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Dietmar Kammerer: Okay, Google?

  • Internet

Zur Person

Die Berichterstattung um Facebook, Cambridge Analytica und missbrauchte Nutzerdaten habe ich, ehrlich gesagt, nur mit halbem Interesse verfolgt. Wer sich wie ich seit Jahren mit Datenschutz beschäftigt, den kann dieser ‚Skandal‘ nicht mehr überraschen. Skandalös fand ich vielmehr die Stellungnahme des Unternehmens, wonach man „laut und deutlich“ verstanden habe, dass „die Ein­stellungen zur Privatsphäre zu schwer zu finden“ seien – im Klartext: die Nutzerinnen und Nutzer von Facebook seien zu doof, um die Häkchen an den richtigen Stellen zu setzen. Andererseits: Kann schon sein. Und das beste Beispiel dafür bin ich selbst. Denn letztes Jahr hat mein Sohn mich ge­fragt: „Papa, was heißt Frechdachs auf Italienisch?“. Um seine Neugierde zu befriedigen und ihm zu zeigen, dass selbst der klügste Papa der Welt nicht alles wissen kann, beschloss ich, ihn die Antworten selbst herausfinden zu lassen. Dafür konsultierten wir die gewaltigste Bibliothek der Menschheits­geschichte: Die Datenbanken von Google. Wir mussten nur ein Häkchen an der richtigen Stelle setzen und schon hatten wir die (ungelesenen) Bedingungen der „Sprach- und Audioaktivitäten“ des Unternehmens akzeptiert. Googles Erfolg liegt seit jeher darin, komplexe Algorithmen durch eine simple Eingabemaske zugänglich zu machen.
Auch Kinder, die das Schreiben erst noch lernen, können auf die Datenbank zugreifen. Es reicht, das Tablet vor sich zu halten und laut und deutlich den Zau­berspruch zu sagen („Ok, Google“), dann werden alle Fragen beantwortet. Nicht nur die nach der korrekten italienischen Übersetzung („sfacciato diavolo“). Die Maschine gab auch Auskünfte auf: „Was ist der höchste Berg der Welt?“ (bekannt) oder „Wieviel wiegt der Mond?“ (etwa 1/81 der Erdmasse). Ich hatte das gute Gefühl, meinem Sohn beizubringen, dass ein Computer nicht nur dazu da ist, sich „Wickie“-Videos anzusehen, son­dern dass er auch als Lerninstrument eingesetzt werden kann. Das alles ist mehr als ein Jahr her und aktuelle Fragen wie „Was macht 17 minus vier?“ oder „Wie schreibt man Dinosaurier?“ kann ich ganz gut ohne Tablet beantworten. Dass ich dennoch weiß, wann und welche Fragen wir der Maschine damals gestellt haben – und zwar auf den Tag, die Stunde und die Minute genau – liegt daran, dass Google es sich gemerkt hat. Wer ein Google-Konto hat, kann sich seine so genannten „Aktivitäten“, eigentlich seine Interaktionen, mit den verschiedenen Diensten von Google, über­sichtlich ausgeben lassen. All das war mir als Medi­enprofi bekannt, all das hatte ich über die entspre­chenden Häkchen und Klicks in Kauf genommen. Als ich mir meine „Aktivitäten“ vor einigen Wo­chen ausgeben ließ, war ich daher zunächst wenig überrascht.
Bis ich die Aufzählung der „Sprachak­tivitäten“ entdeckte: Google speichert tatsächlich das Gesprochene selbst. Irgendwo auf den Servern von Google liegen also Audiodateien, in denen meine und die Stimme meines Sohnes gespeichert sind, unsere Versprecher, unsere Lacher. Und zwar schon einige Sekunden bevor ich „Ok, Google“ sage – das Mikrofon muss ja permanent lauschen, ob das Zauberwort fällt. Ich beschloss, umgehend alle Häkchen und Erlaubnisse zu entfernen. Es wird ja viel darüber diskutiert, wie man ein Be­wusstsein für so etwas letztendlich Abstraktes und Unanschauliches wie „Datenschutz“ weckt.
Mein Vorschlag: Ein Programm, das jedem in ihrer oder seiner je eigenen Stimme sämtliche Daten vorliest, die Google, Facebook & Co. gespeichert haben. Dieses Programm darf keinen Ausschalt-Knopf haben, muss regelmäßig von alleine starten und die Lautstärke immer maximal halten. Das könnte helfen: Laut und deutlich.

Dietmar Kammerer

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