genutzt.Dem Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat das Spielen mit der Wii sehr gut gefallen und sie möchten es wiederholen.FazitDie Erfahrungen aus den Angeboten haben gezeigt, dass die reine Bedienung der Wii und die Steuerung nur eine kleine Barriere darstellen. Die intuitive und einfache Bedienbarkeit stellt eine Voraussetzung dar, um mit verschiedenen Personen auch auf unterschiedlichen Leistungsniveaus zusammen mit der Wii zu spielen. Hier wäre es denkbar, in Einrichtungen wie Sportvereinen, bei Freizeitanbietern oder auch in Schulen Angebote mit der Wii zu implementieren, die für alle Personengruppen offen sind. Durch die Kombination von spielerischer Bewegung und hohem Motivationscharakter sowohl auf individueller als auch auf sozialer Ebene, ist die Nutzung der Wii eine Möglichkeit, um gemeinsames Spiel, gemeinsame Bewegungsangebote und gemeinsame soziale Interaktionen zu realisieren.

Anmerkungen1 Die Steuerung des Videospiels erfolgt durch möglichst realistische Bewegungen der Spielerinnen und Spieler.2 Die auf dem Bildschirm angezeigten Spielfiguren werden als Mii bezeichnet.

Literatur:
British Chiropractic Association (2006). The Wii warm up; the British Chiropractic Association advises how to avoid Wii-injuries this yuletide. www.chiropractic-uk.co.uk/gfx/uploads/textbox/Press%20releases/0244104a%20Wii%20Warm%20Up.pdf [Zugriff: 30.11.2011].

Brosnan, Sinead (2009). The potential of Wii-rehabilitation for persons recovering from acute stroke. Physical Disabilities Special Interest Section Quarterly. Bethesda, MD: The American Occupational Therapy Association.

John, Michael/Bücher, Jan (2009). Rehabilitation im häuslichen Umfeld mit der Wii Fit – Eine empirische Studie. www.rehazentrum.com/studien/Konferenzbeitrag_FIRST_Rehazentrum%20L%C3%BCbben_AAL_081125_final.pdf [Zugriff: 01.12.2011].

Gabler, Hartmut (2002). Motive im Sport. Schorndorf: Hofmann. Markowetz, Reinhard (2007). Freizeit behinderter Menschen. In: Cloerkes, Günther (Hrsg.), Soziologie der Behinderten. Eine Einführung. Heidelberg: Edition S.

Nett, Michael P./Collins, Mark S./Sperling, John W. (2007). Magnetic resonance imaging of acute “wiitis” of the upper extremity. In: Skeletal Radiology, 37( 5) S. 481-483.

Ramchandani, Avinash/Carroll, Kevin/Buenaventura, Roel/Douglas, Jason/Liu, Justin (2008). Wii-habilitation increases participation in therapy. Virtual Rehabilitation. In: The Institute of Electrical and Electronics Engineers, S. 25-27.

Rheker, Uwe (2008). Differenzierte Integrationspädagogik für den Sport von Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen. In: Fediuk, Friedhold (Hrsg.), Inklusion als bewegungspädagogische Aufgabe. Baltmannsweiler: Schneider.


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