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Jana Schröpfer: Wenn ich …

    Zur Person

    Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V.(2016). Medien. Wenn-Ich-Karten zum Thema exzessive Nutzung. Mit Jugendlichen ins Gespräch kommen. München. Spiel mit 139 Karten, 44-seitiges Begleitheft, 15,50 €.

    Lückenhaften Aussagen wie „Bei einer Hassgruppe würde ich (nicht) mitmachen, weil …“ auf gedruckten Spielkarten sollen Kinder und Jugendliche beim Erlernen eines risikoarmen und kritischen Gebrauchs von digitalen Medienangeboten unterstützen. Die Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V. hat mit den sogenannten Wenn-Ich-Karten eine Materialbox entwickelt, die einen Austausch unter Heranwachsenden über die Bedeutung und den Nutzen von Smartphones, Computerspielen und sozialen Netzwerken sowie deren Einstellungen und Erfahrungen diesbezüglich ermöglichen soll. Diese spielerische Form der Auseinandersetzung existiert bereits für andere erziehungsrelevante Themen, stellt mit den Karten zu exzessiver Mediennutzung aber erstmals medienpädagogische Anliegen ins Zentrum. Die Box besteht aus fünf Kartendecks, die ‚allgemeine Fragestellungen‘ sowie Lückensätze zu den Themenschwerpunkten ‚Computerspielen‘, ‚soziale Netzwerke‘, ‚Smartphone‘ und ‚Glücksspiel im Internet‘ enthalten.

    Zentraler Bestandteil des medienpädagogischen Pakets ist das Begleitheft, das nicht nur eine Spielanleitung inklusive denkbarer Variationen enthält, sondern auch über das Phänomen der exzessiven Mediennutzung aufklärt. Mithilfe empirischer Studien wird einleitend über die Verbreitung digitaler Medien und die Mediennutzung Heranwachsender referiert. „Medienabstinenz kann heute kein Ziel mehr sein“ – so die Schlussfolgerung der Broschüre. Die Faszination, die von Computerspielen, Smartphones und sozialen Netzwerken ausgeht, wird daher ebenfalls mit sich daraus ergebenden Risiken beleuchtet. Auch Internetsucht, ihre tatsächliche Verbreitung und Diagnosekriterien finden ihren Platz – was pädagogische Fachkräfte für das beiliegende Gruppenspiel sensibilisiert und vorbereitet. Das tatsächliche Kartenspiel funktioniert sehr simpel.

    In Gruppen von fünf bis etwa 15 Personen decken die Teilnehmenden nach und nach die verdeckten Satzkärtchen auf, was – ähnlich eines beliebten Teenagerspiels – unter anderem durch das Drehen einer Flasche initiiert werden kann. Nun gilt es die Sätze auf den Karten zu vervollständigen und gegebenenfalls in der Gruppe darüber zu diskutieren. Neben allgemeinen Fragestellungen zur digitalen Mediennutzung werden auch explizit suchtbezogene Aussagen in den Raum gestellt: „Ich habe (nicht) genug Zeit für Sport, Hobbys, Freunde, Schule, weil …“ oder „Als computersüchtig würde ich jemanden bezeichnen, der …“. Projektionsfragen wie letztere ermöglichen ehrlichere Antworten und vermeiden Effekte der sozialen Erwünschtheit. Karten, die zu einer tieferen Reflektion anregen – „Man sagt, dass einsame Menschen durch soziale Netzwerke in der realen Welt immer mehr vereinsamen. Das kann ich mir (nicht) vorstellen, weil …“ – ermöglichen zudem eine ideelle bzw. normative Auseinandersetzung mit der Thematik. Konfliktthemen wie Pornografie oder Datenschutz werden ebenfalls eingebunden: „Pornos haben viel/wenig mit der realen Sexualität zwischen Erwachsenen zu tun, weil …“ oder „Für eine Nutzung, die meine Daten sicher macht, würde ich (nicht) zahlen, weil …“. Von zentralem Vorteil ist dabei, dass die Formulierungen auf den Karten je eine positive und negative Valenz der Aussagen ermöglichen, sodass den Spielenden nicht durchweg negative Interpretationen in den Mund gelegt werden. Zudem werden auch erfreuliche Aspekte der Mediennutzung mit einbezogen, wenn es zum Beispiel um die schönste Erfahrung in sozialen Netzwerken geht. Letztendlich können sich die Heranwachsenden mit Hilfe der Stimulus-Karten auch eigne Handlungsempfehlungen aussprechen: „Im Umgang mit digitalen Medien sollte man folgende Regeln beachten …“.

    Das Kartenspiel beruht auf der Annahme, dass Kinder und Jugendliche gerne erklären, was sie tun und warum etwas für sie wichtig ist. Darüber hinaus ermöglicht das simple Spiel einen aufrichtigen Austausch in der Peergroup: Gerade problematische Verhaltensweisen oder fragliche Äußerungen können in der Gruppe zur Diskussion gestellt werden und durch Gleichaltrige, die nicht nur als Gleichgesinnte sondern häufig auch als Expertinnen und Experten auf diesem Feld angesehen werden, reflektiert, kritisiert und im besten Fall korrigiert werden.

    Das medienpädagogische Kartenspiel beruht sichtlich auf theoretischer und praktischer Expertise, jedoch mangelt es an Anreizen zur Umsetzung. Es stellt keine neue Methode zur Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex dar und ist gerade für die empfohlene Altersgruppe (ab zwölf Jahren) möglicherweise zu simpel. Der propagierte spielerische Umgang mit medienerzieherischen Themen ist sicherlich von großer Bedeutung, der bloße Einsatz von Satzkarten kann jedoch schnell zu Langeweile führen. Während vorhergehende Wenn-Ich-Karten zu Problemfeldern wie ‚Sucht‘ und ‚Gewalt‘ sicherlich ihren präventiven Zweck erfüllten, hätte die Spielkonzeption hinsichtlich des Themas exzessiver Mediennutzung erweitert werden und beispielsweise digitale Medien in das spielerische Szenario einbezogen werden können, wenn nicht sogar sollen, um die Auseinandersetzung mit den einhergehenden Möglichkeiten und Risiken authentischer zu gestalten. Zudem wirken die Satzkarten trotz der sowohl positiv als auch negativ auslegbaren Formulierung nicht vollständig suggestionsfrei und trotz des sehr reflektierten Begleitheftes lassen sich dem Gruppenspiel bewahrpädagogische Motive entnehmen. Nichtsdestotrotz eignet sich die Materialbox für pädagogische Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit, die kompetent aufbereiteten Input zu digitalen Medien und exzessiver Mediennutzung erhalten möchten und die dazu bereit sind, die Spielkarten auch mit eigener Kreativität einzusetzen.

    Jana Schröpfer war studentische Hilfskraft am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und bei merz | medien + erziehung. Derzeit studiert sie den Masterstudiengang Internationale Public Relations an der Ludwig-Maximilians- Universität München.

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