Pia Deutsch
- Praktikantin bei merz | medien + erziehung und studiert Medienkommunikation an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Beiträge in merz
Pia Deutsch: Social Media und Social Messaging
Für die meisten Internetnutzerinnen und -nutzer (90 %) gehört Social Media bereits zum Alltag. Dies zeigt eine Studie von Bitkom e. V. 87 Prozent der Befragten sind in einem Sozialen Netzwerk angemeldet, bei den 14- bis 29-Jährigen sind es sogar 98 Prozent. Im Durchschnitt ist eine Internetnutzerin bzw. ein -nutzer in drei Sozialen Netzwerken angemeldet, bei den Jüngeren sind es fünf. Facebook und YouTube sind dabei mit Abstand am beliebtesten. Genutzt werden solche Netzwerke vor allem von Jüngeren und auf mobilen Endgeräten. Über ein Drittel der Befragten und fast die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen kann sich dabei ein Leben ohne Soziale Netzwerke nicht mehr vorstellen. Soziale Netzwerke werden vorwiegend zur Anbahnung und Pflege privater Kontakte und zum Austausch von Nachrichten sowie zur Produktund Dienstleistungsrecherche genutzt. Insbesondere Jüngere organisieren über Soziale Netzwerke auch ihr Privatleben. Die Nutzenden folgen Freundinnen und Freunden bzw. Familienmitgliedern. Insbesondere die jüngere Generation verbindet sich zudem mit Personen des öffentlichen Lebens, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben und auf Themen und Meinungen aufmerksam zu werden. Die beliebtesten Aktivitäten sind Chatten, Liken und eigene Fotos hochladen. Social Messaging verwenden neun von zehn der Befragten, wobei WhatsApp und der Facebook Messenger am häufigsten genutzt werden und Snapchat fast ausnahmslos bei Jüngeren Anwendung findet. Sprachnachrichten sowie Emojis sind sehr beliebt und ungefähr jede bzw. jeder Zweite ist von gelesenen, aber ignorierten Nachrichten verärgert. Bei Social Messaging wird leichte Bedienbarkeit als wichtiger empfunden als Datenschutz. Trotzdem ist dieser eins der wichtigsten Auswahlkriterien für ein Soziales Netzwerk, wie 89 Prozent angeben. Jede bzw. jeder zweite Befragte meint darüber hinaus, dass Influencerin bzw. Influencer heutzutage ein normaler Beruf sei. Jede bzw. jeder Fünfte folgt dabei mindestens einer Influencerin oder einem Influencer, meistens aus den Bereichen Fitness, Mode und Ernährung. Die digitale Kluft zwischen den Generationen ist besonders bei Sozialen Netzwerken wie Instagram und Snapchat deutlich erkennbar. Lediglich bei Facebook ist die Spannbreite geringer.
Für die Studie wurde eine Online-Befragung unter 1.212 deutschsprachigen Internetnutzerinnen und -nutzern in allen Altersgruppen ab 14 Jahren durchgeführt.
Pia Deutsch: OER in Deutschland – der 'Nachzügler' holt auf
Orr, Dominic/Neumann, Jan/Muuß-Merholz, Jöran (2018). OER in Deutschland: Praxis und Politik. Bonn. 89 S., kostenfrei.
Digitale Bildung ist in aller Munde und ein zentrales Thema unserer Zeit. Speziell Open Educational Resources (OER) sind hierfür ein bedeutendes Element. OER sind Bildungsmaterialien, die auf jegliche Art und Weise und in jedem Medium, unter einer offenen Lizenz veröffentlicht werden und frei zugänglich sind. Was OER betrifft, gilt Deutschland jedoch eher als Nachzügler und wurde international bisher wenig beachtet – obwohl es auch hier eine starke OER-Community gibt. Die Studie ‚OER in Deutschland: Praxis und Politik‘ zeigt dabei, dass hierzulande Initiativen, sowohl Bottom-Up (von der Praxis ausgehend) als auch Top-Down (von der Politik ausgehend) parallel existieren. Für jeden Bildungssektor werden ausgewählte sowie relevante Beispiele aus der Praxis und Politik vorgestellt, wobei sich vorwiegend auf politische Fragen im Zusammenhang mit OER konzentriert wird.
Laut UNESCO ermöglichen OER den Zugang zu hochwertiger Bildung und sind demzufolge für die Realisierung der Globalen Bildungsagenda 2030 bedeutend. Die Autoren sprechen zunächst offen an, dass sie mit OER sympathisieren und ihre Voreingenommenheit im Bericht transparent ansprechen werden. Anschließend wird ein kurzer chronologischer Überblick über die bisherigen Entwicklungen in Bezug auf OER in Deutschland geliefert. Dabei wurde versucht, die Waage zwischen den Bottom-Up- und Top-Down-Initiativen zu halten. Als wichtige Strategie heben die Autoren die Digitale Bildungsagenda der Bundesregierung hervor. Diese widmet sich im Handlungsfeld fünf der Agenda den Bereichen Bildung, Forschung und Wissenschaft. Bezüglich OER haben die Bildungsserver der Länder 2016 eine Selbstverpflichtung zu OER verabschiedet. Dies seien erste Schritte in die richtige Richtung, denn speziell die Bildungsserver stellen mitunter offen lizensierte Ressourcen zur Verfügung und sind daher ein bedeutender Aspekt für die Verbreitung von OER.
Im Fokus auf zentrale Herausforderungen, die sich mit dem Eingang von OER in das Bildungssystem hervortaten, wird unter anderem die Debatte über die Digitalisierung, das Urheber- und das Datenschutzrecht und die dezentrale Struktur der Bildung in Deutschland beleuchtet. Die Autoren bemängeln, dass das Strategiepapier der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Digitalen Agenda das innovative Potenzial von OER nicht erwähnt. Auch die Digitale Agenda der Bundesregierung selbst thematisiert OER nicht. Die bestehenden Verzögerungen beim Zustandekommen des Digitalpakts betrachten die Verfasser kritisch, da hierdurch wertvolle finanzielle Mittel zur Förderung und Verbreitung von OER entfallen.
Im quantitativen Überblick über OER in Deutschland betrachten die Autoren insbesondere Services, also (Web-)Angebote, die den Nutzenden einen Dienst dauerhaft anbieten, und deren Bereitstellung von Ressourcen. Dabei wird unterschieden zwischen Repositorien bzw. Plattformen, die Dokumente hosten, und Referatorien, im Sinne von Plattformen, die auf von anderen gehostete Dokumente verlinken. Allerdings wurden die Daten mittels der OER World Map erhoben und können daher nicht ohne Weiteres verallgemeinert werden. Unter kritischer Betrachtung können sie lediglich als Anhaltspunkt hinzugezogen werden. Anschließend werden einige Beispiele für ländergeführte und staatliche Top-Down-Aktivitäten genannt. Als bedeutendste staatliche Maßnahme zur Förderung von OER wird das bereichsübergreifende Förderprogramm OERinfo angeführt. Neben der Informationswebseite steht primär die Förderung der Kompetenzen zur Nutzung, Erstellung und Verbreitung von OER, im Sinne von Train-the-Trainer, im Mittelpunkt. Die Verfasser geben schließlich sechs Anregungspunkte für die zukünftige Erfolgsförderung des Webseitenprojekts OERinfo an, wobei die Autoren Muuß-Merholz und Neumann sogar selbst an dem Projekt beteiligt gewesen sind. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass an dem Gelingen des Projekts besonderes Interesse besteht, welches sich anhand der Aufführungen vielfältiger Beispiele von Bottom-Up-Initiativen aus verschiedenen Bildungssektoren und dem Aufzeigen einer stark bereichsübergreifenden Community mit gemeinsamem Interesse an OER in Deutschland im Band widerspiegelt. Weitere Einschätzungen werden jedoch, aufgrund des Fokus auf Top-Down-Aktivitäten, nicht abgegeben.
Das letzte Kapitel gibt eine Gesamtbewertung zu den Entwicklungen in Deutschland ab und zeigt mögliche nächste Schritte auf. Das Potenzial von OER, Bildungsmedien zugänglicher und anpassungsfähiger zu machen, wird nochmals bekräftigt. Das Programm OERinfo wird hierbei als erster sinnvoller Ansatz im Bereich OER hervorgehoben. Als mögliche nächste Schritte stellen die Verfasser drei verschiedene Szenarien für die Zukunft dar, die das Zustandekommen des Digitalpakts voraussetzen. Als zentrale Einsichten aus der Studie geben die Autoren an, dass unter anderem zu prüfen sei, ob das ganze Potenzial der OER in wichtigen Strategiepapieren bedacht wird und ob OER-Anwender durch Top-Down-Programme unterstützt werden.
Das Kapitel OER in Deutschland: Praxis und Politik richtet sich schließlich erneut vor allem an die Politik, aber auch an die OER-Community sowie pädagogisches Fachpersonal und weitere Interessierte. Nach einer klaren Positionierung der Autoren für den Einsatz von OER, legen sie Probleme und bisherige Arbeitsfelder offen, die als wichtige Grundlage für eine aussichtsreiche, zukünftige Arbeit anzusehen seien. Es gelingt ihnen, mit der Umschau von bisherigen Top-Down-Aktivitäten und Bottom-Up-Initiativen zentrale Beispiele aufzuführen und für sowohl staatliche als auch weitere Maßnahmen der Community anzuregen. Insgesamt fällt der Fokus auf Top-Down-Aktivitäten auf, was auf die bislang wenigen erfolgreichen Projekte dieser Art zurückgeführt werden könnte. Dennoch sind Bottom-Up-Initiativen nicht zu vernachlässigen, da sie Anreiz und Motivation für eine Weiterentwicklung von wegweisenden OER-Communitys bieten können. Des Weiteren ist markant, dass dem Zustandekommen des Digitalpakts eine sehr große Rolle beigemessen wird und dieser als zentraler Faktor für die zukünftige Entwicklung für OER womöglich andere beeinflussende Faktoren überdeckt.
Auch wenn offen bleibt, welche Top-Down-Aktivitäten sinnvoll einzusetzen wären und wie diese gestaltet werden sollen, liefert der Band wichtige Aspekte für politische Fragen im Zusammenhang mit OER sowie Top-Down-Aktivitäten und reichert damit gewiss die Debatte um Open Access Resources und die Erhöhung ihrer allgemeinen Akzeptanz an.
Pia Deutsch: Digital Streetwork – Pädagogische Interventionen im Web 2.0
Amadeu Antonio Stiftung (2017). Digital Streetwork. Pädagogische Interventionen im Web 2.0. Berlin: Druckzone. 40 S., kostenfrei downloadbar unter www.amadeu-antonio- stiftung.de/w/files/pdfs/digital_streetwork_web.pdf
Soziale Medien nehmen in den heutigen Lebenswirklichkeiten ein wesentlichen Raum ein. Hier werden Standards gesetzt und politische Meinungen junger Menschen ausgebildet, gefestigt und an Gleichaltrige weitergegeben. Digitale Lebenswelten sind folglich zu erschließen, um Jugendliche besser erreichen zu können. Insbesondere, wenn Rechtsextremismus und Rechtspopulismus im Internet über die digitalen Grenzen hinweg aufbegehren. In Anbetracht der sich noch in den Anfängen befindlichen Präventionsarbeit in Sozialen Netzwerken sind weitere Erfahrungen und praktische Ansätze von Nöten, zu denen die Handreichung DIGITAL STREETWORK – Pädagogische Interventionen im Web 2.0 von Christina Dinar und Cornelia Heyken einen Beitrag liefert. Aufbereitet für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter wird Handwerkszeug in Form von Handlungsoptionen und hilfreichen Informationen zur Adressierung von Jugendliche im Netz, bereitgestellt. Dabei fokussiert das Angebot das Handlungsfeld des Sozialen Netzwerkdiensts Facebook. Ziel des Projekts ist es, das Klima in Online- Debatten positiver, ziviler und respektvoller zu gestalten und junge Menschen mit rechten Affinitäten zu erreichen, um so einer weiteren Verfestigung dieser Einstellungen entgegenzuwirken und eine Distanzierung zu fördern. Ebenso sollen Jugendliche, die sich gegen rechte Affinitäten im Netz einsetzen, gestärkt werden. Neben der Ansprache von rechtsextrem- affinen Jugendlichen ist die Ansprache von sogenannten ‚Bystandern‘, bzw. Beobachtenden und Zuschauenden, ein weiterer wichtiger Aspekt. Innerhalb der kostenlosen Broschüre wird zunächst ein Überblick über die Mediennutzung von Jugendlichen gegeben. Hierzu werden unter anderem Ergebnisse der JIM-Studie und der SINUS-Jugendstudie u18 herangezogen. Letztere zeigt auf, dass einige Jugendliche politische Vorgänge eher leidenschaftslos verfolgen und sich von den Themen nicht angesprochen fühlen, obwohl sie durchaus eine politische Agenda besitzen. Die Jugend(sozial)arbeit soll diese Einstellung off- wie online ändern, wobei Herausgeberinnen betonen, dass Soziale Netzwerke nicht nur als Lebenswelt, sondern ebenso als Sozialraum von Jugendlichen angesehen werden sollten. Digital Streetwork verdeutlicht somit, dass die pädagogische On- und Offline-Arbeit stärker miteinander verbunden werden sollte. Die Frage, wie diese Verknüpfung stattfinden soll, wird jedoch offengelassen. Derzeit finden sich jedoch nur vereinzelt Einrichtungen in Sozialen Online-Netzwerken, wobei repräsentative Zahlen durch systematische und umfassende Erhebungen fehlen. Somit stellt sich die Frage, ob und wie Jugendliche, die offline keinen Kontakt zur Jugendsozialarbeit aufnehmen, in Sozialen Netzwerkendiensten erreicht werden können. Dieser und anderer Fragesn nimmt sich debate// mit der Handreichung Digital Streetwork an. Das Projekt zielt darauf, Jugendlichen mit rechtsaffinem Kommentaren und menschenfeindlichen Inhalten auf Facebook online zu kontaktieren und über persönliche Nachrichten direkt in der digitalen Umgebung in einer „One-to-One“-Interaktion anzusprechen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von debate// sind mit ihren privaten Accounts selbst auf öffentlichen Facebook-Seiten aktiv und begegnen abwertenden Kommentaren im Sinne des sogenannten „One-to-Many“-Ansatzes mit sachlichen, aufklärenden Diskussionsbeiträgen und (Gegen-)Argumentationen bzw. Counter Speech. Dabei sollen auch Mitlesende erreicht und Jugendliche, die sich offen gegen Hetze positionieren, positiv bestärkt und unterstützt werden. Digital Streetwork legt offen, dass für eine erfolgreiche Arbeit im Netz nicht nur Faktoren wie ein glaubwürdiges, authentisches Profil, Medienkompetenz und Kenntnisse über die jugendliche Kommunikation sowie der Jugend- und Netzkultur entscheidend sind, sondern ebenso die Grenze zwischen privatem und professionellem Handeln nicht übertreten werden darf. Es gelingt einige Parallelen zur offline-Arbeit herzustellen und für die erste Kontaktaufnahme einen Leitfaden zu erstellen, welcher insbesondere die Bedeutung der Sprache und die persönliche Vorstellung für den Beziehungsaufbau mit einem Dialog auf Augenhöhe in den Fokus rückt. Hierzu wird eine Grafik angeboten, die bei der Einordnung der Äußerungen eines auffälligen Jugendlichen und der Identifikation der Präventionsstufe Orientierung bietet. Nach Kontaktaufnahme sollte demzufolge die pädagogische Fachkraft den Jugendlichen innerhalb einer sachlichen Argumentation mit den dargebotenen verzerrten Annahmen konfrontieren, um eine Selbstreflexion zu bewirken. Hilfreiche Tipps bietet Digital Streetwork dabei unter anderem zu wirksamen Maßnahmen im Falle eines hohen Widerstandes des Jugendlichen oder für den Umgang mit besonderen kommunikativen Herausforderungen, wie dem Verdrehen von Fakten oder Nichtanerkennung von Quellen. Jedoch werden keine Hinweise bezogen auf konkrete Fallbeispiele gegeben, in denen die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter selbst zum Ziel von Hassattacken werden. Die Lesenden sind zudem dazu angehalten, diese bewährte Herangehensweise möglichst eigenständig, je nach spezifischer Bedarfslage, zu adaptieren und ist gefordert, adäquat einzuschätzen, ob und wie diese Form des Counter Speech auch auf andere Soziale Netzwerkedienste wie Instagram, Snapchat oder Twitter übertragen werden kann. Ein ausreichendes Maß an Medienkompetenz stellt demzufolge eine zwingende Voraussetzung dar. DIGITAL STREETWORK – Pädagogische Interventionen im Web 2.0 ist eine gute Hilfestellung für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die ihr Arbeitsfeld auf das Internet ausweiten möchten und hierzu spezifische Kenntnisse sowie Best practice-Beispiele für erfolgreichen Counter Speech benötigen. Auf 40 Seiten wird ihnen nahezu eine Schritt-für-Schritt-Anleitung geboten, die detailliert verschiedene Ansatzpunkte aufzeigt und erläutert. Positiv fällt zudem auf, dass die wichtigsten Informationen noch einmal in grafischen Übersichten veranschaulicht oder in Merkkästen prägnant zusammengefasst werden und dabei die Bedeutung von ‚Bystandern‘ ebenfalls Berücksichtigung findet. Auf diese Weise wird ein umfassender Blick auf dieses Themengebiet gewährleistet und gleichzeitig ein wichtiger Impuls zur Erstarkung der Präventionsarbeit im Web gegeben. Die Handreichung Digital Streetwork – Pädagogische Interventionen im Web 2.0 entstand aus dem Projekt debate//, welches von der Freudenberg Stiftung und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!" gefördert und im vergangenen Jahr von der Amadeu Antonio Stiftung herausgegeben wurde.
Pia Deutsch: Bewegtbilder besitzen pädagogisches Potenzial
Rückert, Friederike (2018). Bewegte Welt // Bewegte Bilder. München: kopaed. 300 S., 22,80 €.
Kinder und Jugendliche eignen sich ihr Wissen oftmals durch Bewegtbilder an. Selbst die Eigenproduktion und Distribution von Filmen ist mittlerweile durch mobile Medien einfacher geworden. Diese technologischen Entwicklungen bieten zum einen neue Möglichkeiten, aber gleichzeitig auch Herausforderungen für die Kunstpädagogik und Fachdisziplinen, die sich mit der Filmund Medienbildung befassen. Der Band Bewegte Welt // Bewegte Bilder erläutert in drei Teilen das pädagogische Potenzial von Bewegtbildern. Verschiedene Autorinnen und Autoren geben hierauf rezeptiv orientierte Einblicke, gefolgt von einer Diskussion filmdidaktischer Fragestellungen anhand ausgewählter Best-Practice-Beispiele.
Zum Einstieg wird gezeigt, wie Schülerinnen und Schüler einen reflektierten Zugang zu Bewegtbildmedien erlangen können. Es wird erklärt, dass ein Filmbild nicht zwingend identisch sein muss mit dem was es abbildet – ganz nach dem berühmten Satz „Ceci n’est pas une pipe“ des Künstlers René Magritte. Außerdem wird eine realistisch wirkende Kameraeinstellung aus dem Film L‘arrivée d‘un train à La Ciotat der Gebrüder Lumière angeführt und resümiert, dass Filme nicht die Realität abbilden (können); vermutlich der wichtigste Aspekt, der bei Filmanalysen beherzigt werden sollte. Die Filmbildung wird am Beispiel von Jacquot de Nantes des Regisseurs Agnès Vardas ebenso thematisiert, denn dieser steht exemplarisch für eine besondere Herangehensweise, die gekennzeichnet ist durch die spezielle Annäherung an die Dramaturgie. Als Schluss wird gezogen, dass das phänomenologische Bildungspotenzial auch im Handwerk des Filmemachenden zu finden sei, was durch eine oftmals einseitige Fokussierung auf die Digitalisierung schnell ausgeblendet würde. Plädiert wird deshalb für die Verwendung analoger Technik in der Bildung. Anhand der Betrachtung der norwegischen Webserie Skam und der heute vielfältigen Medienkultur gelingt es, die Erfolgsfaktoren für gelungene Webserien herauszukristallisieren. Daneben wird vorgeschlagen, Skam als Beispiel für neue Formen der Bewegtbildvermittlung einzusetzen und damit einen Anstoß für die ästhetische Darstellung jugendrelevanter Themen zu geben. Es wird deutlich erkennbar, dass sich dafür eingesetzt wird, die Aufmerksamkeit auf dieses unbekanntere Genre zu lenken und im Zuge dessen neue Impulse zu setzen.
Das fünfte Kapitel fungiert als Einleitung in den didaktischen Teil und thematisiert die filmische Vermittlung von Bildungsinhalten mit unterhaltenden Zugängen. Ein Beispiel soll zur Nachahmung anregen. Die Didaktik des Lernfilms wird thematisiert, denn Lernfilme können unter bestimmten Bedingungen zum Ausbau der fachlichen und der Allgemeinbildung sowie der Medienkompetenz beitragen. Der Autor betont zwar, dass Lernfilme auf lange Sicht den persönlichen Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem nicht ersetzen können, spricht sich jedoch dafür aus, sie als Ergänzung der Präsenzlehre miteinzubeziehen. Die Verbesserung des Lernerfolgs durch Lernfilme steht offenkundig im Zentrum des Kapitels. Ein Best-Practice-Beispiel zu digitaler Bildung durch Videos steht im Fokus von Kerstin Kremer und der Herausgeberin Friederike Rückert. Neben einer Projektvorstellung liefern sie Argumente warum Filmbildung als Teil digitaler Bildung gelten kann. Folgt man dieser Auffassung, so sollte Filmbildung mehr Beachtung in der Debatte finden. Eingeleitet durch die außerschulische Bildung behandelt der dritte Teil verschiedene Beispiele, die innerhalb eines Rückblicks, einer Einschätzung der Filmdidaktik und wie man Filmen lernt thematisiert werden. Es wird erkenntlich, dass finanzielle Unterstützung und moderne Ausstattung wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Annahme und Arbeit der Bildungseinrichtungen darstellen und ebenso, welche Rolle dabei professionelle Filmschaffende spielen können. Zusätzlich wird am Projekt Perspektivwechsel aufgezeigt, in welch hohem Maße Filmbildung für ein interkulturelles Projektlernen geeignet erscheint und dabei gleichzeitig Kompetenzen im Bereich der Filmbildung stärken kann. Der Initiator eines Fernsehprojektes einer Schule, Sönke Zankel, stellt an diesem Beispiel Erkenntnisse und Ratschläge für Lehrende bereit, die selbst ein solches realisieren möchten. Dabei haben die Fragen, wie Filmbildung in der Kunstpädagogik eingesetzt werden kann und welche Potenziale und Chancen Handys, Smartphones und Tablets hierfür mitbringen, immer den Fokus auf das mit einzubeziehende geänderte Bild- und Filmverständnis der Jugendlichen. Diese Erkenntnisse sind sicherlich als Hilfestellung für Lehrende, gewiss auch für diejenigen, die ein etwaiges Projekt starten wollen, angedacht. Experte und Lehrender Hans Oluf Schou führt schließlich in das an dänischen Gymnasien unterrichtete Fach ‚Media Studies‘ ein, welches als vorbildliche Umsetzung von Film- und Medienbildung angesehen werden kann. Eine Adaption dieses Faches in das deutsche Bildungswesen stellt sich als lohnenswerte Unternehmung heraus, da derartige Projekte bisher lediglich im Sprachunterricht oder an der Universität zu finden sind. Die Schnittstellen von Realität, Virtualität, Film und Neuer Musik in intermedialen Kunstformen sowie deren didaktisches Potenzial für die Praxis werden aufgezeigt. Jedoch wurden nur universitäre Beispiele vorgestellt. Deshalb ist fraglich, wie gut Jüngere insbesondere virtuelle Projekte umsetzen können.
Der Band richtet sich vor allem an pädagogisches Fachpersonal, die Bewegtbilder im Unterricht einsetzen wollen. Es gelingt, das Fachgebiet und sein Potenzial für das pädagogische Arbeitsfeld durch eine vielfältige Betrachtung und eine Verknüpfung von theoretischen Ansätzen sowie praktische Gestaltung herauszuarbeiten. Der allgemeine und der didaktische Teil kommen jedoch etwas kurz. Es werden zwar viele Beispiele als Anregung genannt, teilweise sind diese jedoch sehr spezifisch und schwer verallgemeinerbar, sodass die Nachahmung mitunter schwer werden könnte. Die Unterteilung in drei Teile erscheint zunächst sinnvoll, führt jedoch dazu, dass etwa die interkulturelle und die kulturelle Sichtweise auseinander gerissen werden. Dabei ist anzumerken, dass die Aufteilung nicht gleichmäßig erfolgt, sondern den Beispielen mehr Beachtung geschenkt wird, vielleicht sogar zu viel. Die durch den Klappentext suggerierte Fokussierung auf Kunstpädagogik verbleibt in der theoretisch-praktischen Abhandlung zudem eher am Rand. Neben zahlreichen Beispielen und Projektbeschreibungen sind Vorschläge zur konkreten, gegebenenfalls auch originären Verwirklichung derselben vergleichsweise selten auszumachen.
Insgesamt ist es dem Band gelungen, einen thematisch breiten Überblick über die Möglichkeiten der Film- und Medienbildung zu geben und alle relevanten Aspekte zu beleuchten.