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Klaus Lutz: Das ferngesteuerte Kind

    Zur Person

    Es gab Zeiten, da musste alles selbst gemacht werden: Die Autofenster mussten heruntergekurbelt, das Geschirr von Hand gewaschen, zum Umschalten am TV-Gerät selbst ein Kopf gedrückt und der Kaffee mit kochend heißem Wasser aufgebrüht werden. Das Telefon hatte eine Schnur, der Rasierapparat keine.

    Irgendwann verabschiedete sich das Telefon von der Wählscheibe, in der man so schön mit den Fingern herumbohren konnte, und bekam ein Tastenfeld, später dann einen Touchscreen. Der Geschirrspüler gesellte sich mit dem Trockner zur Waschmaschine, zum Telefon gesellten sich Anrufbeantworter und Router. Auch die Fernbedienungen entwickelten sich weiter: Erst konnten Modellflugzeuge und Rennautos mühelos via Fernsteuerung durch den Raum bewegt und Rollläden rauf- und runtergefahren werden, mittlerweile kann die Heizung längst von unterwegs via App geregelt werden. Wer die Fernbedienung hat(te), hat(te) die Macht – und mächtig ist heute jeder, der über ein digitales Endgerät mit Steuerungsapps verfügt.

    Auch Erziehungsberechtigte konnten sich im Laufe der Zeit über eine stetig wachsende Anzahl technischer Hilfsmittel freuen. Diese ließen die Erziehungsverantwortung leichter ertragen, machten den Alltag unkomplizierter: Neben zahlreichen elektronischen ‚Kinderbelustigungsspielzeugen‘ von der singend-summenden Nachtlampe für Babys über Dreiräder mit Hilfsmotor und Babyphone bis hin zu Greifringen für Vorschulkinder mit Handyhalterung, elektronischen Stiften, sprechenden oder gar spionierenden Puppen sowie Spielzeugrobotern ist alles da, was das Kinder- und Jugendherz begehrt – und durch interessante Zusatz- oder Programmierfunktionen auch so manch Erwachsenen.Das mit Abstand beste Gerät ist jedoch das Smartphone für das eigene Kind: So musste man früher noch vor Ort sein, um den Nachwuchs nach frühzeitigem Schulschluss in Empfang zu nehmen. Heute gibt es dafür dankenswerterweise eine ‚Fernbedienung‘, ein internetfähiges Mobiltelefon nämlich, mit welchem sich der Nachwuchs selbstständig nach Hause bringt und bei Bedarf jederzeit ablenken oder beschäftigen kann, so dass Eltern nur für kurze Momente ihre Meetings unterbrechen müssen, um einen sehr kurzen „Geh jetzt los, geh direkt zum Zahnarzt und danach zum Training“-Anruf zu tätigen. Oder noch einfacher, um eine WhatsApp-Nachricht zu schicken.

    Apropos Smartphone: Ausgemalt hatte sich das Kind den Besitz eines Mobiltelefons sicherlich viel befreiender und erhebender. Kommunikation ist aber nun mal keine Einbahnstraße. Dank Timer, Geozaun-Funktion und schlüssel­anhängergroßen GPS-basierten Tracking- oder Ortungsgeräten können Eltern heute – im großen Gegensatz zu früheren Generationen – das Mobiltelefon entspannt als verlängerten Arm nutzen und selbst auf wohlmeinende „Wo bist du?“- oder drohende „Warum-bist-du-nicht-hier“-Anrufe verzichten. Besonders fiese Eltern greifen einfach zur Überwachungs-App oder dem ultimativen Übel: Sie berauben den teuren Minicomputer seiner Internet-Funktion, bevor sie es süffisant lächelnd wieder ihrem Kind aushändigen.

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