Simone Hickmann
Beiträge in merz
- Simone Hickmann: Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn, Isabel (Hrsg.) (2019). Handbuch Inklusion und Medienbildung. Weinheim: Beltz Juventa. 386 S., 39,95 €.
Simone Hickmann: Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn, Isabel (Hrsg.) (2019). Handbuch Inklusion und Medienbildung. Weinheim: Beltz Juventa. 386 S., 39,95 €.
Mit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit sogenannter Behinderung im Mai 2008 ist das Thema Inklusion stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gerückt. Kaum eine Autorin bzw. Autor aus dem von Ingo Bosse, Jan-René Schluchter und Isabel Zorn herausgegebenen Sammelwerk geht nicht auf die Veränderungen ein, die mit dem Verständnis von Teilhabe in Bezug auf Menschenrechte einhergehen. „Menschen mit Behinderung gehören von Anfang an mitten in die Gesellschaft“ (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung 2019).
Dem Handbuch liegt ein weites Inklusionsverständnis zugrunde, das alle Personengruppen mit einbezieht, die Erfahrungen mit Ausgrenzung haben. Medien sind Teil nahezu aller gesellschaftlichen Bereiche. Der Band beschäftigt sich anhand von drei Grundfragen mit den Zusammenhängen von Inklusion, Bildung und Medien: Welche Potenziale hat Medienbildung für eine gelingende Inklusion? Welche Rahmenbedingungen braucht inklusive Medienbildung? Wie lässt sich inklusive Medienbildung gestalten?
Das interdisziplinäre Team der Herausgebenden aus den Bereichen Sonderpädagogik, Medienpädagogik und Soziale Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, „einen möglichst umfassenden Überblick über dieses noch junge Forschungs- und Praxisfeld zu geben“ (S. 12). Das Handbuch ist für dieses Querschnittsthema somit ein erstes umfassendes Werk. Mit E-Book und Open-Access-Zugang sowie einem barrierefreien PDF geht es einen wichtigen Schritt in Richtung Barrierefreiheit (vgl. Technische Universität Dortmund 2019).
In fünf Kapiteln setzt es sich eingehend mit den Zusammenhängen von Inklusion und Medienbildung sowie Forschungsergebnissen und Diskurslinien auseinander: Nach Klärung der Grundlagen gibt der Band einen Überblick über Berufsfelder, in denen Inklusion und Medienbildung besonders relevant sind. Anschließend werden Methoden und übergreifende Themen inklusiver Medienbildung dargestellt und ein Einblick in die Professionalisierung, der zum Teil schon vorgestellten Berufsfelder, gegeben. Am Ende des Handbuchs steht die Forschung im Bereich inklusiver Medienbildung im Fokus.
- Grundlagen: Expertinnen und Experten verschiedener pädagogischer Schwerpunkte setzen sich mit den Grundlagen inklusiver Medienbildung auseinander. Inklusive Medienbildung wird hierbei als Teilhabe in Medien, Teilhabe an Medien und Teilhabe durch Medien verstanden. In der Auseinandersetzung mit den Grundlagen zur Medienbildung, Mediensozialisation und sozialer Ungleichheit sowie Medienkompetenz wird folglich der Frage nachgegangen, wie eine gleichberechtigte Teilhabe am Erwerb von Medienkompetenz in Bezug zu Inklusion erzeugt werden kann. Außerdem geben Anne Haage und Ingo Bosse Einblicke in die Basisdaten der größten deutschen Studie zur Mediennutzung von Menschen mit sogenannter Behinderung.
- Berufsfelder im Überblick: Zwölf zielgruppenspezifische Berufsfelder werden vorgestellt, die sich vom Einsatzfeld in der Familie über die frühkindliche Bildung bis zur Erwachsenen und Seniorenbildung erstrecken. Im Berufsfeld Schule wird, in Artikeln zur Grundschule, Sekundarstufe I und Förderschule, der Frage nachgegangen, wie eine Teilhabe aller am Lernprozess möglich ist und welche Rolle digitale Medien dabei spielen. Auch im Berufsfeld Jugendstrafvollzug und Tagesförderung/Wohneinrichtungen wird der Einsatz von digitalen Medien in den Blick genommen. Abgerundet wird der Themenbereich durch ein Praxisbeispiel aus der Projektreihe mobil+stark – Wege zu einer inklusiven Medienbildung.
- Methoden und übergreifende Themen inklusiver Medienbildung: Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis setzen sich in neun Artikeln mit Methoden und übergreifenden Themen inklusiver Medienbildung auseinander. Es werden Wege aufgezeigt, Barrierefreiheit zu fördern und diese zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Von diversitätssensibler Kommunikation in den Medien am Beispiel des Projekts leidmedien.de über assistive Technologien bis hin zu leichter Sprache und der Aufklärungsarbeit von Aktion Mensch e. V. wird ein detaillierter Einblick gegeben, was bei der barrierefreien Gestaltung von Veranstaltungen der Medienbildung zu beachten ist.
- Professionalisierung: Das Kapitel wendet sich mit acht Artikeln der Frage der Professionalisierung zu. Es wird deutlich, dass in den Berufsfeldern die Bedeutung der Themen Inklusion und Medienbildung gewachsen ist, sich jedoch noch kein systematisches Vorgehen zur Qualifizierung von Fachkräften etablieren konnte. Neben mangelnden Bezügen zwischen den beiden Fachrichtungen kommt erschwerend ein fehlendes einheitliches Verständnis von Professionalisierung hinzu. Darüber hinaus bestehen Unschärfen in einzelnen Berufsfeldern.
- Forschung: Schließlich werden Forschungsfelder im Bereich inklusiver Medienbildung dargestellt und Kriterien inklusiver Forschung herausgearbeitet, die in einen Appell an eine kritische Reflexion der eigenen Handlungspraxis münden. Des Weiteren befasst sich das Kapitel mit der Gestaltung von Technologien für alle und dem Bedarf an Forschung und Innovation.
Zusammenfassend hält Handbuch Inklusion und Medienbildung einige Antworten auf die drei eingangs gestellten Fragen bereit. So konnte abgeleitet werden, dass inklusive Medienbildung zu einer besseren Selbstbestimmung, höheren Selbstwirksamkeit und Barrierefreiheit führen kann. In Hinblick auf Rahmenbedingungen bedarf es außerdem der Entwicklung von Angebotsstrukturen, Orten der Interaktion, einer Verzahnung von Inklusion und Medienbildung, einer Qualifizierung von Fachkräften sowie der Unterstützung und Anregungen durch das familiäre und professionelle Umfeld. Eine zielgruppensensible medienpädagogische Ausgestaltung der Angebote und aktiven Medienarbeit muss zudem an vorhandenen Medienkompetenzen anknüpfen. Die Herausgebenden haben ihr selbst gesetztes Ziel – einen umfassenden Einblick in der Forschungs- und Praxisfeld der inklusiven Medienbildung zu geben – erreicht. Sie ermöglichen mit diesem Band ihren Leserinnen und Lesern einen guten Gesamtüberblick über die aktuellen Diskurse zu Inklusion, Bildung und Medien in den verschiedenen Disziplinen und bieten somit eine gelungene Ausgangsbasis für Studierende, Forschende und Praktikerinnen bzw. Praktiker. Die durch die Autorinnen und Autoren gesetzten Schlaglichter, formulierten Desiderate und Literaturangaben ermöglichen den Leserinnen und Lesern sich mit eigenen Schwerpunkten tiefer auseinander zu setzen und dieses noch junge Forschungs- und Praxisfeldes weiterzuentwickeln.
Literatur
Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung (2019).Die UN-Behindertenrechtskonvention. www.behindertenbeauftragter.de/DE/Koordinierungsstelle/UNKonvention/UNKonvention_node.html [Zugriff: 05.08.2019]
Technische Universität Dortmund (2019). Sehkon – Sehgeschädigtengerechter Katalog Online. www.ub.uni-dortmund.de/sehkon [Zugriff: 05.08.2019]