Dieter Brinkmann
Beiträge in merz
Dieter Brinkmann: Alles Action - oder was?
Erlebniswelten wurden in den letzten Jahren bereits von vielen Seiten beleuchtet, analysiert und theoretisiert. Sie wurden als Konsumwelten mit multifunktionalem Angebots-Mix erkannt, beschrieben und kalkuliert, als Tschernobyl der Kultur gegeißelt, als Traumwelten und Abgrund von Künstlichkeit und Kitsch verschrieen. Oder sie wurden als Kathedralen des 21. Jahrhunderts überhöht und verklärt, geliebt von einem vergnügungssüchtigen Massen-Publikum. Doch kann man Erlebniswelten auch als „Lernorte“ betrachten? Kommt jetzt die „erlebnisorientierte Pädagogik“ und fragt: Kann man in Erlebniswelten auch etwas lernen? Sollte man in ihnen etwas lernen können? Und wie könnte eine Qualifizierung der Lernförderung aussehen? Ist jetzt „Schluss mit Lustig“?Erlebnisorientierte LernorteMit dem Stellenwert des Lernfaktors in den heutigen Erlebniswelten befasste sich im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung das Forschungsvorhaben „Erlebnisorientierte Lernorte der Wissensgesellschaft“.
Als „erlebnisorientierte Lernorte“ wurde dabei ein breites Spektrum von Einrichtungen angesehen, in denen die Aspekte Lernen, Unterhaltung und Konsum zu integrierten Konzepten ver-schmolzen werden. Die hier vorgestellten Überlegungen zum informellen Lernen in Erlebniswelten wie Freizeitparks, Zoos und Science Center stützen sich zu einem großen Teil auf die theoretischen und empirischen Erkenntnisse dieses Projektes (vgl. Nahrstedt u.a 2002, 2002a).Ingesamt können aus der Sicht des Forschungsvorhabens die untersuchten Orte als „Erlebnis- und Lernwelten“ mit einem je eigenen Profil bezeichnet werden. Der bisher in der wissenschaftlichen Diskussion hervorgehobene Konsumaspekt wird durch die Projektergebnisse des Instituts für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit relativiert. Der Unterhaltungsaspekt erscheint primär für die Besucher von Erlebniswelten, aber „neue Eindrücke und Anregungen zum Nachdenken“ spielen durchaus eine Rolle. Der Bildungsfaktor könnte zukünftig damit noch einen größeren Stellenwert für die Konzeptentwicklung bekommen.
Informelles Lernen wird wichtiger für Erlebniswelten.Hintergrund: ErlebnisorientierungWarum suchen Menschen ihr Glück in Erlebniswelten? Warum begeben sie sich freiwillig und unter Kosten und Mühen in die neuen dreidimensionalen Werbe-Scenarien der Brandlands, in die Phantasie- und Actionwelten? Warum verblassen systemkritische Anklagen und kulturkritische Bedenken angesichts der großen Inszenierungen von Autostadt bis Europa-Park? Im Erlebnis und der Suche nach Erlebnissen, so scheint es, steckt eine Kraft, die Menschen bewegt und auch Massen in Bewegung setzen kann. Der Wunsch, etwas Außergewöhnliches zu erleben, aus dem Alltag herausgehoben zu werden, wächst offenbar in dem Maße, in dem es uns gelingt, das reine Überleben rationaler und effektiver denn je zu organisieren. Petra Probst, Chefredakteurin der Zeitschrift „Amusement Technologie & Management“, umreißt die Motive der Freizeitparkbesucher daher so: „Menschen wollen arbeiten, sich verwirklichen. Aber sich verwirklichen heißt auch, sie wollen ihren ganz subjektiven ‚Plan‘ von dieser Welt erleben, schöne Dinge tun, die entspannen und gute Gefühle vermitteln. Emotionen sind das Endprodukt der Freizeitindustrie“ (Probst 2000) ...(den vollständigen Artikel finden Sie in merz 2003/01 S. 22-27)