Manfred Fuhrmann
Beiträge in merz
Manfred Fuhrmann: Bildung ohne Inhalte?
Von den Klassikern lernenAristoteles, der Philosoph, suchte seinem dreizehn- bis sechszehnjährigen Zögling Alexander, dem künftigen Weltherrscher, nicht etwa Philosophie beizubringen. Er las mit ihm Homer und andere Dichter, und die Gestalten und Schicksale, die dort vorkamen, führten wie von selbst zu Gesprächen über ethische Themen. Das war um 340 vor Christus, und in all den Jahrhunderten, die darauf folgten, hat man die Literatur mit ihrer anschaulichen Ereignisfülle für eines der wirksamsten Mittel der Jugenderziehung gehalten.
Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Beruf des Lehrers unabhängig wurde (bis dahin hatten sich die Theologen auch als Schulmeister betätigen müssen), da waren es nach wie vor die grossen Schriftsteller, die den Löwenanteil des Unterrichts beanspruchten. Nicht der Philosoph oder der Pädagoge herrschte im Gymnasium des 19. Jahrhunderts, sondern der Philologe, und der hatte mit seinen Zöglingen die Klassiker zu studieren: lateinische und griechische, deutsche und französische...
(merz 2002/01, S. 34f )