Thomas Feibel
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Thomas Feibel: Der Kinder-Software-Ratgeber
In seinem mittlerweile siebten Ratgeber präsentiert Thomas Feibel wiederum eine reiche Auswahl aktueller Multimediaprodukte für Kinder. Thematisch geordnet werden siebzig CD-ROMs für Win- und Mac-PCs auf je einer Doppelseite sowie – in kürzeren Beiträgen – 35 Konsolenspiele für die Plattformen Gameboy, Playstation und XBox vorgestellt und bewertet. Die Besprechungen bestehen rund zur Hälfte aus Text, sind mit einem Screenshot illustriert und liefern nebst rudimentären Produktionsangaben auch Hinweise auf die anvisierte Altersgruppe, den Bedienkomfort oder weitere Titel einer Reihe. Ein griffiges Fazit und die berühmte Gesamtnote sollen vor allem Eltern als Entscheidungshilfe dienen: Programme mit fünf oder sechs Mäusen können laut „Deutschlands führendem Experten für Kinder und Computer“ getrost angeschafft oder ausgeliehen werden. In der Kategorie „Erstes Klicken & Vorschule“ gibt es bei den CD-ROMs fast ausschließlich mäßige und ungenügende Noten zu verbuchen. Die Hersteller bemühen sich zwar darum, schon die Kleinen ab drei Jahren vor den Computer zu locken, aber die Qualität vieler Produktionen macht deutlich, dass diese Zielgruppe noch keineswegs angemessen bedient wird. Wesentlich besser sieht es in den Rubriken „Spielgeschichten“ und „Krimis“ aus. Diese Titel basieren oft auf bekannten und bereits erfolgreichen Bilderbuchvorlagen oder Buchserien und profitieren somit vom Medienverbund.
Damit die Geschichten allerdings auch in digitaler Version gelingen oder gar literarisches Niveau erreichen, bedarf es trotz Bekanntheitsgrad der Figuren einer sorgfältigen Adaption und mediengerechter Umsetzung. Als weitere Kategorien aufgeführt werden „Mädchen“, „Knobeln, Quiz, Geschicklichkeit“, „Kreativität“ und – mit je über einem Dutzend besprochener Titel – „Schule“ und „Sachthemen“. Ein eigenes Kapitel zu „Games“ widmet sich den Genres Action & Adventure, Rollenspielen sowie Simulations- und Strategieprogrammen. Berücksichtigung finden angesichts des großen Marktangebots vorwiegend empfehlenswerte Titel, aber ab und an werden noch immer unerbittliche Zensuren verteilt. Die respektlose Schreibe gehört ebenso zu Feibels Markenzeichen wie der Mäusestempel. So wird Geheimagentin Barbie nebenbei als „Puder-Luder“ tituliert und muss trotz Begeisterung der Juniortester harte Kritik einstecken: „alles rosa, alles blumig, alles schwülstig und von einer an Debilität grenzenden Harmlosigkeit“. Auch die ansonsten hilfreichen und pointierten Fazite am Schluss jeder Produktebeschreibung fallen gelegentlich der flotten Ausdrucksweise zum Opfer. „Alles andere als coolio. Bitte nicht!“, „I’m only sleeping“ oder eine verunglückte Metapher wie „Alter Wein in alten Schläuchen“ lassen an Aussagekraft zu wünschen übrig oder kommentieren sich gleich selber:
„Muss nicht sein ...“.Wer sich unter den Titeln im Handel schnell einen Überblick verschaffen möchte oder ein paar Empfehlungen benötigt, ist mit Feibels Kinder-Software-Ratgeber sicher gut bedient. Ein alphabetisches Titelverzeichnis am Schluss des Buches erleichtert zudem das Auffinden bestimmter Angebote – sofern man merkt, dass Die Schöne oder das Biest unter dem Buchstaben D und The Elder Scrolls III unter T aufgeführt werden. Was letzlich dann auf den geheimnisvollen Silberscheiben wirklich drauf ist, erfährt man bei so einer Gesamtschau natürlich nur punktuell. Wie bei Film- oder Buchbesprechungen muss man sich also auf die Richtlinien und den Geschmack des Rezensenten verlassen, denn wer sich für den mehrseitigen Kriterienkatalog interessiert, wird schon eingangs auf eine andere Publikation verwiesen. Warum der im Mai dieses Jahres erschienene Wegweiser allerdings gleich als Kinder-Software-Ratgeber 2004 figurieren muss, mutet vor dem Hintergrund des sich rasant entwickelnden Marktes fast als Etikettenschwindel an. Wer hier noch Neuerscheinungen des laufenden Jahres zu finden hofft, wird unweigerlich enttäuscht. Die meisten Besprechungen beziehen sich auf Titel aus dem Jahre 2002.