Saloua Chaatouf
Beiträge in merz
Saloua Chaatouf: Wie hört sich deine Welt an?
Die Schranke an einem Bahnübergang schließt sich klackernd, eine Tür wird mit einem leisen Knarren geöffnet, Wasser strömt gluckernd in eine Gieskanne... Diese und zahlreiche andere Geräusche sind auf AUDIYOU zu finden, einer Plattform für Audiofiles. Was auf den ersten Blick wie eine Plattform für Handyklingeltöne anmutet, stellt sich auf den zweiten Blick als eine umfangreiche Fundgrube von Audiodateien heraus – von Geräuschen über Hörspiele, Reportagen und Klingeltöne bis hin zu Themenmusik ist hier alles zu finden, was zur Hörkultur gehört. „...Und wie hört sich deine Welt an?“ ist der Leitspruch der Seite, auf der Internetnutzerinnen und -nutzer sowohl eigene Produktionen ins Netz stellen sowie Veröffentlichungen anderer Userinnen und User herunterladen können.
Unter der Kategorie „Turbo Taxi“ sind Interviews zu hören, die „Turbo Schmidt“ mit verschiedenen Taxifahrerinnen und -fahrern geführt hat. So berichtet etwa ein marokkanisch-stämmiger Mann über seine Integration in Deutschland und seinen Wunsch, ein Fischrestaurant in seiner Heimat zu eröffnen. Ein weiterer Taxifahrer erzählt über seine prominenten Fahrgäste, denen wohl viel daran gelegen ist, auch tatsächlich erkannt zu werden. In der Kategorie „Hörspiel“ können Titel wie „Das Verbrechen im Zirkus“ oder „Ullas Traumstunden“ abgerufen werden. Monatlich wird die Top Ten der Audiofiles nominiert. Ein Team von Soundbegeisterten aus Autorinnen und Autoren, Schülerinnen und Schülern sowie Designerinnen und Designern betreibt die sowohl kostenlose als auch werbefreie Plattform, auf der im Gegensatz zu Portalen wie YouTube alle Inhalte redaktionell geprüft werden.
Das Team hinter AUDIYOU legt viel Wert darauf, Soundpiraterie nicht zu unterstützen. So werden geklaute oder kopierte Stücke aus dem Netz genommen und das Thema Urheberrecht den Nutzerinnen und Nutzern kindgerecht anhand einer Checkliste erklärt. Bei AUDIYOU geht es in erster Linie nicht darum, perfekte Produkte zu veröffentlichen oder herunterzuladen – vielmehr soll die Kreativität und zur produktiven Nutzung des Internets angeregt werden. Die Plattform lässt sich damit auch gut in den Unterricht integrieren, denn wer in der Klasse mit Podcasts arbeitet wird hier einen großen Pool an verwendbaren Tonspuren entdecken. AUDIYOU bietet Kindern und Jugendlichen einen sicheren Rahmen, um Medienkompetenz zu erwerben. Das Layout der Seite ist bunt und besonders für junge Leute ansprechend. Eine ausführliche Anleitung zur Durchführung und eine schnelle Anmeldung erleichtern den Umgang. Ob für Fans oder einfach für den privaten Gebrauch, ein Blick auf die Seite lohnt sich.
Saloua Chaatouf: Die Antike. Kelten, Griechen, Römer.
Kuck mal! Die Antike. Kelten, Griechen, Römer – Die Kulturgeschichte der Menschheit für Kinder ab 8.
DVD für Win/Mac. München: USM-Verlag, 2008, 24,95 €
Woher kamen die Etrusker? Wie kolonisierten die Römer Europa? Woran glaubten die Kelten? Mit diesen und vielen anderen Fragen beschäftigt sich die Lernsoftware Kuck mal! Die Antike. Zu Beginn wählt die Spielerin oder der Spieler eine Figur aus und gibt ihr einen Namen und schon kann die Entdeckungsreise in die Vergangenheit beginnen. Ein neugieriger virtueller Reiseführer namens Klick begleitet die Spielerinnen und Spieler durch das Programm – und in die Antike. In 13 Kapiteln erfährt man Wissenswertes über das Leben und die Kultur der „Kelten, Griechen und Römer“. Die spielerische Expedition führt die kleinen Abenteurerinnen und Abenteurer vor den Bildschirmen sogar bis nach China und Mittelamerika. Über 300 Kunstobjekte, unter anderem aus den Bereichen der Architektur und Skulptur mit Detailansicht und Steckbrief, diverse Spiele und über 30 Minuten filmische Animation veranschaulichen die Epoche.
Vor allem in kurzen und kurzweiligen Spielen und Rätseln können junge Geschichte-Fans die Antike und die Eisenzeit erforschen. „Kelten Memo“ zum Beispiel ist Memory mit keltischen Instrumenten und Figuren und bei „Statopolis“ müssen Prachtbauten auf den richtigen Platz des vorgegeben Geländes gesetzt werden. Klick kommentiert das Vorgehen der Spielerin oder des Spielers und stellt im Spiel „Skulptur-Pantomime“ die Skulpturen selbst nach, die Nutzerinnen und Nutzer aus einer Reihe von bekannten Statuen auswählen. Der pfiffige Moderator und Reiseführer Klick will alles wissen und fragt so lange nach, bis es bei den Nutzerinnen und Nutzern im buchstäblichenSinne „klick“ macht. Er zeigt, wie man sich zurecht findet und unterbricht den Erzähler, um nachzuhaken. Bleiben dennoch Verständnisfragen offen, so kann man diese mittels des Lexikons, das über 100 Fachbegriffe enthält, oder anhand der Zeitleiste und des interaktiven Kartenmaterials klären. Mit Kuck mal! Die Antike konzipiert die Multimedia-Abteilung des Louvre die dritte Folge der Lernspielreihe nach Kuck mal! Die Steinzeit und Kuck mal! Das alte Ägypten.
Die DVD läuft ganz ohne Installation auf allen handelsüblichen PCs und Macs. Die Lernsoftware ist sehr vielseitig und kreativ und bietet so eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich das Thema anzueignen und es für Kinder und Jugendliche interessant zu machen. Hin und wieder wirken aber die vielen Anwendungsmöglichkeiten überladen und zudem ist es fraglich, ob Kinder ab acht Jahren die nötige Medienkompetenz und das Verständnisvermögen mitbringen, um etwa die Texte im Lexikonstil zu verstehen.
Saloua Chaatouf: Not Welcome
Bilal ist seit drei Monaten auf der Flucht. Über 4.ooo Kilometer hat der 17-jährige Kurde hinter sich gelassen. Zu Fuß. Aus dem Irak, einmal durch ganz Europa und bis zum Ärmelkanal. Nun liegt nur noch eines vor ihm: 34 Kilometer eiskaltes Wasser, das es zu überqueren gilt. Denn auf der anderen Seite wartet Mina, Bilals Freundin und große Liebe, die mit ihren Eltern nach England emigrieren musste und die nun das große Ziel ist, auf das Bilal zuläuft, koste es was es wolle. Liebe, Freundschaft, MigrationEs scheint nichts als eine weitere Geschichte mit dem scheinbar nie aus der Mode kommenden ‚Romeo-und-Julia‘-Motiv zu sein: Bilal und Mina, zwei große Liebende, durch Eltern, Kilometer und Gewässer getrennt, die ihr Leben riskieren, um zusammen zu sein. Und doch ist ihre Geschichte mehr als das. In seinem Film Welcome, der seit 4. Februar 2010 auch in den deutschen Kinos läuft, erzählt Regisseur Philippe Lioret eine tragische Liebesgeschichte, vereint mit einer tragischen Lebensgeschichte. Der Geschichte nämlich von Menschen, die in ein Land wollen, in dem andere sie eben nicht ‚Welcome‘ heißen. Der Geschichte illegaler Einwanderer. Sie kommen mit großen Hoffnungen und viel Mut, wie auch Bilal, der sich vorstellt, in England eine Fußballkarriere zu starten und dort mit seiner Mina zu leben. Doch seine Reise nimmt schon viel früher ein abruptes Ende, als er an der Nordküste Frankreichs in Calais mit mehreren Flüchtlingen in einen Lastwagen klettert, um mit der Fähre über das Meer zu gelangen. Mit einem Plastiksack über dem Kopf sollen die Flüchtlinge sich während der Kontrollen ruhig verhalten, damit sie bei den CO2-Detektoren nicht auffliegen.
Bilal hält es jedoch nicht aus, er bekommt Panik und schließlich werden alle erwischt. Die anderen Flüchtlinge sind wütend und meiden ihn, die Fähre ist abgefahren für den jungen Kurden und doch liegt immer noch der eiskalte und vielbefahrene Ärmelkanal zwischen ihm und der nächstgelegenen englischen Stadt. Kurzentschlossen sucht der Junge das örtliche Hallenbad auf, um Schwimmen zu lernen. Hier trifft er Bademeister Simon, der fortan sein einziger Freund und Mentor wird. Simon ist ein ehemaliger Topschwimmer, der jetzt vom Unterrichten lebt. Vor allem aber ist er einsam, da er in Scheidung lebt, seine Frau Marion aber immer noch liebt und zurückgewinnen möchte. Er ist fasziniert von der Unbedingtheit und dem Mut des Jungen vor ihm – schließlich ist er selbst „nicht einmal über die Straße gegangen“, um seine Ehe zu retten. Und so entspinnt sich eine Freundschaft zwischen dem Mann und dem Jungen, zwischen dem legalen Bewohner und dem illegalen Einwanderer, zwischen dem frisch Verliebten und dem von der Liebe Enttäuschten. Gemeinsam machen sie sich an die Umsetzung ihres Plans, Bilal übt Kraulen und Simon versucht, ihn auf seine gefährliche Reise vorzubereiten.
Sie fahren ans Meer, wo Bilal in Simons Taucheranzug Kälte, Strömungen und nahende Schiffe am eigenen Leib erfahren soll, um sich die Ausmaße seines Vorhabens klar zu machen. Sie verstecken sich vor spitzfindigen Behörden,die Bilal auf den Fersen sind und immer wieder versuchen, ihn ausfindig zu machen und des Landes zu verweisen. Und nebenbei arbeiten sie gemeinsam ihre Liebesnöte und Lebenseinstellungen auf. Selbst die Hiobsbotschaft, dass Mina von ihrem Vater bereits einem Cousin zur Hochzeit versprochen wurde, kann Bilals Entschlossenheit nicht erschüttern – er kämpft bis zum Ende für seinen Traum, auch wenn es ein Traum ist, den viele träumen und wenige leben können.
Ein Fall wie tausend andere?!
Das Leben illegaler Emigrantinnen und Emigranten in Frankreich steht im Mittelpunkt des Films – Liebesgeschichte hin oder her. Für viele Zuschauerinnen und Zuschauer mag dies eine fremde Welt sein. „Und dennoch so nah. Da ist es gut, im Kino das Land zu entdecken, von dem man keine Ahnung hat“, sagt der französische Regisseur Philippe Lioret über die Thematik seines Films. Der Filmemacher ist wochenlang mit seiner Castingdirektorin herumgereist, nach Istanbul, Berlin, London und Schweden, um die richtigen Orte, die richtigen Personen für sein Drama zu finden. Schließlich hat er Firat Ayverdi (Bilal) in Frankreich getroffen, der kein professioneller Schauspieler war und erst überzeugt werden musste, dass er mit seiner Intensität der richtige für die Rolle sei. Auch viele andere Personen der Filmes werden von Laiendarstellerinnen und -darstellern verkörpert, die Lioret auf seiner Reise kennen gelernt und für seinen Film begeistert hat. Keine bekannten Gesichter sind zu finden in Welcome, keine Kassen-Garanten, sondern ‚echte‘ Menschen, authentische Charakterköpfe. Welcome ist ein sensibles, emotionsgeladenes Drama, das das Publikum in eine realistische Thematik taucht. Die Stadt Calais liegt an der schmalsten Stelle des Ärmelkanals, deshalb ist diese seit Jahren die zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge aus aller Welt, die um jeden Preis ins Vereinigte Königreich wollen. Viele Geschichten dort beginnen, enden oder verlaufen – zumindest teilweise – wie Bilals.Welcome ist die Geschichte zweier mutiger Männer, die mit mehr als einem Problem kämpfen: um ihre Frauen, für ihre Freiheit, gegen innere und äußere Zwänge. Die Geschichte zweier Männer, die für einen Traum alles geben und dabei über sich hinaus wachsen. Und die Geschichte so vieler anderer Männer und Frauen mit ahnlichen Träumen, ähnlichen Problemen, ähnlichem Schicksal.
WELCOME
Frankreich, 2009, 115 Minuten
Regie: Philippe Lioret
Darsteller: Vincent Lindon, Firat Ayverdi, Audrey DanaProduktion: Nord-Ouest Films/www.nord-ouest
Filmstart: 4. Februar 2010