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Swenja Wütscher: Ich sehe was, was du nicht siehst!

    Zur Person

    Leutnant Commander Geordi La Forge, mitten in der Fußgängerzone der bayerischen Landeshauptstadt! Für alle Nicht-StarTrek-Fans, es ist der Chefingenieur aus jenem Universum, der durch seinen Visor unverkennbar ist. Naja, zumindest fast. Denn auf den zweiten Blick erkenne ich, dass es weder er persönlich noch irgendein Fan der Weltraumserie ist, sondern einer von den noch zählbaren Datenbrillenträgerinnen und -trägern. Einer von denen also, die sich auf ihrem Zaubernasenfahrrad über ein Mikrodisplay Informationen in ihr natürliches Sichtfeld einblenden lassen können; eine kleine Kamera zur Bildanalyse und zur (unbemerkten) Aufnahme von Fotos und Videos inklusive.

    Es ist mein erstes Mal. Gelesen habe ich zwar schon so einiges über die neue Technologie – vor allem im Bezug auf das Projekt des Internetgiganten Google Glass –, aber in diesem Moment werde ich erstmalig völlig unvorbereitet mit der vollen Breitseite des Geräts konfrontiert. Und das spaltet bekanntlich nicht nur Sichtfelder, sondern auch Gemüter: Spielerei für Vollnerds oder Meilenstein der Technik, Prototyp oder Revolution, treuer Assistent oder Big Brother?! „Der macht nichts, der will nur spielen“, ist das Erste, was mir in den Kopf schießt. Ein Satz, den ich bisher primär mit Hundebesitzerinnen und -besitzern verbunden hatte und der bei mir als bekennende Person mit Hundephobie direkt die Alarmglocken schrillen lässt. „Spielen also, ich will aber nicht spielen. Und noch weniger möchte ich, dass mit mir gespielt wird.“ Aber diesmal ist es anders, um einiges unangenehmer. Es ist, als würde ein solch tierischer Vierbeiner nicht nur mit mir spielen wollen, sondern als würde er dabei zusätzlich eine Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern tragen. Er hat mich damit vollkommen im Blick, ich wiederum muss meine Kontrolle über ihn bei meinem Spiegelbild abgeben, an die dunkle Seite der Gläser.

    Ein analoges Fahrradklingeln lässt mich aufschrecken. Mein Blick nimmt nun auch die anderen Passanten wieder wahr. Ich realisiere, dass um mich herum offensichtlich ziemlich viele Personen nicht spielen wollen. Oder denken die etwa immer noch, Leutnant La Forge sei in der Stadt? Das ist es also, das Corpus Delicti der Neuzeit, das polarisiert. Es ist der Kleincomputer auf meiner Nase, der mir stetig nützliche Informationen liefern kann, aber gleichzeitig auch der Kleincomputer auf deiner Nase, der mich gefühlt immer beobachtet, ausspäht und dokumentiert. Ich aber liebe meine Freiheitsrechte und bin überzeugt davon, dass Datenschutz trotz des stetigen Bedürfnisses nach Vernetzung und Kommunikation keine veraltete Idee ist. Im Gegenteil. Ich glaube, dass er sich seit der Erfindung des Telefonbuchs vorbildlich weiterentwickelt hat. Und genau das macht mich so rasend. Dieses Armutszeugnis einer ach so modernen Branche, die selbstverliebt stetig neues Spielzeug kreiert, statt die Geißeln und Wächter der Menschheit zu bekämpfen.

    Wie ich derzeit die Zukunft durch meine rosarote Brille sehe? Nun gut, moralische Werte, Privatsphäre und Datenschutz mögen in ihrer jetzigen Form gegen das Gadget langfristig verlieren bzw. sich der gläserne Mensch mit diesen revolutionieren. Aber solange ihr Akku noch schwach ist und ein Blick in den Spiegel noch an eine Science Fiction-Serie erinnert, so lange wird sich die Datenbrille glücklicherweise niemals als Alltagsgegenstand durchsetzen!

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    JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

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