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Markus Achatz: Andere Jugendwelten

    Zur Person

    On the Ice

    In der Programmsektion 14plus hat vor allem das Erstlingswerk On the Ice (USA, 2011) von Andrew Okpeaha MacLean auf allen Ebenen überzeugt. Dramaturgisch brillant verband der US-Independentfilm einen immer packender werdenden Plot mit spürbarer Nähe zu den Hauptfiguren und setzte die arktische Landschaft wie eine weitere ‚Hauptrolle‘ als Motor der Ereignisse und der subtilen Spannung ins Rampenlicht. Überhaupt bildeten das Licht und die Farben im Eis Alaskas in dieser Geschichte weit mehr als einen spektakulären Schauplatz. Die harten Bedingungen im Eis des Nordens sind ein wesentlicher Aspekt der Geschichte – als Exposition und in seiner Auflösung. Barrow/Alaska hat etwa 5.000 Einwohner, liegt direkt am Eismeer und ist die nördlichste Gemeinde der Vereinigten Staaten.

    Regisseur Andrew Okpeaha MacLean ist Iñupiat – ein Ureinwohner Alaskas – und weiß, wovon er erzählt. Er ist in Barrow aufgewachsen, dort wurde On the Ice auch gedreht. Autobiografische Bezüge sind nicht zu leugnen und selten bot das amerikanische Kino in den vergangenen Jahren eine so authentische und gleichzeitig sensible Darstellung des kulturellen Zwiespalts von Minderheiten. Weder verkrampft noch oberlehrerhaft führt er die Teenagerfreunde Qalli und Aivaag als Hauptfiguren ein, die sich im Spannungsfeld zwischen jugendlichem Sprach-Slang, Hip Hop-Kultur einerseits sowie Familienritualen und traditioneller Robbenjagd andererseits arrangieren. Statt mit Hundeschlitten wie früher oder mit Motorrädern wie Gleichaltrige heute in anderen Regionen der Welt cruisen die Kids hier mit ihren Motorschlitten durch die Gegend. Als Qalli und Aivaag mit James, einem Kumpel, per Schnee-Scooter zur Eiskante rausfahren, kommt es zu einem verheerenden Streit, an dessen Ende James tot ist. Die beiden Freunde versuchen das Unglück wie einen Unfall aussehen zu lassen. Ausgerechnet Qallis Vater, ein erfahrener Iñupiat, schöpft Verdacht, dass diese Variante der Geschichte nicht die volle Wahrheit ist. Qalli gerät sowohl durch die Nachforschungen seines Vaters als auch durch die Wankelmütigkeit Aivaags, der kaum mehr dicht halten kann, immer mehr unter Druck.

    Hauptdarsteller Josiah Patkotak stammt ebenfalls aus Barrow. Auf der Bühne des Premierenkinos konnte man über die Präsenz des 16-Jährigen mit der bärengleichen, tiefen Stimme staunen. Als er die Frage aus dem Publikum, wie er mit der Schauspielerei zurecht gekommen sei, lakonisch beantwortete: „It was fun, dude“, kam es einem beinahe so vor, als wäre der berühmte ‚Dude’ aus The Big Lebowski richtig harmlos. Die sieben Jugendlichen der 14plus-Jury vergaben den Gläsernen Bären für den besten Film 2011 an On the Ice: „Dieser Film hat uns von der ersten Minute an gefangen genommen und bis zum Ende kein einziges Mal losgelassen. Mit einfachen Mitteln wird hier zwischen Einsamkeit und unendlicher Weite eine Atmosphäre von erstickender Enge geschaffen.“ Zusätzlich erhielt der Film überraschend und doch verdient den Berlinale Preis für den besten Erstlingsfilm des Gesamtfestivals.

    Tomboy

    Der Eröffnungsfilm des diesjährigen PANORAMA war gleichzeitig ein Beitrag, der im Rahmen der Cross-Section auch Zuschauerinnen und Zuschauern der GENERATION empfohlen wurde. Behutsam schildert die französische Regisseurin Céline Sciamma in Tomboy (Frankreich 2011) das Gefühlsdilemma der heranwachsenden Laure. Sie ist fest davon überzeugt, kein Mädchen sein zu wollen. Laure ist mit ihrer Familie – Mutter, Vater und der jüngeren Schwester Jeanne – an einen anderen Ort gezogen. Es sind Ferien, alle Kinder spielen im Freien, aber niemand kennt Laure. Da sie sich wie ein Junge kleidet, nimmt sie die Gelegenheit wahr und stellt sich der gleichaltrigen Lisa als Mikael vor. Schnell findet sie Anschluss und fühlt sich pudelwohl in der neuen Clique, spielt mit den anderen Jungs Fußball und tobt durch die Gegend. Die Situation wird kompliziert, als sich Lisa und Mikael näher kommen und dann auch noch Laures Schwester Jeanne hinter das Geheimnis kommt. Zunächst kann Laure Jeanne dazu bringen, das Spiel mitzuspielen. Die kleine Schwester beginnt sogar Stolz auf ihren ‚großen Bruder’ zu sein. Als sich bei einem Streit eine Rauferei entwickelt und Mikael einen der Jungs verprügelt, stehen wenig später der Junge und seine Mutter vor der Türe bei Laures Familie und fragen nach Mikael …

    Regisseurin Céline Sciamma zählt schon jetzt zu den Vertreterinnen eines jungen, realistischen Kinos in Frankreich. Bereits mit ihrem Debüt Water Lillies erhielt sie 2007 in Cannes gute Kritiken. Das Drehbuch zu Tomboy stammt ebenfalls von ihr und ist die Grundlage für einen stimmigen und sensiblen Film, der vor allem auch hervorragend besetzt ist. Zoé Héran spielt Laure/Mikael mit allen Facetten und überzeugt besonders im Zusammenspiel mit Malonn Lévana (als kleine Schwester) und den Kids der Clique. Als Eltern sind mit Mathieu Demy und Sophie Cattani bekannte französische Darstellerinnen und Darsteller dabei. Tomboy versprüht stellenweise große Leichtigkeit, vermag aber dennoch das Publikum immer wieder in den realen Rollenkonflikt und die schwierigen Emotionen des Mädchens hineinzuziehen. Dem Film wurde hochverdient der Jury Award des Teddy-Filmpreises der Berlinale 2011 verliehen.

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