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Antje Müller: 35. GMK-Forum Kommunikationskultur

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  • 2019

Zur Person

Digitalisierung. Teilhabe. Vielfalt. Drei Schlagwörter, die das diesjährige Forum der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur bestimmten. Inklusion ist ein Thema, das den Fachdiskurs schon immer beschäftigt hat und seinem Wesen nach, nämlich andere einschließen und mitmachen lassen, schon immer zentraler Bestandteil der Medienwelt gewesen ist. Sei es bei der Informationssuche, Wissensbereitstellung, beim Produzieren oder Gestalten – es geht immer um ein ‚für‘ jemanden oder ‚mit‘ jemandem.

Potenziale digitaler Inklusion offenbaren sich dabei insbesondere in einem transdisziplinären Praxisfeld, das Benachteiligte durch Medien (wieder) einbeziehen lässt. Wichtig sei eine zielgruppenspezifische Bildung, so Ingo Bosse von der Universität Dortmund in seinem eröffnenden Impuls. Inklusive Teilhabe fange dabei an, ein Bewusstsein zu bilden, gemeinsam zu handeln und könne so in digitales Empowerment sowie Partizipationschancen münden, wie sie sich beispielsweise in der Bloggerszene eröffnet haben. Gestaltungsprinzipien gilt es dabei zu kennen und nutzbar zu machen. Und das heißt eben nicht nur Kompensation von Defiziten, sondern (Universal-)Gruppen einschließen. Es bedeutet miteinander und voneinander lernen, die jeweilige Lebenswelt zu berücksichtigen, zu kooperieren und Barrierefreiheit zu schaffen. Doch inklusives Denken UND auch Handeln ist leichter ausgerufen als umgesetzt. Eindrücklich schilderte dies die Moderatorin des Eröffnungstags und Autorin, Ninia LaGrande in ihrem abendschließenden Poetry-Slam. In rasanter, fast atemloser Rhythmik beschrieb sie ihr ‚Groß'-Werden, nur ohne das ‚groß'. Wir schluckten, aber LaGrande plauderte belustigt, manchmal zynisch und ab und an etwas genervt über die alltägliche Problematisierung des Nichtproblems ihrer Körpergröße von etwa 1,40 m. Über die Anteilnahme anderer, wo es eigentlich nichts anteilzuhaben gab. Über ein extra bisschen an Aufmerksamkeit, über Annahmen des Nicht-Könnens und vor allem -Erreichens. Spätestens hier wurde klar: Ungewohntes oder Unübliches kann keinen Maßstab stellen und trotzdem bewegt man sich träge im Kreis, eingekocht mit Stereotypen und Vorurteilen, verrührt mit Unmengen an Meinungen.

Aber wie über den Tellerrand schauen, im zähen Einheitsbrei? „Check your privilege!“ – so oder so ähnlich könnte ein erster Schritt hinaus in Richtung inklusives Denken aussehen. Mit dem Blick auf intersektionale Perspektiven digitaler Medienkulturen und dem Fokus auf sowohl Ein- als auch Ausschluss gesellschaftlicher Kategorien, wie unter anderem Herkunft oder Geschlecht, zeigte Ricarda Drüeke von der Universität Salzburg am zweiten Tag vor allem Eines auf: Wer alle teilhaben lassen möchte, muss bei sich selbst anfangen! Ohne ein ständiges Beobachten und kritisches Reflektieren des Selbst, des eigenen Standpunkts wie auch der Situation kann weder erfasst werden, welche Kategorien wirksam sind, noch aus welchen (historischen) Gründen sie aus Macht- und Herrschaftsverhältnissen geworden sind. Über aktuelle Beispiele wie Hashtags mit Trending Topics(#IfTheyGunnedMeDown, #blacklivesmatter, #MeToo), Protesten mit pinken Katzenmützen bis hin zu Diskriminierungserfahrungen (Dunja Hayali, Collien Ulmen-Fernandes) via Hate Speech – das sogenannte „Traveling Concept“ zeigt beispielhaft, wie Diskriminierungen offengelegt und Teilhabemöglichkeiten erweitert können – auch wenn der Weg dorthin schwierig ist. Andere Wege und vor allem Perspektiven ließen sich in den anschließenden zahlreichen Workshops erkunden: Ob bei der Auseinandersetzung mit dem Einfluss der Algorithmen, die bei der „Inklusion des Exklusiven“ behilflich wie hinderlich sein können. Ob bei Beleuchtung von (digitalen) Bildungsmaterialien oder Apps und ihre Wirkung auf eine inklusive politische Bildung. Ob bei spielerischer Auseinandersetzung mit Fake News oder bei Einblicken in die inklusive Medienarbeit im schulischen wie auch außerschulischen Kontext.

War man nicht bereits beeindruckt von der Vielfältigkeit elektronischer Orientierungshilfen, die zum Beispiel Kommunikation unterstützen und als expressiven“ Kanal für beeinträchtige Heranwachsende fungieren können, überraschten auch ganz grundsätzliche Fragen wie Zuständigkeiten, Rollenüberschneidungen, Anbieterverantwortlichkeit, Unterstützungsstrukturen und letztlich eben auch ein unvermeidlich großes Stück Selbstverantwortlichkeit und ein unverzichtbares Sich-Einbringen in der inklusiven Praxis. Die Qual der Wahl des passenden Inputs potenzierte sich nochmals in der zweiten nachmittäglichen Workshop-Runde. Es gab Tipps für Eltern, Medienmachende und bildungspolitisch Wirkende aber auch für pädagogische Fachkräfte, Sozialarbeitende und Therapeutinnen und Therapeuten – von allgemeiner inklusiver Medienbildung, über eine einfache Sprache oder Skills wie (Gaming-)Impulskontrolle, bis hin zum (beeinträchtigten) Sehen und Denken. Der Markt der Vielfalt mit seinen Medienkultur- und Aktivangeboten spiegelte sich nicht nur auf der Ausstellungsfläche mit Bee-Bots, Bloxel und Co., sondern kristallisierte sich als Wesensmerkmal des inhaltlichen Inputs wie auch des Outputs. Sichtbar machen. Einschließen. Aber auch Sehen und gesehen werden. Wer sich nicht zerteilen wollte, blieb im nahtlosen, rastlosen Austausch. Dies aber galt so oder so als Prämisse. Weite Wege wurden zum Teil auf sich genommen, um sich spätestens auf dem Netzwerkabend wiederzusehen und – oder vor allem: kennenzulernen. Krönenden Abschluss des GMK-Forums bildete traditionell die jährliche Dieter Baacke Preisverleihung mit ausgezeichneten Medienprojekten. Die Preisträgerinnen und Preisträger 2018 ragten insbesondere durch ihre einzigartigen Konzepte rund um Interkulturalität, Intergenerationalität, Minorität, Integration und Teilhabe heraus. Neben wieder auflebender und angereicherter klassischer Tools wie Video, Foto und Trickfilm, beeindruckten die damit neu verwobenen und folglich neu gedachten Möglichkeiten digitaler Synergien: Vom digitalen Storytelling, über ein Alternate Reality Game, interdisziplinäre Kunstformen und Patchwork-(Handyfoto-)Bildband bis hin zur App und letztlich auch Multimedialität – die gewählten Projekte standen auch hier ganz im Zeichen der Vielfalt. Und ja, endlich auch das mittlerweile 13-jährige Spieleratgeber-Projekt. Wir fragen uns auch, warum das so lang gedauert hat! Für Interessierte sei zum Weiterdenken zuletzt noch erwähnt: Das Positionspapier der GMK-Fachgruppe Inklusive Medienbildung, hervorgebracht und zur Diskussion gestellt am letzten Veranstaltungstag, bündelt zentrale Forderungen zur Weiterentwicklung inklusiver Medienbildung in Praxis und Theorie und fordert: Medienbildung für alle: Medienbildung inklusiv gestalten!" Weitere Informationen unter: www.gmk-net.de/veranstaltungen/35-forum-kommunikationskultur-der-gmk-2018/

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