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Stefan Piasecki: Deutsche Kinderhilfe e. V. nutzt Computerspiele

    Zur Person

    Angekündigt wird das kostenlos abrufbare Spiel als „spannendes Detektivcomputerspiel“ mit einer prospektierten Spieldauer von 45 Minuten. Ziel des Spiels ist es, Kinder „eigenständig und altersgerecht Medienkompetenz kennenlernen“ zu lassen. Begründet wird die Notwendigkeit dieses Ansinnens damit, dass zwei Drittel der Kinder in Deutschland einen PC besäßen und „bereits 10-Jährige über größtenteils ein Handy oder ein Smartphone verfügten“. Daher sei es von Bedeutung, dass ihnen ein „verantwortungsbewusster Umgang mit den neuen Medien beigebracht würde“ (welche für die Zielgruppe der digital natives jedoch kaum „neue Medien“ sein dürften!).

     

    Installation und Technik

    Für welchen Computer und welches Betriebssystem das Spiel genau vorgesehen ist, wird übrigens nirgendwo verraten. Eine Testinstallation (Entpacken des Zip-Verzeichnisses reicht) und der Start des Programms unter Windows XP waren jedoch erfolgreich. Eine Spielanleitung findet sich auch innerhalb des Verzeichnisses und im Spiel selbst nicht. Das Spielfenster öffnet sich in einer festen Größe, die Anpassung an die generelle Bildschirmauflösung scheint nicht möglich. Wer demnach in hohen Auflösungen arbeitet, muss das Spiel möglicherweise sehr klein erleben. Auch reagieren die Menüs nicht auf Mausaktionen, das Spiel ist mit der Tastatur zu steuern. Die Spiel- und Auswahlmöglichkeiten sind recht limitiert und lassen nur wenig mehr zu, als gerade vorgesehen ist. So kann in der anfänglichen Straßenszene nur exakt auf dem Gehweg gelaufen werden oder man muss den Zebrastreifen nutzen. Bis auf die Spielfigur – Luca – und die auftauchenden Texttafeln ist die Landschaft kaum animiert. Autos repräsentieren lediglich den Verkehr, indem sie mitten auf der Straße stehen, obwohl man Verkehrsgeräusche hören kann. In Level 2 hüpfen wenigstens Kleintiere über den Rasen. Geschehen dramatische Ereignisse (eine Texttafel wird eingeblendet), ändert sich die Musik.

     

    Spielgeschehen und Interaktivität

    Interaktion ist kaum möglich. Beispiel: Luca erfährt gleich zu Beginn, dass eine Freundin von anderen Jugendlichen gemobbt wird und soll zur Hilfe eilen. Als sie an einem Süßigkeitenstand vorbeikommt, wird sie angesprochen, ob sie etwas kaufen will, sie kann jedoch nur ablehnen, nicht aber um Hilfe bitten. Erreicht sie die Freundin, gibt es nur die Möglichkeit, sich ihr von der Straßenseite her zu nähern und es kann nur dort eine Aktion ausgeführt werden (Leertaste), die erneut einen Textbildschirm aufbringt. Die Freundin bittet um Hilfe. Mehr geschieht nicht. Spricht Luca mit ihren Gegnerinnen, erhält man ein neues Textfeld mit vier Möglichkeiten: „Kämpfen“, „Haut ab“, „Seid nett“ und „Andere Lösung“. „Kämpfen“ bringt den guten Rat, dass Gewalt keine Lösung sei.

    „Haut ab“ erntet eine gegnerische Drohung, „Seid nett“ provoziert die Frechheit, Luca möge doch „Bitte“ sagen und „Andere Lösung“ bringt die Gegner immerhin dazu festzustellen, dass sie hungrig sind und Luca kommt auf die Idee, sie könne die Bedränger ihrer Freundin mit Essen fortlocken. Am Süßigkeitenstand will man ihr helfen, verlangt aber, dass sie eine Aufgabe übernimmt und Müll wegbringt. Die erledigte Aufgabe wird mit einem hübschen Grafikeffekt und einem ‚magischen‘ Sound quittiert. Der Süßigkeitenverkäufer lockt also einen der Peiniger zu sich, so dass Luca mit dessen Komplizin Klara fertig wird und ihre Freundin befreit. Zur Belohnung verspricht eine Texttafel „10 Euro Taschengeld“. Danach treffen sie eine weitere Freundin, Trixi, die ihren Hund sucht. So erscheinen die Spielaktionen doch sehr vorbestimmt – insbesondere für eine Zielgruppe, die sich aus diversen App-Stores jederzeit umfangreiche und interaktive Unterhaltungsangebote vielfach kostenlos laden kann. Die Taste „Q“ ruft in vielen Kapiteln Tipps auf, die auch im echten Leben weiterhelfen sollen. Es sind allerdings stets die gleichen und es wird jeweils der letzte Tipp erneut aufgerufen.

     

    Zwischenwertung

    - Grafik: schön, entspricht Konsolenspielen der frühen 90er Jahre- Musik: Titelmusik schmissig, Melodie im Spiel in den ersten Minuten nett, dann bald unerträglich eintönig- Sound: Soundeffekte klar und zweckmäßig

    - Spielerleben: Das Spiel wird mit den Pfeiltasten sowie der Leertaste/RETURN gesteuert, Q bringt Texttafeln mit Tipps hervor.

     

    Fazit

    Wem wird das Spiel nun gefallen? Grafik und Aufmachung sind insgesamt als schön zu beschreiben, die tatsächliche Benutzbarkeit ist jedoch äußerst begrenzt, der Ablauf linear. Es geht stets darum zu erraten, was wohl nun wound wie getan werden muss. Damit schreitet das Spiel noch hinter den Entwicklungsstand von Konsolenspielen der frühen 90er Jahre zurück. Die Spiellandschaft lässt sich nicht nutzen, die Spielfigur kann Felder betreten oder eben nicht. Es erscheint daher fraglich, wer angesprochen werden soll und letztlich angesprochen wird und was der Zweck ist. Die Texttafeln sind zu klein und die Texte zu kurz, um medienpädagogische Hinweise und Hilfen zu vermitteln, die über Allgemeinwissen hinausgehen. Ein interaktiver Comic hätte möglicherweise mehr bewirkt. Luca und ein geheimnisvoller Sommer vermittelt den Eindruck, als hätten pädagogisch motivierte und überzeugte Nichtspieler unbedingt ein Spiel produzieren wollen, ohne sich mit dem Medium, der Zielgruppe, dem Markt oder Prämissen von Medienpädagogik auseinanderzusetzen. Da dies leider sehr häufig der Fall ist, wird die Reserviertheit der angestrebten Zielgruppe gegenüber ‚gut gemeinter‘ Unterhaltung von Ministerien oder Verbänden und Institutionen verständlich. Werbespiele machen da oft mehr Spaß.

     

    Anmerkungen

    Ob übrigens die Namensähnlichkeit zu dem mit FSK 16 bewerteten Film Ein verhängnisvoller Sommer aus dem Jahr 2008, in dem es um die emotionalen und sexuellen Erlebnisse eines jungen Mannes im Pittsburgh der frühen 80er Jahre geht, intendiert war, wird leider nicht deutlich. Etwas unglücklich ist zudem die Außendarstellung des Spiels gelungen: Auf der Webseite des Auftraggebers, der Deutschen Kinderhilfe e. V. in Berlin (www.kindervertreter.de), findet sich das Spiel zwar momentan mit Datumsvermerk vom 04.02.2015 prominent auf der Hauptseite (unter „Aktuelles“), allerdings führen die Links jeweils nur zu neuen kleineren Texthäppchen. Wer mehr wissen will, muss unter → Projekte/Bildung suchen. Das dürfte bedeuten, dass das Spiel, wenn erst einmal aktuellere Meldungen diesen Eintrag verdrängt haben, nicht mehr so oft aufgesucht und gefunden wird. Auch die als Kooperationspartner aufgeführte Firma Waza-Games in Berlin, die übrigens unter den wichtigen Hauptmenüpunkten „Gamification“ und „Serious Games“ auf ihrer Homepage kaum informative Erläuterungen vorhält und als „Best Practice“-Beispiele ältere Produktionen anderer Firmen bewirbt, weist dieses Spiel ebenfalls nicht aus – gleichwohl die Deutsche Kinderhilfe wiederum als Kooperationspartner angegeben wird.

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    Kathrin Demmler | Prof. Dr. Bernd Schorb
    JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

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