Susanne Eggert: Grundschulkinder fit machen fürs Internet
- Internet
Zur Person
Jäcklein-Kreis, Elisabeth (2016). Erste Hilfe ins Internet. (Kriterien zur) Beurteilung von Unterstützungsangeboten für Kinder. München: kopaed. 506 S., 27,80 €.
„Auch und gerade für Kinder, die bereits vor dem Grundschulalter Erfahrungen im Umgang mit online agierenden Medien gesammelt haben, scheint es angebracht, […] unterstützend zu wirken, denn auch ihre Mediennutzung erfährt mit dem Schuleintritt eine Zäsur: Wo vorher Spiel und Unterhaltung über bekannte Apps oder voreingestellte Lesezeichen möglich war, eröffnet die neu erworbene Lese- und Schreibfähigkeit nun ganz andere Wege der Nutzung und Aneignung.“ (S. 46) Dieses Zitat aus der Dissertation von Elisabeth Jäcklein-Kreis, die als Band 3 in der von Gudrun Marci-Boehncke und Matthias Rath herausgegebenen Schriftenreihe MedienBildungForschung erschienen ist, fasst das Anliegen der Autorin zusammen, das sie dazu bewogen hat, sich mit der Palette an Angeboten zu beschäftigen, die dazu beitragen sollen, Kinder bei der Entwicklung eines souveränen Umgangs mit dem Internet zu unterstützen. Eine zentrale Rolle spielt aus ihrer Sicht dabei die Grundschule als Vermittlerin wichtiger Kompetenzen für eine souveräne Lebensführung. Diese Sichtweise teilt sie mit der Wissenschaft, der Politik und auch den Eltern. Sie stellt jedoch fest, dass Medien in der Schule „längst keinen adäquaten Platz" gefunden haben.
In der großen Mehrheit der Bundesländer gibt es bisher nur vage Ideen und Anregungen in den allgemeinen Teilen der Lehrpläne sowie einen sehr unklar gefassten Medienbegriff“ (S. 120). Das erste Kapitel ist nicht nur eine Einführung in das Thema, sondern gleichzeitig ein engagiertes Plädoyer für die Verankerung von Medien und Medienerziehung in der Grundschule. Folgerichtig soll die Arbeit auch dazu dienen, motivierten Lehrkräften Anhaltspunkte für die Bearbeitung des Themas Internet im Unterricht zu liefern. Auf stattlichen 500 Seiten überprüft Jäcklein-Kreis Materialien in Printform oder als Online-Angebote unterschiedlicher sowohl kommerzieller als auch nicht-kommerzieller Anbieter, die dazu beitragen sollen, Kindern im Grundschulalter den richtigen Weg ins Internet zu weisen. Zunächst setzt sie sich dabei mit den Begriffen der Medienkompetenz, Medienbildung und Medienerziehung auseinander und stellt einschlägige Definitionen sowie relevante Positionen vor, um anschließend die Bedeutung und Verwendung der Konzepte im Rahmen ihrer Arbeit zu umreißen.
Als Grundlage der anschließenden Analyse – dem Kernstück ihrer Dissertationsschrift – identifiziert Jäcklein-Kreis verschiedene Menschenmodelle, an denen sich die Materialien orientieren, sowie unterschiedliche Sichtweisen auf Medien und damit verbundene medienpädagogische Ansätze, die den Materialien zugrunde liegen und deren Ausrichtungen und Zielsetzungen beeinflussen. In der Auseinandersetzung mit diesen erarbeitet sie Kriterien, entlang derer sie die Analyse der Materialien durchführt, und entwickelt anschließend ein Raster, das eine differenzierte Einordnung der Materialien ermöglicht.
Die Analyse von 25 ausgewählten Materialien nach formalen, didaktischen und inhaltlichen Merkmalen macht deutlich, dass der Großteil der Broschüren, Bücher und Online-Angebote zur Unterstützung von Kindern bei der Entwicklung eines souveränen Umgangs mit dem Internet ein endogenistisches Menschenmodell zugrunde legt, das weder dem Kind selbst noch dessen Umwelt eine aktive Rolle bei der Entwicklung von Medienkompetenz zuschreibt, sondern davon ausgeht, dass es sich bei der Entwicklung eines Kindes um einen vorgegebenen Fahrplan handelt, der jedoch darin unterstützt werden kann, wie schnell ein Ziel erreicht wird. Lenkt man den Blick dabei auf Materialien, die sich an Eltern richten, so weisen diese eine Tendenz zu einer bewahrpädagogischen Sichtweise auf, während an pädagogische Fachkräfte gerichtete Angebote eher darauf ausgerichtet sind, ein reflektiertes Medienhandeln zu unterstützen. Materialien, die Kinder adressieren, verfolgen tendenziell ein aufklärerisches Ziel und setzen darauf, Kindern die Bedeutung von Medien an sich, deren Funktionsweisen sowie Potenziale und Gefährdungen aufzuzeigen.Elisabeth Jäcklein-Kreis hat mit dieser Arbeit einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, medienpädagogische Unterstützungsmaterialien, die sich an Eltern, pädagogische Fachkräfte aber auch an Kinder selbst richten, einzuschätzen und anhand verschiedener Kriterien für den eigenen Bedarf auszuwählen. Dennoch bleibt die Leserin bzw. der Leser am Ende der Lektüre ein wenig unbefriedigt und ratlos zurück. Dies liegt einerseits daran, dass die eingangs gestellte Frage nach der Tauglichkeit von medienpädagogischen Materialien für den Einsatz im Rahmen des Unterrichts in der Grundschule nicht zufriedenstellend beantwortet wird. Hinweise darauf geben die Ergebnisse der Analyse, deren Anwendbarkeit jedoch eine Herausforderung bedeutet. In einer umfänglichen Tabelle stellt Jäcklein-Kreis die Bewertung der analysierten Angebote dar und macht sie damit auch vergleichbar. Da diese Tabelle aufgrund der darin enthaltenen Fülle von Informationen nicht auf eine Buchseite passt, steht diese auch online als PDF-Datei zur Verfügung, was an sich eine positive Lösung ist. Allerdings fehlt bei der Grafik im Netz eine Legende, die die Verwendung der Farben erläutert, so dass diese nur gelesen werden kann, wenn das Buch daneben liegt. Insgesamt ist die Verwendung von Grafiken im Buch nicht sehr gelungen. Dies betrifft insbesondere diejenigen Abbildungen, die Ergebnisse differenziert und ‚materialgenau‘ darstellen und in denen pro Material eine eigene Farbe, das heißt ein anderer Grauton verwendet wird (z. B. Abb. 47). Diese Abbildungen enthalten eigentlich interessante Informationen, die der Grafik jedoch nicht zu entnehmen sind. Hier wäre es sinnvoller gewesen, auf die Abbildungen zu verzichten und die wichtigsten Ergebnisse im Text darzustellen.
Unter dem Strich liefert die Arbeit zum einen eine gründliche Einschätzung der Bedeutung von Medien in der Grundschule, indem sie die Ist-Situation beschreibt und daraus die entsprechenden Konsequenzen zieht. Zum anderen bietet sie einen fundierten Kriterienkatalog zur Einschätzung und Beurteilung medienpädagogischer Materialien und leistet dadurch einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Kindern im Grundschulalter bei der Entwicklung eines souveränen Medien- und Internetumgangs.
Susanne Eggert ist stellvertretende Leiterin der Abteilung Forschung des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Ihre Schwerpunkte sind Medien in der Familie sowie Medien und Migration.