Prof. Dr. Christian Doelker
Beiträge in merz
Doelker, Christian: media in media. Texte zur Medienpädagogik. Ausgewählte Beiträge 1975-2005.
Doelker, Christian (2005). media in media. Texte zur Medienpädagogik. Ausgewählte Beiträge 1975-2005. Zürich: Verlag Pestalozzianum. 300 S., 29 €
Das Buch media in media – mitten in die Medien – umfasst eine Sammlung von Beiträgen, die in der Regel aus einem bestimmten Anlass entstanden sind. Den Herausgebern war es ein Anliegen, mit der Textauswahl ein möglichst breites Spektrum des Schaffens von Christian Doelker zu dokumentieren. Sie spiegelt zentrale Themen, Fragen und Probleme wider, mit denen er sich als Medienpädagoge während der letzten drei Jahrzehnte intensiv beschäftigt hat.Aus der Position des aufmerksamen Beobachters und kritischen Analytikers vermittelt der Autor wesentliche Erkenntnisse über Strukturen, Leistungen und Wirkungen der Medien und erläutert eingehend deren Bedeutung für die Medienpädagogik in Theorie und Praxis. Gegliedert sind die 33 Beiträge in die Themenbereiche anthropologische Konstanten, mediale Wirklichkeit und Fernsehen, Bildtheorie und Kulturtechniken, Informationsphilosophie, Medien und Gesellschaft sowie theoretische Aspekte der Medienpädagogik.
Diese inhaltliche Strukturierung entspricht verschiedenen Zugängen und ermöglicht es den Leserinnen und Lesern, aus einer jeweils anderen Perspektive Einsichten in die medienwissenschaftliche Theorie und den kompetenten Umgang mit der facettenreichen Medienwelt zu gewinnen. Der Band dokumentiert zudem Doelkers Pionierarbeit im medienpädagogischen Feld. Seine Kerngedanken und Grundlagenkonzepte zu den drei Wirklichkeiten, dem erweiterten Textbegriff und der Bildtheorie sind bereits in früheren Publikationen in pointierter Weise dargelegt.In der thematisch breiten Textsammlung reflektiert Doelker die Funktionen der Medien auf philosophischem, medientheoretischem, gesellschaftlichem, politischem sowie kulturellem Hintergrund und eröffnet so den Rezipientinnen bzw. Rezipienten in präziser und verständlicher Sprache differenzierte Einblicke in Potenziale und Defizite der Medien. Gleichzeitig ist er bestrebt, die Erkenntnisse für die Medienpädagogik fruchtbar zu machen und deren Bedeutung für die Disziplin in Form von Aufgaben und Zielen zu formulieren.
Heute durchdringen die Medien nahezu alle Bereiche unserer Lebenswelt. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit wenden wir uns ihnen zu und nutzen die Angebote und Möglichkeiten mehr oder weniger bewusst. In Anlehnung an das bekannte metakommunikative Axiom nach Watzlawick formuliert Doelker, dass wir nicht nicht Medienpädagogik betreiben können. Deshalb empfiehlt er, sich erst recht für Medienpädagogik zu engagieren, die eigene Medienkompetenz zu erweitern und sie an andere weiterzuvermitteln. Im Sinne einer aufklärerischen Medienpädagogik fordert er, dass die Produzentinnen und Produzenten ihre Verantwortung gegenüber dem Publikum verstärkt wahrnehmen und diejenigen, die Medienprodukte konsumieren, sich medienpädagogisch qualifizieren. Letztere sollen fähig sein, sich in der von den Massenmedien stark geprägten Welt kompetent bewegen und orientieren zu können und sie auch aktiv mitzugestalten. In diesem Sinne richten sich die Beiträge im vorliegenden Band an uns alle und bilden insbesondere für Fachleute, Studierende, Lehrende und Lernende im Medien- und Bildungsbereich ein aufschlussreiches Kompendium.
Christian Doelker: Wissensexplosion versus Erfahrungstransfer
Der Text geht auf ein Referat zurück, das der Autor im Juli 2001 bei der Gesamtschweizerischen Lehrerweiterbildung gehalten hat.Die Trennung von Erfahrung und WissenEin Zitat, das sich wie eine Klette an mein Bewusstsein gehängt hat, ist der folgende Satz des Psychiaters Ronald D. Laing: "Was die direkt von unserer eigenen Erfahrung abgeleiteten Erkenntnise und Vergegenwärtigungen betrifft, so weiß jeder von uns im Grunde nicht mehr - und möglicherweise erheblich weniger - als Männer und Frauen zu anderen Zeiten und anderen Orten"(Die Stimme der Erfahrung. Köln 1983 ).Hier ist für einmal von Erfahrung die Rede und nicht von Kenntnissen und Informationen.
Und je mehr das Schlagwort einer Informationsgesellschaft oder Wissensgesellschaft an Bedeutung gewinnt, je mehr Informationen und Wissen an Volumen (exponentiell) zunehmen, umso wichtiger scheint mir, zwischen den Begriffen Erfahrung und Wissen eine Unterscheidung zu treffen. Das heisst: Der Satz des amerikanischen Psychiaters kann dahin verstanden werden, dass derheutige Homo informaticus in seiner Aufnahmefähigkeit für Erfahrungen nicht viel anders organisiert ist als ein Mensch der Jäger- und Sammlergesellschaft (Altsteinzeit und Phase der Prähominiden) respektive der Agrargesellschaft (o Jungsteinzeit oder Mittelalter ist da gleichgültig). Aufnahmefähigkeit für Erfahrung meint somatische Speicherung, die Ablage also im eigenen personalen Gedächtnis, beziehungsweise im tradierten kollektiven Gedächtnis einer Kultur/ Ethnie/ Population. Erfahrung betrifft mithin "Erkenntnisse und Vergegenwärtigungen2, die zur Steuerung unseres Verhaltens und Handelns in komplexen Lernprozessen erworben worden sind...
( merz 2001/06, S. 395 - 400 )