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Pia Deutsch: Bewegtbilder besitzen pädagogisches Potenzial

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Zur Person

Rückert, Friederike (2018). Bewegte Welt // Bewegte Bilder. München: kopaed. 300 S., 22,80 €.

Kinder und Jugendliche eignen sich ihr Wissen oftmals durch Bewegtbilder an. Selbst die Eigenproduktion und Distribution von Filmen ist mittlerweile durch mobile Medien einfacher geworden. Diese technologischen Entwicklungen bieten zum einen neue Möglichkeiten, aber gleichzeitig auch Herausforderungen für die Kunstpädagogik und Fachdisziplinen, die sich mit der Filmund Medienbildung befassen. Der Band Bewegte Welt // Bewegte Bilder erläutert in drei Teilen das pädagogische Potenzial von Bewegtbildern. Verschiedene Autorinnen und Autoren geben hierauf rezeptiv orientierte Einblicke, gefolgt von einer Diskussion filmdidaktischer Fragestellungen anhand ausgewählter Best-Practice-Beispiele.

Zum Einstieg wird gezeigt, wie Schülerinnen und Schüler einen reflektierten Zugang zu Bewegtbildmedien erlangen können. Es wird erklärt, dass ein Filmbild nicht zwingend identisch sein muss mit dem was es abbildet – ganz nach dem berühmten Satz „Ceci n’est pas une pipe“ des Künstlers René Magritte. Außerdem wird eine realistisch wirkende Kameraeinstellung aus dem Film L‘arrivée d‘un train à La Ciotat der Gebrüder Lumière angeführt und resümiert, dass Filme nicht die Realität abbilden (können); vermutlich der wichtigste Aspekt, der bei Filmanalysen beherzigt werden sollte. Die Filmbildung wird am Beispiel von Jacquot de Nantes des Regisseurs Agnès Vardas ebenso thematisiert, denn dieser steht exemplarisch für eine besondere Herangehensweise, die gekennzeichnet ist durch die spezielle Annäherung an die Dramaturgie. Als Schluss wird gezogen, dass das phänomenologische Bildungspotenzial auch im Handwerk des Filmemachenden zu finden sei, was durch eine oftmals einseitige Fokussierung auf die Digitalisierung schnell ausgeblendet würde. Plädiert wird deshalb für die Verwendung analoger Technik in der Bildung. Anhand der Betrachtung der norwegischen Webserie Skam und der heute vielfältigen Medienkultur gelingt es, die Erfolgsfaktoren für gelungene Webserien herauszukristallisieren. Daneben wird vorgeschlagen, Skam als Beispiel für neue Formen der Bewegtbildvermittlung einzusetzen und damit einen Anstoß für die ästhetische Darstellung jugendrelevanter Themen zu geben. Es wird deutlich erkennbar, dass sich dafür eingesetzt wird, die Aufmerksamkeit auf dieses unbekanntere Genre zu lenken und im Zuge dessen neue Impulse zu setzen.

Das fünfte Kapitel fungiert als Einleitung in den didaktischen Teil und thematisiert die filmische Vermittlung von Bildungsinhalten mit unterhaltenden Zugängen. Ein Beispiel soll zur Nachahmung anregen. Die Didaktik des Lernfilms wird thematisiert, denn Lernfilme können unter bestimmten Bedingungen zum Ausbau der fachlichen und der Allgemeinbildung sowie der Medienkompetenz beitragen. Der Autor betont zwar, dass Lernfilme auf lange Sicht den persönlichen Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem nicht ersetzen können, spricht sich jedoch dafür aus, sie als Ergänzung der Präsenzlehre miteinzubeziehen. Die Verbesserung des Lernerfolgs durch Lernfilme steht offenkundig im Zentrum des Kapitels. Ein Best-Practice-Beispiel zu digitaler Bildung durch Videos steht im Fokus von Kerstin Kremer und der Herausgeberin Friederike Rückert. Neben einer Projektvorstellung liefern sie Argumente warum Filmbildung als Teil digitaler Bildung gelten kann. Folgt man dieser Auffassung, so sollte Filmbildung mehr Beachtung in der Debatte finden. Eingeleitet durch die außerschulische Bildung behandelt der dritte Teil verschiedene Beispiele, die innerhalb eines Rückblicks, einer Einschätzung der Filmdidaktik und wie man Filmen lernt thematisiert werden. Es wird erkenntlich, dass finanzielle Unterstützung und moderne Ausstattung wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Annahme und Arbeit der Bildungseinrichtungen darstellen und ebenso, welche Rolle dabei professionelle Filmschaffende spielen können. Zusätzlich wird am Projekt Perspektivwechsel aufgezeigt, in welch hohem Maße Filmbildung für ein interkulturelles Projektlernen geeignet erscheint und dabei gleichzeitig Kompetenzen im Bereich der Filmbildung stärken kann. Der Initiator eines Fernsehprojektes einer Schule, Sönke Zankel, stellt an diesem Beispiel Erkenntnisse und Ratschläge für Lehrende bereit, die selbst ein solches realisieren möchten. Dabei haben die Fragen, wie Filmbildung in der Kunstpädagogik eingesetzt werden kann und welche Potenziale und Chancen Handys, Smartphones und Tablets hierfür mitbringen, immer den Fokus auf das mit einzubeziehende geänderte Bild- und Filmverständnis der Jugendlichen. Diese Erkenntnisse sind sicherlich als Hilfestellung für Lehrende, gewiss auch für diejenigen, die ein etwaiges Projekt starten wollen, angedacht. Experte und Lehrender Hans Oluf Schou führt schließlich in das an dänischen Gymnasien unterrichtete Fach ‚Media Studies‘ ein, welches als vorbildliche Umsetzung von Film- und Medienbildung angesehen werden kann. Eine Adaption dieses Faches in das deutsche Bildungswesen stellt sich als lohnenswerte Unternehmung heraus, da derartige Projekte bisher lediglich im Sprachunterricht oder an der Universität zu finden sind. Die Schnittstellen von Realität, Virtualität, Film und Neuer Musik in intermedialen Kunstformen sowie deren didaktisches Potenzial für die Praxis werden aufgezeigt. Jedoch wurden nur universitäre Beispiele vorgestellt. Deshalb ist fraglich, wie gut Jüngere insbesondere virtuelle Projekte umsetzen können.

Der Band richtet sich vor allem an pädagogisches Fachpersonal, die Bewegtbilder im Unterricht einsetzen wollen. Es gelingt, das Fachgebiet und sein Potenzial für das pädagogische Arbeitsfeld durch eine vielfältige Betrachtung und eine Verknüpfung von theoretischen Ansätzen sowie praktische Gestaltung herauszuarbeiten. Der allgemeine und der didaktische Teil kommen jedoch etwas kurz. Es werden zwar viele Beispiele als Anregung genannt, teilweise sind diese jedoch sehr spezifisch und schwer verallgemeinerbar, sodass die Nachahmung mitunter schwer werden könnte. Die Unterteilung in drei Teile erscheint zunächst sinnvoll, führt jedoch dazu, dass etwa die interkulturelle und die kulturelle Sichtweise auseinander gerissen werden. Dabei ist anzumerken, dass die Aufteilung nicht gleichmäßig erfolgt, sondern den Beispielen mehr Beachtung geschenkt wird, vielleicht sogar zu viel. Die durch den Klappentext suggerierte Fokussierung auf Kunstpädagogik verbleibt in der theoretisch-praktischen Abhandlung zudem eher am Rand. Neben zahlreichen Beispielen und Projektbeschreibungen sind Vorschläge zur konkreten, gegebenenfalls auch originären Verwirklichung derselben vergleichsweise selten auszumachen.

Insgesamt ist es dem Band gelungen, einen thematisch breiten Überblick über die Möglichkeiten der Film- und Medienbildung zu geben und alle relevanten Aspekte zu beleuchten.

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