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Rebekka Leimig: Erwachsenwerden? Nein danke!

    Zur Person

    Die fünfzehndreivierteljährige Charleen ist eher eins von diesen blassen Augenring-Mädchen, die es nicht wirklich schaffen, glücklich und niedlich rüberzukommen. Oft scheint sie das Leiden der Welt auf den Schultern zu tragen und ist mehr Einzelgängerin als Cheerleaderin. Das Wachstum ihrer Brüste interessiert sie genauso wenig wie Schminktipps und pubertäres Jungsgehabe. Sie hört nur Musik von Leuten, die tot sind und macht ein Berufspraktikum beim Bestatter. In dieser Erwachsenwerden-Phase ist alles so fürchterlich kompliziert – am liebsten würde sie es einfach sein lassen. Und da beschließt sie aus einer schlechten Laune heraus, sich umzubringen. Doch was sich zunächst als einwandfreier Plan darstellt, läuft ordentlich schief. Statt im Jenseits erwacht Charleen mit einer Halskrause im Krankenhaus. Dabei war der Plan so einfach: ein bisschen gute Musik, eine halb volle Badewanne und ein Fön. Doch ein Telefonanruf der besten Freundin lenkt sie so sehr ab, dass sie glatt aus der Wanne fällt und dem Tod noch einmal von der Schippe springt. Ist ja mal wieder super gelaufen! Eigentlich wollte sie ja nur ihre Ruhe haben. Doch jetzt muss sie sich mit ihrer durchgeknallten Familie, einem kauzigen Psychologen und der humorlosen Tante vom sozialpsychiatrischen Dienst rumschlagen: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das irgendwem hätte erklären müssen!“ Doch das muss sie natürlich, allen voran der besorgten Mutter Sabine (Heike Makatsch). Vor allem hat sie die Nase gestrichen voll von ihrem Vater Jeff, einem Musiker und Tagträumer, den Charleens Mutter schon vor langer Zeit rausgeschmissen hat, und von ihrem Vater-Ersatz Volker (Simon Schwartz), der ausgerechnet auch noch ihr Biologie- und Sexualkundelehrer ist. Und auch ihr kleiner, verzogener Bruder Oscar (Lauritz Greve) geht ihr gehörig auf die Nerven. Doch wie geht es nach einem Selbstmordversuch weiter? Es folgen ein Versteckspiel mit der unglaublich unsympathischen Sozialarbeiterin, die regelmäßigen Besuche beim etwas unorthodoxen Kinder- und Jugend-Therapeuten und der Wiedereingliederungsprozess in der Schule. Eine Rettung aus ihrem eintönigen, nervigen Alltagstrott findet Charleen im Wartezimmer ihres Therapeuten: ihr Mitschüler Linus.

    Obwohl sie ihn einen doofen Streber nennt, entwickelt sich zwischen den beiden nach und nach eine humorvolle Freundschaft. Linus, der sie mit Witz und Beharrlichkeit umwirbt, zeigt Charleen, dass sie nicht die Einzige ist, die nicht in diese seltsame Welt zu passen scheint. Die beiden verbindet etwas – und schließlich kommt es sogar zu einem ersten Kuss. Doch dann wird Charleens neugewonnener Lebensmut erneut auf die Probe gestellt: Linus macht einen Rückzieher, Charleen und ihre beste Freundin Isa streiten sich heftig und ihre geliebte Oma Emmi stirbt. Diese einschneidenden Ereignisse führen Charleen vor Augen, dass das Leben ein Geschenk ist, das man nicht wegwerfen darf. Sie versöhnt sich mit Isa und küsst Linus ein zweites Mal: denn das Gegenteil vom Tod ist die Liebe. About a Girl ist eine knallharte, lustige Komödie über die Schwierigkeit des Erwachsenwerdens. In der Rolle der rebellischen Charleen ist die mit dem bayerischen Filmpreis ausgezeichnete Jasna Frizi Bauer zu sehen. Obwohl diese beim Dreh des Filmes schon 24 Jahre alt war, kauft man ihr den Teenie problemlos ab. Auch mit Heike Makatschals Mutter Sabine konnte der Jungregisseur Mark Mohnheim ein Hochkarat anwerben. Mit den einfallsreichen Dialogen aus ordentlichen Zickereien, neunmalklugen Jugendweisheiten und pubertärem Gefühlschaos, wie sie die meisten Eltern von zu Hause im Ohr haben, kommt der Film wenn auch in übertrie bener Art und Weise der Alltagswelt Jugendlicher überraschend nahe. Regisseur Mark Monheim schafft es mit Hilfe einer guten Portion schwarzen Humors, die sensiblen Themen der Jugend aufzugreifen: von Selbstzweifel, Unzugehörigkeitsgefühl und Weltschmerz bis hin zum Selbstmord.

    Mit diesem Film ist ihm ein Plädoyer für die Liebe und das Leben gelungen und das ganz ohne Kitsch. Es ist keine klassischkommerzielle Komödie, sondern ein Film, der sowohl zum beherzten Lachen also auch zum Nachdenken einlädt. So reiht sich About a Girl in besondere Jugend-Filme wie Juno oder Little Miss Sunshine ein, die mit ihrer schlagfertigen und rotzfrechen Art auch einfühlsam und bewegend sind. Ähnlich erfrischend und unverkrampft wie die Dialoge sind Monheim auch die Gestaltung und musikalische Untermalung gelungen. Charleens eingeblendete, surreale Tagträume lockern viele Situationen auf und sorgen immer wieder für einen kurzen Überraschungsmoment. Für den Film-Soundtrack wurde auf Musik von relativ unbekannten und jungen Musikerinnen und Musikern zurückgegriffen. So gliedert sich der Soundtrack ganz natürlich in die jugendliche Lebenswirklichkeit ein, ohne zu gewollt oder aufdringlich zu wirken. Der Bedeutung von Musik für junge Menschen wird Rechnung getragen und sie wird symbolisch mit den Inhalt des Films verbunden. So ist die Titelwahl About a Girl an den gleichnamigen Song des verstorbenen Kurt Cobain angelehnt – sowieso ist Charleens Zimmernur mit toten Musik-Legenden wie Jimmy Hendrix oder Amy Winehouse tapeziert; jungen Menschen, die nach gängiger Meinung viel zu früh aus dem Leben ausgeschieden sind.

    Der filmische Umgang mit dem Thema Tod ist bereichernd und wird im Jugendfilm viel zu oft vermieden. Doch dass man dieses Thema altersgerecht und humorvoll angehen kann, beweist About a Girl. Allerdings, so witzig und gut das Drehbuch und die Dialoge auch gelungen sind, ist der Handlungsverlauf etwas vorhersehbar und macht den Film dadurch gegen Ende zu einer etwas zähen Angelegenheit. Doch auch das Leben kann ja zuweilen etwas langatmig sein – vor allem, wenn man erwachsen werden muss.

    About a Girl

    Deutschland (2015), 105 MinutenRegie: Mark MonheimDarsteller: Jasna Fritzi Bauer, Heike Makatsch,Aurel Manthei, Simon Schwarz, Lauritz Greve,Dorothea WaldaVerleih: fp marketing & distributionFSK: 12 JahreKinostart: 23. Juli 2015

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