Elif Binici
Beiträge in merz
Elif Binici: Among Us. Das Kultspiel im Lockdown
InnerSloth (2018). Among Us. App unter anderem für iOS, Android, Steam, Nintendo Switch. Kostenlos für mobile Endgeräte, 3,99 € für PC.
Trotz einer pandemiebedingten Isolation müssen Spielende dank ‚Among us‘ nicht auf den Spieleabend mit Freund*innen verzichten. Bereits 2018 haben die Entwickler*innen des US-amerikanischen Indie-Studios InnerSloth eine digitale Adaption des Gesellschaftsspiels auf den Markt gebracht. Anfangs nur als kleines Spiel gedacht, erfährt ‚Among Us‘ im Sommer 2020 einen regelrechten Hype, als Nutzende der Streaming-Plattform Twitch das Online-Game für sich entdecken. In Corona-Zeiten, in denen Online-Spiele ohnehin große Beliebtheit genießen, schafft es das Indie-Unternehmen sogar einen neuen Rekord aufzustellen: Gemäß der Daten des Marktforschungsinstituts Superdata hat die Gaming-App im November 2020 mit 500 Millionen aktiven Nutzer*innen mehr monatliche Spieler*innen vorweisen können als je ein Spiel zuvor.
Dabei ist das Spielprinzip sehr simpel und sowohl für eingefleischte Gamer*innen als auch für komplette Neueinsteiger*innen geeignet. Vier bis zehn Spieler*innen besiedeln ein beschädigtes Raumschiff oder eine Basis. Ihre Aufgabe ist es durch kleine Minispiele Wartungsarbeiten zu erledigen, um die Flugtauglichkeit zurück zu erlangen. Es gibt jedoch einen Haken: Unter die Crewmitglieder haben sich ein bis drei Hochstapler*innen geschlichen, sogenannte ‚Imposter‘. Diese werden zu Beginn der Partie ausgelost. Während die Betrüger*innen die wahre Identität voneinander kennen, sind die Besatzungsmitglieder ahnungslos. Ihr Ziel ist es die Mission der Crew zu sabotieren und jene nach und nach auszuschalten, ohne selbst entlarvt zu werden. Um unauffällig zu meucheln, können jene im Gegensatz zu den ‚normalen‘ Crewmitgliedern durch Lüftungsschächte kriechen. Das Astronaut*innenteam kann den Sieg jedoch für sich entscheiden, wenn alle Aufgaben abgeschlossen sind, bevor die Truppe gänzlich eliminiert worden ist oder sie es schaffen, sämtliche Übeltäter*innen zu überführen.
Den Mitspieler*innen ist es dabei nur möglich, sich während der Notfallsitzungen auszutauschen, denn nur dann ist der In-Game-Chat aktiviert. Die Besprechung kann einberufen werden, sobald die Leiche eines Crewmitglieds gesichtet oder der Notfallknopf betätigt wurde. Abhängig von den Einstellungen, kann diese Funktion von jeder*m Spielenden nur einmal pro Spiel genutzt werden. In der Beratungsrunde wird im Textchat darüber diskutiert, wer eine*r der Übeltäter*innen sein könnte. Hierfür werden einander Beobachtungen geschildert, die auffällig erschienen und gegenseitige Verdächtigungen angestellt: Warum hat der gelbe Astronaut die Leiche nicht gemeldet, obwohl er sich in unmittelbarer Nähe befand? Wie konnte das rote Männchen so schnell von einem Ort zum anderen gelangen? Es lohnt sich daher das Umfeld im Blick zu behalten. Doch Achtung, die Bösen werden ihre Schuld abstreiten, falsche Fährten legen, um von sich abzulenken und Falschanschuldigungen tätigen, um die anderen Spieler*innen davon zu überzeugen, dass sie eine*r der Guten sind. Am Ende der Diskussionsrunde wird ein*e Verdächtige*r per Mehrheitsentscheid des Raumschiffes verwiesen. Erst nachdem jemand über Bord geworfen wurde, wird aufgelöst, ob es sich dabei tatsächlich um eine*n Widersacher*in oder doch um eine*n Unschuldige*n gehandelt hat.
Logisches Denken, Überzeugungskraft und eine gute Auffassungsgabe sind gefragt um, je nach Rolle, diese Täuschungsmanöver zu erkennen oder die Crew zu überlisten.
Im Google Play Store ist das Multiplayer-Game entsprechend des IARC-Systems mit einer Freigabe ab sechs Jahren gekennzeichnet, im Apple Store hingegen ab neun. Weder auf der Homepage der USK noch der des PEGI sind derzeit Angaben zur Altersbeschränkung zu finden. Aufgrund der abstrakten Cartoon-Grafiken, der überspitzten Darstellungen der Todesanimationen (die lediglich für wenige Sekunden zu sehen sind und auch nur dann, wenn man selbst das Opfer war) und des leichten Einstiegs empfiehlt der Spieleratgeber NRW die Nutzung schon ab acht Jahren. Im November 2020 wurde das Deduktionsspiel mit dem Pädagogischen Medienpreis 2020 des Studio im Netz e.V. München (SIN) ausgezeichnet, dabei wurde die Altersstufe ab zwölf angesetzt. Besonders die spannenden Gruppendynamiken, die das Strategiespiel auf Grund seiner Interaktivität hervorrufe, seien Grund für den Preis gewesen.
Das Spiel fördert in der Tat die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, denn nur durch die enge Zusammenarbeit der Spieler*innen ist es möglich das Endziel zu erreichen und die Tricks der Gegenspieler*innen zu durchschauen. Als Möglichkeit zur Schlichtung oder Konfliktbewältigung in Gruppen hat es ebenfalls einen pädagogischen Nutzen. In Schulen oder in der Jugendarbeit kann das Spiel insbesondere zum Kennenlernen und zum Aufbau einer Gemeinschaft eingesetzt werden. Zudem kann anhand des Spiels über die Debattenkultur, demokratische Strukturen, wie etwa Abstimmungen und Entscheidungsprozesse reflektiert werden.
‚Among Us‘ lässt sich in drei verschiedenen Optionen spielen. So kann es im öffentlichen Modus mit neun zufälligen Mitspieler*innen gespielt werden. Hier ist der Kontakt mit Fremden unmittelbar. Unangebrachte Nachrichten können durch einen Filter im Chat zwar zensiert werden, jedoch werden die Diskussionen nicht moderiert. Auch wenn der Zeitraum eingeschränkt ist, in dem der Chat aktiv ist, bleibt es dadurch möglich über jegliche Themen zu schreiben, die nicht unbedingt mit dem Spiel zu tun haben müssen. Personen mit Hintergedanken könnten etwa persönliche Informationen erfragen, weshalb Eltern empfohlen wird, einen Blick auf die Gruppe zu haben, mit der das Kind interagiert, diese auf Gefahren des offenen Chats hinzuweisen und/oder den privaten Spielmodus vorzuziehen. Im privaten Modus kann mit lokalen Spieler*innen, also mit Personen gespielt werden, die im gleichen WLAN eingeloggt sind, oder über das Teilen eines Freischaltcodes, welcher den Zugang zu einem privaten Spielraum ermöglicht, sogar mit Familie und Freunden, die nicht dem eigenen Hausstand angehören. Dem virtuellen Spieleabend steht damit nichts mehr im Wege.
Auf allen Plattformen können kostenpflichtig Zusatz-Items per In-Game-Kauf erworben werden. Diese sind jedoch nicht zwingend notwendig. Seit dem 15. Dezember ist auch eine Version für die Nintendo Switch verfügbar. Auch auf anderen Konsolen sollen in Zukunft in digitalen Sphären Hochstapler*innen identifiziert werden können. Derzeit ist es nicht möglich, das Spiel auf Deutsch zu spielen. Updates mit neuen Features und mehr Sprachen sind jedoch in Arbeit.
Elif Binici: Prinzing, Marlis/Debatin, Bernhard/ Köberer, Nina (Hrsg.) (2020). Kommunikations- und Medienethik reloaded? Wegmarken für eine Orientierungssuche im Digitalen. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. 341 S., 69,00 €.
Die Corona-Pandemie hat den Digitalisierungsprozess der Medienwelt weiter beschleunigt. Dieser Wandel stellt auch die Medienethik vor neue Herausforderungen und erfordert eine Reflexion. Sind bestehende Konzepte und Modelle der Kommunikations- und Medienethik noch tragfähig? Wo gibt es Handlungsbedarf? Diese Fragen standen bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Mittelpunkt der Jahrestagung 2019 der ‚Fachgruppe Kommunikations- und Medienethik‘ der DGPuK, die in Kooperation mit dem Netzwerk Medienethik und der Akademie für Politische Bildung Tutzing stattfand. Forschende und Praktiker*innen standen im Austausch, um Erfahrungen aus der Praxis mit Erkenntnissen aus der Wissenschaft zu verknüpfen und dadurch Ansätze zur ethischen Orientierung in der digitalen Gesellschaft zu erarbeiten. Der Sammelband bündelt die Tagungsbeiträge und ergänzt sie mit weiterführenden Aufsätzen. In vier Abschnitten werden neben den theoretischen Grundlagen auch die digitale Innovation, Sachverhalte und Deutungen in postfaktischer Zeit und das Publikum thematisiert.
In einem abschließenden Kapitel folgt die exemplarische Darlegung von Konsequenzen für das Forschungsfach und die Verortung des Stellenwerts von Medienethiker*innen im öffentlichen Diskurs. Die Publikation liefert einen fundierten Einblick in den aktuellen medienethischen Diskurs, leistet einen Beitrag zur methodischen und inhaltlichen Entwicklung des Faches und ist insbesondere eine Grundlegung für die Interdisziplinarität der Debatte.
Durch diese Herangehensweise richtet sie sich sowohl an Fachkräfte aus der Medien- und Kommunikationswissenschaft als auch an Medienschaffende, Politiker*innen, Medienpädagog*innen und sämtliche Interessent*innen, die ein interdisziplinäres Verständnis von Digitalisierung vorweisen. Diesen sei auch die Schriftenreihe ‚Kommunikation und Medienethik‘ empfohlen, deren elften Band ‚Kommunikations- und Medienethik reloaded‘ darstellt.