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Jürgen Ertelt: #witzefrei

    Zur Person

    Spaß beiseite, Ernst komm' her. Es geht um Medienkunst. Und um Medienkompetenz. Der schmale blasse Junge mit seiner kleinen Looser-Show Neo Magazin Royale (bisher nur etwa 300.000 Zuschauerinnen und Zuschauer je Erstausstrahlung im TV) soll hier mit einem verdienten Lob- und Dank- ‚Gedicht‘ bedacht werden. Jan Böhmermann heißt die in einem fast 50-köpfigen Produktionsteam eingebettete Figur des gleichnamigen Schauspielers, Sängers, Entertainers und Moderators Jan Böhmermann und er spielt sie virtuos und gut, auf der vollständigen Klaviatur der Medien, online und offline. Er schafft in seiner Sendung mit der Maus für Erwachsene den Spagat von belustigender Unterhaltung und ernsthafter Aufklärung mit dem schärfsten Besteck des Narren – der Satire. Nein, er ist weder egomaner Clown noch arroganter Spießbürger, wie ihn viele Kritikerinnen und Kritiker unverstanden darstellen. Die lauten Rufer, die ihm spätpubertierendes Verhalten vorwerfen, verwechseln Rolle und Person, verstehen den Witz schlicht nicht und gehen ihm so dennoch auf den Leim – wie auch Kanzlerin Merkel, Staatspräsident Erdogan sowieso, BILD-Springer-Döpfner mit falscher Solidarität, und irgendein Hinterbänkler im Bundestag, der das umstrittene Erdogan-Schmähgedicht ohne Kontext in der Debatte um den Majestätsbeleidi-gungsparagrafen rezitierte. Jan Böhmermann, dessen satirischer Beitrag zur Kunstfreiheit innerhalb weniger Tage zur Staatsaffäre wuchs und in den Google-Suchtrends die zeitgleichen Panama Papers weit hinter sich ließ, ist nicht der Staatsfeind Nummer Eins – wohl aber die, die Gegenstand seiner medialen Attacken sind. Jan Böhmermann ist Peter Pan und Robin Hood, Hacker und Aufklärer, Zauberlehrling und Dadaist, Wallraff und Ego-Shooter der Medienkritik, und ein bisschen ‚Au Weiwei‘ :-) – Baacke würde es gefallen. Wir verdanken dem Grimme-Preisträger in der Medienpädagogik den Stinkefinger-Hack #Varoufake und die Entlarvung der geskripten Schwieger-Freakshow #Verafake. Und er macht uns deutlich, dass Journalismus den Medienumbruch noch immer nicht durchdrungen hat. Während Jan Böhmermann mit millionenfacher Reichweite in den Social Media am Beispiel eines bewusst verletzenden Gedichtes vielschichtig ungeklärte Fragen des europäischen Wertegebildes, den Preis der Flüchtlingskrise, der durch einen Autokraten annektierten Demokratie und nicht zuletzt der Presse- und Kunstfreiheit thematisiert, befassen sich die alten Medien mit dem Boten statt mit der überbrachten Nachricht. Der Narr hält den Spiegel bereit und die Hineinschauenden erkennen sich dennoch nicht. Das ist witzig. Wir müssen uns ernsthaft Sorgen machen, dass das Geschäft der anprangernden Analyse und mutigen Bewertung heute mehr von Kabarettisten des Formats wie Schmickler, Pispers, Wagner, Priol, Kalkofe, Kebekus, [nein, Nuhr macht nur Unterhaltung] Böhmermann in Sendungen wie Die Anstalt, extra 3, heute-show oder Mitternachtsspitzen geleistet wird und nicht von gelernten Medienwerkerinnen und -werkern in Politmagazinen und Tageszeitungen. Besonders steil ist das Gefälle in den Weiten des Internets: Dort ist die klassische Berichterstattung fast gar nicht mehr sichtbar und die Stars des politischen Theaters feiern dort Reichweiten, die das Fernsehenund die Zeitung nicht mehr aufholen kann. Was bleibt: Letztlich entscheiden die Gerichte über #freeboehmi und #freecumhuriyet.

    [Service: Der Autor stellt gerne den wegen vorgeschobener Qualitätsmängel zensierten Auftritt (nicht nur das alberne Gedicht!) zum Download für lehrende Zwecke zur Verfügung. Den Link zur Sicherungskopie gibt es nach Mail an merz@ertelt.info]

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