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Sophia Gesierich: Flucht hat viele Gesichter

    Zur Person

    Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) (2017).

    Refugee Eleven.

    Crossmediales Lernkonzept: 11-teilige Webserie und Arbeitsmaterialien für schulische und außerschulische Bildung. www.bpb.de/lernen/projekte/241079/refugee-eleven, kostenfrei.

    Im Jahr 2015 waren 65 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, einige von ihnen versuchen seitdem, in Deutschland Fuß zu fassen. Die große Anzahl an Geflüchteten im Alltag – sei es in derSchule, in der Freizeit oder am Arbeitsplatz – polarisiert und verunsichert zahlreiche Menschen.

    Vorurteile, einseitige Berichterstattung oder in sozialen Netzwerken verbreitete Lügen erschwereneine fundierte Meinungsbildung und ebnen den Weg für Rassismus.Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) bietet aufgrund dessen eine elfteilige Webserie an: Junge geflüchtete Amateurfußballer der Mannschaft Refugee11 aus Erftstadt bei Köln begegnen einer Profifußballerin und zehn Profifußballern, die alle selbst Fluchterfahrungen haben. Die Serie thematisiert auf diese Weise elf Schwerpunkte rund um den Komplex Flucht und Asyl, eingebettet in ein crossmediales Lernkonzept für schulische und außerschulische Bildung für 14- bis 24-Jährige. In jedem etwa dreiminütigen Clip tauschen ein Amateur und ein Profi ihre persönliche Geschichte aus – mit Fokus auf ihr jeweiliges Schwerpunktthema. Schriftliche Einblendungen fassen die wichtigsten Aussagen kompakt zusammen oder liefern zusätzliche Hintergrundinformationen.

    So wird abstraktes Wissen mit konkreten Beispielen und Erfahrungen untermauert. Situationen und Perspektiven von geflüchteten Menschen werden für jugendliche Zuschauende erfahrbar gemacht. Sehr hervorzuheben ist dabei die Barrierefreiheit, denn alle elf Videos gibt es in einigen Versionen: mit wahlweise deutschen, englischen, französischen oder arabischen Untertiteln, mit Audiodeskription, SDH-Untertitel und in Gebärdensprache.Die vorgeschlagene Reihenfolge der Webserie Refugee Eleven orientiert sich an der Chronologie eines Fluchtverlaufs: Zunächst werden Fluchtursachen beleuchtet, woraufhin konkrete Erfahrungen während der Flucht thematisiert werden. Um das Asylrecht (besser) zu verstehen, gibt es die drei Folgen Asylrecht, Asylentscheidung und Abschiebung. Weitere Videos zeigen auf, wie Geflüchtete teilweise ankommen, wie nervenaufreibend eine Phase des Wartens sein kann, wie manche mit erlebter Ablehnung umgehen und wie eigentlich jede und jeder Geflüchtetegezwungen ist, sich mit der eigenen Identität und einem neuen Heimatverständnis auseinanderzusetzen. Auch zur Integration sowie zu Sprache und Ausbildung gibt es eigene Folgen.

    Ziel ist es, Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Situation geflüchteter Menschen nachvollziehbar und informativ darzulegen. Dazu werden die verschiedenen Stationen und persönlich erlebten Phasen aus Sicht der Geflüchteten selbst thematisiert. Verbindendes Glied zwischen den Dialogpartnerinnen und -partnern ist die Liebe zum Fußball – ein kulturelles Phänomen, das angenehm unangestrengt eine gemeinsame Basis schafft und etwaige Exotik der Geflüchteten durch Nähe und Gemeinsamkeit ersetzt und vermittelt. Konkrete Fragen und Antworten wie ‚Woher wusstet ihr, in welcher Richtung Deutschland liegt?‘ – ‚Durch das GPS am Handy‘ wirken die Flucht und die kulturellen Hintergründe der jungen Protagonistinnen und Protagonisten weniger abstrakt und damit für die Zielgruppe besser nachvollziehbar.Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hält auf ihrer Website zudem Arbeitsmaterialien bereit, womit die jeweiligen Themen vertiefend behandelt werden können. Diese Einheiten des crossmedialen, integrativen Lernkonzepts, die online und als Lehr- und Aktionsheft mit DVD verfügbar sind, regen zur intensiveren Auseinandersetzung mit den Ursachen, Folgen und Erfahrungen an.

    Aufgrund vielfältiger Ansätze eignen sich die Materialien dabei sowohl für Willkommensklassen und als Basis für Kurzvorträge und Diskussionen, aber auch für Gruppenarbeiten am PC oder zur Mediationsübung. Das vermittelte Wissen befähigt Jugendliche, Vorurteile zu hinterfragen, Medienberichterstattung kritisch zu reflektieren und eine eigene Position zu entwickeln, die bestenfalls gegenüber Mitmenschen in der Schule oder im Freundeskreis vertreten werden können.Das Material eignet sich bestens zum Einsatz in der schulischen und außerschulischen Bildung. Denn durch die Strukturierung des Programms in elf Kurzfilme, themenspezifische Arbeitsblätter und Sachtexte kann die Intensität, mit der die Themen behandelt werden, individuell auf die Lerngruppe, -situation oder auch die zeitlichen Kapazitäten abgestimmt werden. Eine Rezeption der Kurzfilme ohne die Bearbeitung der Arbeitsblätter kann als Anstoß für eine Diskussion oder als Einleitung themenverwandter Projekte verwendet werden.

    Auch bauen die Kapitel positiver Weise nicht aufeinander auf, sondern arbeiten vielmehr mithilfe einer sehr verständlichen Umsetzung für sich selbst stehende Schwerpunkte heraus. Die Sprache ist einfach gehalten, komplexe Sachverhalte einschließlich verwendeter Fachtermini werden anschaulich erläutert, sodass durchweg ein niedrigschwelliger Zugang zum Thema Flucht, Asyl und Integration gewährleistet wird. Dies vergrößert das potenzielle Zielpublikum und macht die recht weite Altersspanneder Nutzergruppen realistisch.Insgesamt ist Refugee Eleven ein sehr empfehlenswertes Lehr- und Informationsprogramm. Auch eignet sich das gewählte Format des Kurzfilms für 14- bis 24-Jährige besonders, ebenso die Auswahl junger Protagonistinnen und Protagonisten. Das Lernprogramm zur Webserie hebt sich durch die Crossmedialität von reiner Sachvermittlung durch Schulbücher ab und vermittelt wichtiges Hintergrundwissen zeitgemäß lebendig. Die Ernsthaftigkeit der Darbietung wird dem Thema gerecht, ohne in Mitleidsmelancholie zu versinken.

    Besonders gut umgesetzt ist der Dialog zwischen einem Jugendlichen, der noch relativ frisch in Deutschland ist, und einem Gesprächspartner, der Deutschland bereits zu seiner Heimat gemacht hat. So erhaltenZuschauende einen Einblick in eine mögliche Zukunft Geflüchteter. Gleichzeitig wird die Wichtigkeit funktionierender Integration betont, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben.Ergänzend zur Webserie kann übrigens auch der Dokumentationsfilm Heimat Fußball – Refugee 11 von Jean Boué zum Lehrprogramm hinzugezogen werden. Der Film ist parallel zum Webvideoprojekt entstanden und begleitet die Fußballmannschaft des 1. SC Germania Erftstadt-Lechtenich IV, bestehend aus 27 geflüchteten Spielern aus 16 Ländern, in ihrer ersten Saison. Beleuchtet werden dabei insbesondere drei Einzelschicksale, die die näheren Lebensumstände in Bezug auf die Hoffnung auf eine langfristige Eingliederung, Arbeit und Wohnung in Deutschland erfahrbar machen.

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