Michael Gurt
Zur Person
(Jahrgang 1970) Magister Artium Hauptfach Medienpädagogik an der Universität Augsburg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am JFF seit Januar 2001. Schwerpunkte: Kinder und Fernsehen, Materialentwicklung, ComputerspieleAktuelle Veröffentlichung:Gebel, C./Gurt, M./Wagner, U. (2005): Kompetenzförderliche Potenziale populärer Computerspiele. In: Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e.V. (Hrsg.): E-Lernen: Hybride Lernformen, Online-Communities, Spiele. QUEM-report, Heft 92, Berlin, S. 241-376. Online verfügbar unter: www.abwf.de.Beiträge in merz
Michael Gurt/Dagmar Hoffmann/Karin Knop: Editorial: Bewegte Bilder in Bewegung. Potenziale und Herausforderungen neuer Formen der Bewegtbildangebote und -nutzung
„Kinderfernsehen ist, wenn Kinder fernsehen.“ Das Bonmot von Gert K. Müntefering, einem der Urgesteine des (bundes-)deutschen Kinderfernsehens und Erfinder der Sendung mit der Maus, ist mittlerweile 53 Jahre alt. Wenn man dieser Prämisse heute folgt, fällt es gar nicht so leicht, die Frage zu beantworten, was Kinderfernsehen ist. Denn was Kinder „fernsehen“, ist alles andere als klar: TikTok, Instagram, YouTube, Twitch, Smart-TV, Mediatheken, VoD-Dienste, Live-Streams; die Kanäle für und die Zugänge zu Bewegtbildinhalten sind ebenso vielfältig wie die Methoden, belastbare empirische Daten über die Gesamtheit der Bewegtbildnutzung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu generieren.
War das klassische lineare Fernsehen über Jahrzehnte das Hauptmedium, wenn es um die Ansprache großer Publika ging, verändert sich nunmehr die Nutzung von Bewegtbildinhalten rasant. Insbesondere die Nachfrage nach Fernsehcontent im Netz nimmt zu und vor allem jüngere Zuschauer*innen verlagern ihren Fernsehkonsum auf neue Plattformen. Unter der Bezeichnung Bewegtbild im Netz oder Streamingangebote sind alle audiovisuellen Angebotsformen subsumiert, die im Internet zur Verfügung stehen, seien es allgemein Videos, ganze Fernsehsendungen oder Ausschnitte daraus sowie sonstige bewegte Bilder. Zunächst erlebte die Nutzung von Mediatheken der Fernsehsender einen deutlichen Anstieg, die zeitversetztes Fernsehen ermöglichten. Nach YouTube waren die Sendermediatheken die meistgenutzten Bewegtbildangebote. In den letzten zehn Jahren hat sich der Markt der Streamingangebote jedoch nochmals fundamental verändert. Die großen Player im Bereich der Bewegtbildangebote von Serien, Filmen über Dokumentationen etc. sind nunmehr YouTube, Netflix, Amazon Prime Video, Disney+ und viele weitere. Der Streamingmarkt wächst stetig und differenziert sich aktuell weiter aus.
Heute stellen sich die Nutzer*innen ihr Programm selbst zusammen. Streamingplattformen ermöglichen die gewünschte zeit- und ortsunabhängige und in der ‚Dosierung‘ selbstgewählte Form der Nutzung von Bewegtbildangeboten. Neue und zum Teil exzessive Nutzungsweisen wie das sogenannte Binge-Watching etablierten sich. Diese Nutzung wird kontrovers diskutiert, da es sich (je nach Ausgangslage und individueller Disposition der Nutzer*innen) auch um ein suchtartiges Sehverhalten handeln kann, das über ein temporäres unterhaltsames, vergnügliches Eintauchen in einen Narrationskosmos hinausgeht. Durch die Ausschöpfung von Algorithmen werden Konsument*innen direkt adressiert und wird eine individualisierte Angebotslenkung möglich.
Streaming ist demnach ein Thema, das für Kinder, Jugendliche und Erwachsene von hoher Bedeutung ist, denn alle Nutzer*innen sind in veränderten und algorithmisierten und sich dynamisch wandelnden Angebotsmärkten herausgefordert, kompetent im Bewegtbildfluss zu navigieren. Freiheit und selbstbestimmte Nutzung setzen ein hohes Maß an Eigenverantwortung und reflektierter, bewusster Nutzungsweisen voraus, um positive Rezeptionserfahrungen zu machen.
Insbesondere Kinder und Jugendliche sehen heute gänzlich anders fern, was Eltern vor neue Herausforderungen stellt, da sie sich nicht mehr auf die Klassifikation ‚Kinderfernsehen‘ der Sender verlassen können, sondern den von ihren Kindern gewählten Content einschätzen lernen müssen. Vor diesem Hintergrund widmet sich die vorliegende Ausgabe multiperspektivisch, das heißt medienhistorisch, -ökonomisch, angebots- bzw. inhaltsseitig als auch rezeptionsseitig dem Thema Streaming. Bereitgestellt und aufgearbeitet werden einige Basisinformationen über den Wandel im Bewegtbildangebot. Weiterhin werden die Herausforderungen für die medienpädagogische Praxis mit Bezug auf die veränderten Nutzungsweisen der Streamingangebote kritisch beleuchtet.
Der Medien- und Fernsehwissenschaftler Christian Richter befasst sich in seinem Beitrag zunächst mit den Mechanismen und der Wirkmacht der logarithmischen Interfaces von Netflix und ähnlichen VoD-Anbietern. Seine zentrale These lautet, dass die Benutzeroberfläche solcher Dienste so gestaltet ist und darauf abzielt, eine maximale Verweildauer der Nutzer*innen zu gewährleisten. Dazu beschreibt er fünf Methoden, mithilfe derer dieses Ziel erreicht werden soll: Räumliche Visualisierung, Ästhetik des Überangebots, nahtlose Fortsetzung, Mehr-vom-Gleichen-Logik und algorithmische Aggregation. Richter stellt in seinem Beitrag heraus, wie VoD-Dienste wie Netflix eine Nähe zum Fernsehen aufweisen und Strukturen, Ästhetiken und Mechanismen reproduziert werden, die bereits aus dem Fernsehen bekannt sind. Für ihn sind Streamingdienste exemplarische Anschauungsobjekte, deren Mechanismen und Funktionsweisen in der medienpädagogischen Arbeit hinterfragt werden sollten. Sie lassen sich nämlich auf andere Umgebungen übertragen, so dass sich für die Nutzer*innen ähnliche Herausforderungen aufgrund der algorithmischen Aggregation von individualisierten Oberflächen und Auswahlangeboten ergeben, die man auch von der Anwendung von Suchmaschinen oder von sozialen Netzwerken her kennt.
Birgit Guth, Leiterin der Forschungsabteilung Insights & Analytic Kids bei RTL Data, erörtert dann datenbasiert den Wandel der Nutzungsgewohnheiten der Zielgruppe der Kinder. Demzufolge nimmt die Nutzung des linearen Kinderfernsehens in den letzten Jahren kontinuierlich ab. Die zunehmende Konkurrenz durch VoD-Anbieter, aber auch Social-Media-Anwendungen, die Bewegtbildinhalte aller Art Kindern und Jugendlichen anbieten, machen nicht nur die medienpädagogische Begleitung komplizierter, sondern auch die Erfassung des Nutzungsverhaltens, insbesondere die Reichweitenmessung, die die Mediatheken der TV-Sender bislang unberücksichtigt ließ. Neben der Entwicklung des Kinderfernsehmarktes werden die Motive und Bedürfnissen, die der Bewegtbildnutzung von Kindern zugrunde liegen, beleuchtet. Hier zeigt sich, dass die Veränderungen der Struktur von Angeboten und Medienlandschaft wenig an den grundlegenden Bedürfnissen junger Zielgruppen ändert: dem Bedürfnis nach Unterhaltung, aber auch Orientierung in lebensweltlich relevanten Kontexten.
Der Elternratgeber FLIMMO informiert seit 1997 Eltern über TV-Inhalte und altersgerechte Filmangebote für Kinder und Preteens im Alter zwischen 3 und 13 Jahren. Der Projektleiter Michael Gurt und die mitverantwortliche Redakteurin Nadine Kloos berichten im Gespräch, wie der Elternratgeber nunmehr auch das Programm von Mediatheken und Streaming-Plattformen aufgreift und dezidierte Empfehlungen dazu gibt. Erklärt wird, wie aus pädagogischer Sicht auf die zunehmende Nutzung von Streamingdiensten zu reagieren ist und welcher Aufklärungsbedarf besteht. Deutlich wird, dass Streamingangebote, vor allem YouTube, selbstverständlicher Bestandteil des Medienalltags von Kindern sind und diese oftmals eigenständig darauf zugreifen können, was aus jugendschutzrechtlicher Perspektive problematisch ist. Weiterhin gehen die Medienpädagog*innen auf die verschiedenen Umgangsweisen mit Streaming in den Familien ein, die teilweise an der Nutzungszeit festgemacht wird, zuweilen aber situativ und anlassbezogen ausgehandelt wird. Eltern sind oftmals überfordert, sich mit den jeweiligen Nutzungsbedingungen der Streaminganbieter sowie den Sicherheitseinstellungen auseinanderzusetzen.
Der Medien- und Filmwissenschaftler Florian Kraus befasst sich mit der Entwicklung öffentlich-rechtlicher Formate hin zum Streaming – wie zum Beispiel in Form des Online-Content-Netzwerks funk. Diese Entwicklung wird am Beispiel der Webserie ECHT nachvollzogen, indem Strategien bei der Entwicklung von Ästhetik und Produktion in den Blick genommen werden. Grundlage liefern drei Expert*innen Interviews. Zielgruppe der Serie ECHT ist die eng begrenzte Altersgruppe der Preteens. Die Erzählweise ist horizontal, also über mehrere Folgen hinweg durchzogen von Perspektivwechseln. Wesentliche inhaltliche Strategie stellen der Fokus auf Diversität und den Einbezug relevanter Communities in der Serie dar, sowie das Ziel größtmöglicher Authentizität in der Darstellung der Lebenswelt jugendlicher Protagonist*innen. In der Produktion wurde vor allem auf intensive Recherche samt Einzelinterviews mit Preteens und ein glaubwürdiges Setting Wert gelegt. Auch beim Testscreening ging die Produktion neue Wege, indem den Kinderdarsteller*innen einzelnen Szenen oder Folgen vorab gezeigt wurden und deren Reaktionen in die Stoffentwicklung weiterer Folgen eingeflossen sind. Ein weiterer wichtiger Feedback-Kanal waren die Kommentare zur YouTube-Ausstrahlung der Serie. YouTube stellt insgesamt einen wichtigen Distributionskanal für das funk-Netzwerk dar, wobei ECHT auch linear im KiKA ausgestrahlt wird. Die Koppelung von Streaming auf YouTube und in Social-Media-Kontexten mit den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehens wird vom Autor vor allem in Bezug auf die Zielgruppe der Preteens als tragfähiges Konzept skizziert.
Die Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Karin Knop widmet sich dem Rezeptionsmodus Binge-Watching, was die exzessive Nutzung von (seriellen) Bewegtbildangeboten innerhalb einer Zeiteinheit im Sinne eines Serienmarathon meint. Auf Basis des Forschungsstandes zu Motiven, Rezeptionsmodalitäten und Wirkungen dieser veränderten Nutzungsmöglichkeiten durch Streamingangebote verdeutlicht sie das Spannungsverhältnis aus autonomer, selbstbestimmter zeitversetzter Nutzung von Bewegtbildangeboten zwischen genussvoll vertieftem exzessivem Rezeptionsvergnügen und dem Risiko der unregulierten problematischen bis suchtartigen Nutzung mit (subjektiv empfundenen) potentiell negativen Nachwirkungen. Die Autorin zeigt auf, unter welchen Voraussetzungen Zuschauer*innen diesen neuen Rezeptionsmodus für sich individuell und sozial zuträglich funktional und lustvoll ausgestalten und worin die derzeitigen großen Herausforderungen für heranwachsende aber auch erwachsene Bewegtbildnutzer*innen bestehen. Achtsamkeit und Selbstregulationsfähigkeit werden in ihrer Bedeutung für die reflektierte und bewusste Nutzung herausgestellt und ein Differenzierungsvorschlag entlang von relevanten Dimensionen für das medienpädagogische Reflexionsgespräch gemacht.
Schließlich reflektieren Lars Gräser, Grimme Institut, und Markus Gerstmann, Medienpädagoge beim ServiceBureau Jugendinformation in Bremen, den Wandel des Zugangs zu Bewegtbildinhalten, allerdings fokussiert auf die Zielgruppe der Jugendlichen. Sie gehen der Frage nach, was und wie Jugendliche streamen und welche Zugänge zu VoD-Anbietern sie nutzen. Grundlage ist unter anderem eine Befragung von 47 jungen Menschen des ServiceBureau Jugendinformation, die unter Gästen der Bremer Jugendzentren durchgeführt wurde. Ausgehend von der These, dass Streamingangebote Aufmerksamkeit erzeugen (müssen), analysieren sie die interaktive Komponente von aktuellen populären Serien, Games oder Musikproduktionen einerseits und der Kommentierung und Verbreitung über Social-Media andererseits. Hier sehen die Autoren Parallelen zwischen aktuellen Diensten wie Twitch oder YouTube und älteren Vorläufern wie MySpace. Weiterhin stellen die Autoren das Potenzial heraus, das sich aus der pädagogischen Auseinandersetzung mit den Vorlieben und Praktiken jugendlicher Streaming-Nutzung ergibt, etwa im Hinblick auf die Bearbeitung identitätsbezogener Entwicklungsaufgaben und die Reflexion gesellschaftspolitischer Fragen. Anknüpfend an diese Überlegungen werden medienpraktische Methoden beschrieben, die dieses Potenzial im schulischen Kontext nutzbar machen sollen.
Nicht zuletzt möchten wir mit diesem Titelthema Akteur*innen in verschiedenen (medienpädagogischen) Handlungsfeldern grundlegende Informationen und Reflexionsimpulse zu aktuellen Entwicklungen im Streamingbereich geben, damit diese für sich selbst oder im medienpädagogischen Kontext nutzbar gemacht werden können. Denn das eigene Medienhandeln bewusst(er) erleben, beschreiben, reflektieren und problematisieren zu können und andere hierbei zu unterstützen, kann zu Gelingensbedingungen kompetenter Streamingnutzung beizutragen und eine Auseinandersetzung anregen, wie autonome, selbstbestimmte Rezeption unter den Voraussetzungen aktueller Angebotsstrukturen gelingen kann.
Überblickswerke
Chalaby, J. (2023). Television in the Streaming Era. The Global Shift. Cambridge University Press.
Jenner, M. (2021). Binge-Watching and Contemporary Television Research. Edinburgh University Press.
Schütte, O. (2919). Die Netflix-Revolution: Wie Streaming unser Leben verändert. Midas.
Michael Gurt: Aus dem Leben eines Kinomoguls
DVD-Rom, Win 98/Me/2000/XP, Activision 2005, freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuschG, ca. 49,95 Euro
Spieleentwickler Peter Molyneux gilt als eine Art Guru der Computerspiele-Szene: Sein Name steht für Innovation und Kreativität, seine Spiele „Populous“ (1989), „Black & White“ (2001) und „Fable“ (2004) sind Meilensteine, was neue Ideen, ungewöhnliche Spielmechanik und unverbrauchte Szenarien angeht. Auch wenn manche seiner ehrgeizigen Projekte nicht ganz so fortschrittlich und wegweisend ausgefallen sind, wie es sich die Spielerszene jeweils erhofft hatte, sind Neuerscheinungen aus dem Hause Molyneux immer mit großen Erwartungen verknüpft.So auch bei „The Movies“, das zwei Spiele in sich vereint: Zum einen ein Aufbau-Strategiespiel im Stil von „Railroad-Tycoon“, in dem der Spielende ein Filmimperium à la Hollywood erschafft. Dabei gibt es jede Menge Management-Aufgaben zu erledigen: Das Studiogelände muss ausgebaut und gestaltet werden, Stars verpflichtet und bei Laune gehalten werden, Filme gedreht und vermarktet werden usw. Die große Herausforderung liegt in der komplexen Verknüpfung der zahlreichen Variablen des Spiels, die sich auf vielfältige Weise gegenseitig beeinflussen: So hängt die Qualität der gerade gedrehten Szenen von der „Tagesform“ der Stars ab, die wiederum von der Erfüllung ihrer sozialen und körperlichen Bedürfnisse usw. beeinflusst wird.
Ziel des Spiels ist es, im Zeitraum zwischen 1920 und 2005 in den Rang einer „Filmlegende“ aufzusteigen, indem man durch herausragende Leistungen (Kassenschlager, die größten Stars, hohe Qualität der produzierten Filme usw.) die virtuelle Konkurrenz anderer Studios aus dem Feld schlägt.Das zweite Spiel im Spiel ist eine Art Baukasten, mit dem eigene Filme gestaltet werden können, die für Gewinne an der Kinokasse sorgen sollen. Die Streifen werden aus vorgegebenen Bestandteilen zusammengebastelt, wobei die Kombination der zahlreichen Versatzstücke ein großes Spektrum an Möglichkeiten eröffnet. Dennoch ist die filmische Gestaltungsfreiheit in den einzelnen Szenen sehr eingeschränkt: Kameraeinstellungen, Lichtgestaltung, Nachvertonung usw. können nur in sehr engen Grenzen selbst festgelegt werden. Trotzdem ermöglicht es der Baukasten, Geduld und Experimentierfreude vorausgesetzt, überraschend originelle Kurzfilme zu gestalten und ganz nebenbei etwas über den Aufbau von Spannungsbögen und die filmische Auflösung von Szenen zu lernen. Ein großes Manko des Spiels besteht allerdings darin, dass die beiden Teile unverbunden nebeneinander stehen: Ob man die Filme des eigenen Studios selbst zusammenbastelt oder computergenerierte Zufallsprodukte auf den Markt wirft, hat keinen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg im Aufbaustrategieteil.Das eigentlich Interessante an „The Movies“ spielt sich sowieso außerhalb des Spiels ab: Die selbst erstellten Filme können auf die Webseite movies.lionhead.com hochgeladen und dort einem größeren Publikum präsentiert werden. Mit den von anderen Nutzern verliehenen Sternen für die Qualität des eigenen Machwerks können wiederum neue Spielelemente „gekauft“, heruntergeladen und im Spiel verwendet werden. Dieses raffinierte Belohnungssystem gewährleistet einen hohen Motivationswert. So erfreut sich „The Movies“ einer äußerst aktiven Fangemeinde, die intensiv und kontrovers über inhaltliche und formale Aspekte der selbstproduzierten Werke diskutiert.
Bisweilen werden sogar aktuelle politische Ereignisse aufgegriffen. Der Film „The French Democracy“ von Alex Chan thematisiert die Unruhen in den Pariser Vorstädten im letzten Jahr. Die Washington Post und MTV widmeten dem Kurzfilm jeweils einen Beitrag. Man darf gespannt sein, ob die Nutzerinnen und Nutzer von „The Movies“ auch in Zukunft als unabhängige Filmemacher von sich reden machen.
Michael Gurt: Lebenshilfe aus der Flimmerkiste?!
Anregungen und Vorbilder aus dem Fernsehen spielen bei vielen Heranwachsenden eine wichtige Rolle bei der Ausformung der Geschlechtsidentität, von Wertvorstellungen und Lebensperspektiven. Das Fernsehen bietet hierzu eine Vielzahl von Angeboten unterschiedlicher Ausrichtung und Qualität, auf die Kinder und Jugendliche gerne zugreifen. Neben Kinder- und Jugendsendungen sind dies auch Sendungen des so genannten „Affektfernsehens“, das großteils fragwürdige Welt- und Menschenbilder beinhaltet.
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit Chancen und Risiken dieser „Lebenshilfe“ und resümiert in einer medienpädagogischen Einschätzung.merz 2005-05, S. 15-20
Michael Gurt: "Lass die Kettensäge sprechen..."
Lange hat die Computerspiel-Fan-Gemeinde auf das jüngste Werk von id-Software gewartet. Mitte August war es endlich soweit: Nach etlichen Verschiebungen stand Doom3 in den Regalen. In den Regalen? Eine Tatsache, die für ein Computerspiel an und für sich keine Besonderheit ist. Für ein Spiel der Doom-Reihe schon. Schließlich wurden die ersten beiden Teile von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert. Das Spiel gilt als Mutter aller Metzelspiele, war in Darstellungsweise und Technik wegweisend und – eben auch – atemberaubend brutal. Daran hat sich auch im dritten Teil nichts geändert. Zombies und mutierte Soldaten werden reihenweise mit Schrotflinte, Raketenwerfern oder Kettensäge massakriert.
Dabei geht es blutig zu, des öfteren werden sogar Körperteile, Gedärme und andere Innereien bedauernswerter Gewaltopfer über den Bildschirm berteilt. Inhaltlich ist das wie gesagt nichts Neues. Neu ist hingegen die grafische Pracht, in der dieses Gemetzel abläuft. Wurden zu Zeiten der ersten Doom-Version noch grobe Pixelhaufen zu Brei geschossen, stellt die Darstellungsqualität von Doom3 alles bisher da gewesene buchstäblich in den Schatten: raffinierte Licht- und Schatten-Effekte, realitätsnahe Figur-Modelle und lebensechte Texturen erzeugen eine enorme Atmosphäre. Kein Wunder, dass es Doom3 auf Anhieb an die Spitze der Verkaufscharts geschafft hat. Das hat sicher auch damit zu tun, dass auf der deutschen Version der Stempel „Uncut“ (also ungeschnitten) prangt – die deutsche Verkaufsversion ist identisch mit der Originalversion. Dass neben dem Verzicht auf eine inhaltliche Anpassung (Entschärfung) des Originals auch auf eine deutsche Übersetzung verzichtet wurde, stört echte Fans wenig: „Bei Doom3 spricht eh’ nur die Kettensäge“, wie ein Forum-Nutzer der Spielzeitschrift Gamestar treffend bemerkte.
Warum diese Originaltreue der deutschen Version im Falle von Doom3 erstmals nicht zu einer Indizierung führte, ist eine interessante Frage. Formal gesehen kann das Spiel nicht mehr indiziert werden, da die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) eine Freigabe „ab 18“ erteilt hat. Dass die USK bei diesem Spiel keine selbstzweckhafte, exzessive Gewaltdarstellung festgestellt hat, die gegebenenfalls eine Indizierung durch die BPjM nach sich ziehen würde, ist zumindest diskussionswürdig. So könnten böse Zungen behaupten, dass die Neuerung des Jugendmedienschutzgesetzes, die am 1. April 2003 in Kraft getreten ist und die rechtsverbindliche Altersfreigabe in die Hände der USK legte, statt einer „Verschärfung“ bisheriger Regelungen das genaue Gegenteil erreicht hat.
Auch der Vietnam-Shooter Shellshock – Nam’67 hat es in der Originalfassung in die deutschen Händlerregale geschafft, wenn auch nur für kurze Zeit. Da das Spiel nicht vorgelegt wurde, konnte keine Einstufung von Seiten der USK erfolgen. Der Hersteller wusste schon warum: Zur Spielhandlung gehören Kriegsverbrechen wie Misshandlung und Folter, das Abschlachten von vietnamesischen Zivilisten usw. Angeblich will das Spiel den Vietnamkrieg nicht beschönigen und setzt deshalb auf ekelhafte Mordszenen, die der „Realität“ entsprechen. Angesichts dieser Inhalte hat die BPjM das Spiel kraft Entscheidung vom 13. September – etwa eine Woche nach Erscheinen auf dem deutschen Markt – indiziert. Bis dahin stand das Spiel allerdings ohne Freigabekennzeichnung in Kaufhäusern und Fachgeschäften zum Verkauf. Für Juristen mag diese Regelung nachvollziehbar sein, Eltern und andere Erziehungsberechtigte werden sich immer wieder schwer tun, in Sachen Computerspiele den Überblick zu behalten.
(merz 2004-5, S. 96)
Michael Gurt: Lexikon des internationalen Films 2001
Für Cineasten und solche, die es werden wollen, ist diese CD-ROM auch in der 2001er Version ein unverzichtbares Nachschlagewerk. Es umfasst Einträge zu 48.000 langen Filmen inklusive Filmdaten, Originaltitel und Kurzkritiken. Daneben enthält die CD-ROM Portraits von Filmschaffenden sowie Interviews, Essays und Artikel rund ums Kino.
Der Zugriff auf die zahlreichen Einträge erfolgt über vier Rubriken: Filme, Personen, Auszeichnungen und Hintergründe, die zwei Schwerpunkte enthalten: „Highlights der 90er“ und „Spuren des Religiösen“. Die Artikel sowie die Kurzkritiken stammen aus dem „filmdienst“, der Filmzeitschrift aus dem Katholischen Institut für Medieninformation. Die 14-tägig erscheinende traditionsreiche Publikation stellt das Fundament für die CD-ROM dar, was in den fundierten und gut lesbaren Texten seinen Niederschlag findet.
Als Suchwerkzeuge fungieren neben einer Schlagwortsuche ein Rechercheinstrument, bei dem zahlreiche Suchkriterien zur Auswahl stehen: Neben den Hauptkategorien „Filme“ und „Personen“ auch „Produktionsland“, „Produktionsjahr“, „Genre“ und andere. Wie es sich für ein gutes Suchwerkzeug gehört, gibt es die Möglichkeit, diese Kriterien beliebig miteinander zu kombinieren.
Ein Manko ist die teilweise sehr umständliche Benutzerführung. Bis sich der Filmbegeisterte mit der Navigation vertraut gemacht hat, dürfte einige Zeit vergehen. Vor allem den am Computer ungeübten NutzerInnen werden die teilweise unübersichtlichen Strukturen Schwierigkeiten machen. Auch die Logik des Recherchewerkzeugs erschließt sich nicht gerade im Handumdrehen und so braucht es schon einige Klicks, bevor sich den Wissensdurstigen die gewünschten Informationen auftun. Die multimediale Ausstattung des Lexikons ist Geschmackssache: 15 Clips zeigen Ausschnitte berühmter Streifen, daneben gibt es 1500 Fotos, einen hübsch anzusehenden Trailer und einen sphärischen Klangteppich als akustische Untermalung. Gott sei Dank ist dieser im Optionsmenü deaktivierbar. Alles in allem ist die multimediale Aufbereitung durchaus ansehnlich, für den schnellen Informationszugriff allerdings nicht gerade förderlich. So ist auch das Beenden der Anwendung nicht auf einen Klick zu bewerkstelligen, sondern bedarf einiger Geduld, was bei häufigem Gebrauch an den Nerven zehrt. Von diesen Kritikpunkten abgesehen ist dieses Lexikon eine umfassende Informationsquelle, die im deutschsprachigen Raum immer noch konkurrenzlos ist. Als besonderer Service kann das Lexikon alle drei Monate via Internet aktualisiert werden.
Michael Gurt: Medienangebote für Klein- und Vorschulkinder
Der Medienmarkt für Klein- und Vorschulkinder boomt: Von der Musik-CD für Säuglinge über Internetangebote für Drei- bis Achtjährige bis hin zu Lern- und Unterhaltungssoftware für Vor- und Grundschulkinder reicht die Palette.
Dem mannigfaltigen Medienangebot stehen offene Fragen über Sinn und Zweck solcher Angebote gegenüber: Sollen Kinder schon im Windelalter mit Medien konfrontiert werden?
Kann dieser frühe Medienkonsum ihre Entwicklung beeinträchtigen? Oder eröffnet er die Chance, den rechten Umgang mit den Medien von Klein auf zu erlernen und damit Vorteile im späteren Leben zu haben?(merz 06/2003, S. 18-23)
Michael Gurt: Alles echt? Fälle - Menschen - Urteile
Was bisher geschah...Nicht erst seit Barbara Salesch & Co. sind Gerichtssendungen ein fester Bestandteil der deutschen Fernsehlandschaft: In den 60er-Jahren bescherte „Wie würden Sie entscheiden?“ dem ZDF regelmäßig gute Quoten. Gerd Jauch präsentierte echte Fälle, die vor der Kamera nachgestellt wurden. Der Clou: Kurz vor der Urteilsverkündung durfte das Studiopublikum über Freispruch oder Verurteilung abstimmen, das Ergebnis wurde dem Urteil der juristischen Fachleute gegenübergestellt.Ebenfalls im ZDF starteten Anfang der 80er Jahre „Ehen vor Gericht“ und später „Verkehrsgericht“. Beide Formate ergänzen den Schlagabtausch im Gerichtssaal mit Szenen aus dem Umfeld der Verhandlungen. Außerdem kamen Psychologen wie Dr. Ulrich Beer, Scheidungsexperten bzw. Verkehrssachverständige zu Wort, die zu den jeweiligen Fällen handfeste Informationen beisteuerten.Nach einer längeren Flaute meldete sich das Genre im ZDF 1999 mit „Streit um drei“ zurück, eine Sendung, die auf bewährte Rezepte setzte: Mehr oder weniger ungewöhnliche Alltagsfälle, die von einem Moderator und einem Rechtsexperten kommentiert und begleitet wurden. So richtig in Fahrt kam die Erfolgsgeschichte der Gerichtssendungen aber erst mit „Barbara Salesch“. „Echte Fälle – echte Menschen – echte Urteile“ war das Motto der Sendung. Deshalb standen auch „nur“ Schiedsurteile auf dem Programm. Zunächst war Salesch, die übrigens ihrem amerikanischen Vorbild Judge Judy bis auf die Frisur gleicht, wenig Erfolg beschieden. Deshalb wurde das Konzept kurzerhand umgekrempelt: 15.00 Uhr statt 18.00 Uhr, eine ganze statt einer halben Stunde und vor allem: Statt echter Schiedsfälle kamen jetzt erfundene Strafsachen vor den Kadi. Damit war der Schritt von der Gerichtssendung zur Gerichtsshow endgültig vollzogen, die weit spektakuläreren Verhandlungen rund um Liebe, Hass und Eifersucht sorgten für steigende Quoten.
Mittlerweile tummeln sich täglich sechs Gerichtsshows im Nachmittagsprogramm, nach Barbara Salesch darf auf Sat.1 seit November 2001 auch „Richter Stefan Hold“ seines Amtes walten. Die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht und so reagierte RTL prompt auf den Trend. Bereits im September 2001 trat Richterin Ruth Herz vom „Jugendgericht“ an, um Quote zu machen, seit September diesen Jahres machen „Das Strafgericht“ und „Das Familiengericht“ die Riege der RTL-Jurisprudenz komplett. Von Fall zu FallVor kurzem kam im „Jugendgericht“ die Sache Liane Färber zur Verhandlung: Die 20-Jährige hat ihrem Freund mit Hilfe eines selbst gebastelten Flammenwerfers Verbrennungen im Gesicht zugefügt, der Geschädigte ist seither blind. Das Motiv der Angeklagten, so erfährt der Zuschauer vor Prozessbeginn, liegt darin begründet, dass sie mit dem Beruf ihres Freundes nicht klargekommen sei: Der Mann ist Pornoproduzent.Solche oder ähnliche Fälle aus dem „täglichen Leben“ sind keine Seltenheit. Auffällig häufig werden Fälle mit sexuellem Hintergrund verhandelt. Etwa auch der Fall um die 16-jährige Dorothee, die angeblich von ihrem Vater, der von der Familie getrennt lebt, sexuell missbraucht wurde. Aus diesem Grund soll ihm das Umgangsrecht entzogen werden. Im Laufe der Verhandlung wird der Klavierlehrer – gleichzeitig der neue Lebensgefährte der Mutter – als wahrer Schuldiger entlarvt. Das Ganze spielte sich im „Familiengericht“ ab, der spektakuläre Verlauf der Verhandlung mündet in einem Geständnis, bei dem unverständlicherweise auch das junge Opfer im Saal zugegen ist. Ob die Art und Weise der Verhandlungsführung der juristischen Praxis entspricht, ist für den Laien – wie in vielen Fällen – kaum zu beurteilen.Mal abgesehen vom Bild der deutschen Justiz, das hier gezeichnet wird, ist der Wert solcher „Verhandlungen“ für die Zuschauerinnen und Zuschauer fragwürdig: Es findet weder eine psychologische noch juristische Einordnung statt, die Fälle an sich dürften für die meisten sowieso jenseits des eigenen Erfahrungsbereichs liegen. Statt auf Informationswert wird auf den Schauwert des Absonderlichen gezielt.
Nicht nur die Auswahl der Fälle, auch die Art und Weise, wie da vor Gericht miteinander umgegangen wird, kann einem verzerrten Bild vom menschlichen Miteinander Vorschub leisten. Verbale Entgleisungen sind keine Seltenheit, gegenseitige Beschimpfungen und Diffamierungen arten bisweilen sogar in Handgreiflichkeiten aus. Angesichts der schieren Fülle solcher spektakulären Konfliktfälle stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch Menschen gibt, die zumindest einigermaßen miteinander auskommen.Was bleibt?Zumindest scheint derzeit bei den Programmverantwortlichen die Einsicht einzukehren, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer fürs erste keine weiteren Ableger von Salesch & Co. nötig haben. So spricht Sat.1 Geschäftsführer Martin Hoffmann laut einer dpa-Meldung angesichts der beiden neuen RTL-Gerichtsshows bereits von einem „Overkill“.Die Erfahrung, wie schnell der Erfolg eines neuen Formats aufgrund eines solchen „Overkills“ kippen kann, mussten die Sender schmerzlich beim so genannten „Real-Life-Format“ à la „Big Brother“ machen. Spätestens mit „Girlscamp“ und der dritten Staffel von „B.B.“ war der Boom am Ende. Es bleibt abzuwarten, ob den Gerichtsshows ein ähnlich abruptes Ende blüht.
Michael Gurt: RingFit Adventures für Nintendo Switch. Digitaler Breitensport für Anfänger?
Nintendo Entertainment (2019). Ring Fit Adventures, für Nintendo Switch, 79,99 €.
Ein Nachteil am Berufsbild von Medienpädagog*innen ist die häufige ungesunde Sitzhaltung während der Arbeitszeit. Bei manchen kommt eine ausgeprägte Leidenschaft für digitale Spiele oder andere mediale Ablenkungen erschwerend hinzu, die sich ungünstig auf die allgemeine körperliche Verfassung auswirken können. Wie heißt es doch so schön: Sitzen ist das neue Rauchen. Das Spiel RingFit Adventures für Nintendo Switch verspricht Abhilfe. Wie schon zu Wii-Zeiten will Nintendo den Gamer*innen Beine machen. Mit Ring Fit Adventures veröffentlichte Nintendo am 18. Oktober 2019 ein Rundum-Fitness-Angebot für das heimische Wohnzimmer. Das Fitness-Programm ist in eine simple, aber effektive Spielmechanik integriert: Um einem gefährlichen Widersacher, dem wüsten Drachen Draco, den Garaus zu machen, müssen die Spielenden in einer Art Parcours in einer 3D-Landschaft Aufgaben erfüllen, Gegner*innen bekämpfen und Ausrüstung einsammeln. Im Prinzip wie in einem Action Adventure für Einsteiger*innen. Nur, dass die die Bewegung der Spielfigur und der gesamte Spielverlauf durch die eigene Muskelkraft gesteuert bzw. vorangetrieben werden.
Was wird hier gespielt? Begleitet werden die Spielenden auf dieser schweißtreibenden virtuellen Reise von einem ringförmigen Sportsfreund, der dem Spiel seinen Namen gibt. In der virtuellen Welt ist der Ring eine Art Reiseführer, der Kommandos gibt, motiviert und korrigiert – je nach Bedarf und Belastbarkeit der Spielenden. In der Realität ist der Ring ein Trainingsgerät, das je nach eingeblendeter Übung auf andere Weise gestreckt, gequetscht oder angehoben wird. Das zweite Eingabegerät ist eine Beinschlaufe, die – ebenso wie der Ring – mit einem der beiden Joy-Cons (den abnehmbaren und einzeln verwendbaren Controller-Hälften der Switch) bestückt wird. Durch die Sensoren in den Joy-Cons können die Bewegungen in das Programm übertragen werden. Damit werden Bewegungen der Spieler*innen wie Laufen, Springen, Dehnen und Hüpfen ins Spiel gebracht. Zunächst gibt es aber erstmal einen Fitness-Check. Die Spielenden dürfen Alter, Gewicht und Trainingsstand eingeben, außerdem wird der Ruhepuls gemessen. Danach werden Trainingsziele und Spielmodus eingestellt. Im Abenteuermodus wird die Spielfigur durch einzelne Abschnitte der Landkarte einer Fantasy-Welt bewegt. In einzelnen Kapiteln, die jeweils etwa fünf bis zehn Minuten dauern, geht es durch verschiedene Welten, mal idyllisch durch den Wald, mal durch die Wüste. Dabei zeigt sich die vielseitige Verwendbarkeit des Fitness-Rings: Unterwegs werden Hindernisse zerstört, indem der Ring zusammengedrückt wird. Münzen können eingesammelt werden, indem der Ring in die jeweilige Richtung gedreht und zusammengedrückt wird. Treppensteigen funktioniert, indem die Knie beim Laufen in die Höhe schnellen. Die Steuerung ist schnell gelernt und intuitiv.
Durch die spaßige Spielmechanik fühlt sich das Ganze nicht wie Training an – man kommt aber auf jeden Fall ins Schwitzen. In fast jedem Abschnitt gibt es Kämpfe, die in Form von Fitnessübungen absolviert werden. Will man einen Kampf siegreich gestalten, kommt es auf die korrekte Ausführung der Übungen und ein gutes Timing an. Damit es nicht zu schwierig wird, gibt es Hilfsmittel im Spiel: Die Möglichkeit, sich mit virtuellen Tränken zu stärken, seine Werte durch Ausrüstung zu verbessern und Attacken zu stärken, erinnert an ein Rollenspiel. Für die kurze Trainingseinheit zwischendurch bietet Ring Fit Adventures die Schnellspiele an, in denen die Spieler*innen in diversen Minispielen auf Punktejagd gehen. Für etwas ‚ernsthaftere‘ Trainingseinheiten lassen sich Übungen aus dem Abenteuermodus auch ohne Hintergrundgeschichte auswählen. Das Spiel verfügt übrigens über einen ‚leisen Modus‘, der jederzeit aktiviert werden kann. Damit benachbarte Menschen nicht gestört werden, ersetzt diese Einstellung das Joggen auf der Stelle durch Mini-Kniebeuge. Das Konzept geht auf. Originelle Spielideen haben bei Nintendo Tradition: Die zu ihrer Zeit enorm beliebten Wii Bewegungsspiele wie etwa Boxen oder Tennis haben die Bewegungssteuerung salonfähig gemacht und besonders Familien neue, interaktive Spielformen ermöglicht. Ebenfalls enormen Einfallsreichtum hat Nintendo mit dem Konstruktionsspielzeug Nintendo Labo für die Switch bewiesen. Bastelbögen aus Karton werden in Kombination mit den Joy-Cons zu interaktivem Spielzeug. Das Konzept von RingFit Adventures ist ähnlich innovativ und geht voll auf: Selten durfte auf so spielerische Weise am eigenen Fitnesszustand gearbeitet werden. Das Spiel ersetzt Sport nicht im traditionellen Sinn. Joggen im Freien, Mannschaftssportarten oder ‚richtiges‘ Fitnesstraining sind wahrscheinlich besser geeignet, die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern und gesundheitlichen Problemen vorzubeugen. Das Spiel kann aber die Lust an der Bewegung fördern und regt Fitnessmuffel an, auf spielerische Weise in Bewegung zu bleiben. Gerade für Menschen, die für Sport eigentlich wenig übrig haben und viel am Computer sitzen, kann so ein Ausgleich geschaffen werden. Als Spiel funktioniert RingFit Adventures erstaunlich gut: Der Einstieg ist sehr leicht, die Lernkurve nicht besonders steil und die Motivation weiterzuspielen ist durch ein ausbalanciertes Anreizsystem und immer neue Herausforderungen gegeben. Zugegeben ist die Geschichte nicht sehr originell und die grafische Umsetzung eher auf eine jüngere Zielgruppe zugeschnitten. Kindern ab etwa sechs Jahren dürfte das Spiel viel Spaß machen. Das Spiel ist ohne Altersbeschränkung freigegeben, die Aufgaben und Trainingseinheiten sind gut für eine jüngere Zielgruppe anpassbar. Die bunte Comicgrafik dürfte spielbegeisterten Mädchen und Jungen gefallen, die Geschichte rund um die Rettung einer geheimnisvollen Welt sowieso. Der Humor des ‚Trainingspartners‘, dem virtuellen Ring, ist ebenfalls eher kindlicher Natur. Auch die Kämpfe, die in Form von Übungen ausgetragen werden, dürften selbst jüngere Kinder nicht schrecken. Einziger Kritikpunkt ist, dass es keinen echten Multiplayermodus gibt. Zwar können sich zwei Spieler*innen abwechseln und Leistungen vergleichen, echtes Teamwork ist aber nicht vorgesehen. Eigentlich schade, denn gerade für Kinder wäre es sicher besonders reizvoll, sich gemeinsam mit Freund*innen oder der Familie ins virtuelle Fitnessabenteuer zu stürzen.
Michael Gurt: FLIMMO startet neu
Im 25. Jahr startet ‚FLIMMO – Programmberatung für Eltern‘ generalüberholt durch. Seit Ende Mai ist der neue FLIMMO auf www.flimmo.de abrufbar, eine native App für gängige mobile Betriebssysteme folgt in Kürze. Mit einem weiterentwickelten Bewertungssystem nimmt FLIMMO jetzt neben TV auch digitale Kanäle in den Blick. Denn Kinder haben ein Recht auf altersgerechte Unterhaltung und Informationen, die sie nicht überfordern.
Gleichzeitig haben sie ihren eigenen Geschmack und ihre eigene Perspektive. Bei FLIMMO steht diese Perspektive im Mittelpunkt: Was gefällt ihnen an Filmen und Serien? Was schauen sie sich gerne auf welchen Kanälen an und warum? Wie gehen sie mit Medienerlebnissen um und wie verarbeiten sie diese? Damit Eltern Kinder im Umgang mit Bewegtbild-Inhalten kompetent unterstützen und begleiten können, beantwortet FLIMMO solche und ähnliche Fragen.
Für den schnellen Überblick zeigt eine Ampel, ob der jeweilige Inhalt für Kinder geeignet ist oder nicht. Grün bedeutet, dass Kinder ab dem angegebenen Alter auf ihre Kosten kommen. Sie finden Unterhaltsames, Spannendes, Lustiges und Lehrreiches. Gelb signalisiert problematische Aspekte: Das können fragwürdige Rollenbilder sein oder Held*innen, die ausschließlich auf Gewalt setzen. Steht die Ampel auf Rot, gibt es Elemente, die Kinder überfordern, verunsichern oder ängstigen können.
Eine wichtige Neuerung sind die FLIMMO-Empfehlungen. Sie haben Kindern viel zu bieten und überzeugen durch Qualität und Originalität. Neben dem TV-Programm von elf Sendern in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr werden Mediatheken und Streaming-Dienste berücksichtigt. Das sind derzeit die Streaming-Anbieter Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ sowie die ARD-Mediathek, die ZDF-Mediathek, toggo, kika.de, TVnow und Joyn. Weiterhin bespricht FLIMMO auch Kanäle auf YouTube sowie aktuelle Kinofilme, die sich an Kinder oder Familien richten.
Herausgeber von FLIMMO ist der gemeinnützige Verein Programmberatung für Eltern e.V. Mitglieder sind elf Landesmedienanstalten, die Stiftung Medienpädagogik Bayern und das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI). FLIMMO wird durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert, ist unabhängig, kostenlos und werbefrei. Mit der Durchführung des Projekts FLIMMO ist das JFF – Institut für Medienpädagogik aus München beauftragt.
www.flimmo.deMichael Gurt: Brexit total
Für Sascha Lobo ist der Brexit die direkte Folge eines Konzepts, das er Bullshit 9.0 nennt. Und nein, damit ist nicht das aberwitzige Drama um das Ausscheiden der englischen Mannschaft bei der Fußball-EM gegen Island gemeint. Bullshit 9.0 meint die völlige und bedingungslose Abkopplung von rationalem Argumentieren und politischem Agieren. Quasi eine Fortsetzung von ‚Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?‘, einem Zitat aus der Frühzeit der Republik ohne Internet. In Zeiten von Brexit- Aktivist Nigel Farage, Pegida-Plärrern oder der Führungsriege der AfD mag sich manch einer zurücksehnen nach ‚der guten alten Zeit‘. Politikerinnen und Politikern von gestern waren die Enthüllung von Täuschung, Lüge und Verrat hinterher wenigstens manchmal peinlich und führten zu Rücktritten oder Entschuldigungen. Heute wird sich mit solchen Kinkerlitzchen nicht aufgehalten, das Hier und Jetzt zählt – und natürlich ausschließlich die eigene Meinung. Fakten und logisches Denken ist was für Weicheier. Wenn schon Demagogie, dann mit Schmackes.
Der Großmeister des Bullshit 9.0 ist ohne Frage Donald Trump: Ein rassistischer, populistischer Hetzer, der über jede Scham erhaben ist. Wem Ronald Reagan als US-Präsident schon wie ein schlechter Witz vorkam, wird bei Trump vollends vom Glauben abfallen. Wenn die Realität schlimmer ist als die letzte kackblöde Reality- Show, weiß auch der optimistischste Kolumnist, was die Stunde geschlagen hat.
Für mich ist Bullshit 9.0 sogar noch breiter aufgestellt. Der Quatsch kennt keine Grenzen. Beweise finden sich in Forumsbeiträgen, egal zu welchem Thema. Ob Beiträge zur Bundesgartenschau, der Fußball-EM oder das jährliche Treffen der Zinnsoldatenfreunde: Allenthalben Verschwörungen wahlweise der Deutschland GmbH, von ‚das‘ Merkel und ihrem Regime von Volksverräterinnen und -verrätern, den Putin-Verstehenden, linksversifften rot-grünen Gutmenschen und natürlich der Lügenpresse.
Bestimmt hätten auch unsere Vorfahren gerne mal in der Anonymität des Internets über ‚die da oben‘ so richtig vom Leder gezogen: ‚Kolumbus? Diese halbblinde italienische Witzfigur findet doch nie den Seeweg nach Indien!‘ Hm, blödes Beispiel ... jedenfalls war es noch nie so salonfähig, sich im Netz über alles und jeden zu ereifern. Über die Hand in der Hose von Jogi Löw, kritische Berichte über fragwürdige Frauenbilder in Computerspielen, die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, zu viel oder zu wenig Regen, Sonnenschein oder Frühnebel, zu heißer oder zu kalter Kaffee und natürlich den Schnee von gestern. Apropos Schnee von gestern: Kaum war das Votum für den Brexit auf dem Tisch, war laut Google die zweithäufigste Suchanfrage der Briten: Was ist die EU? In solchen Fällen pflegte mein alter Lateinlehrer zu sagen: Herr, lass Hirn vom Himmel fallen! Der Herr im Oberstübchen scheint gerade anderweitigbeschäftigt. Wahrscheinlich mit dem Lesen der Kommentare unter dieser Kolumne. Falls Sie darin kritische Beiträge zur Kompetenz von Jogi Löw als Bundestrainer, meiner Qualität als Kolumnenschreiber oder Auslassungen zu ‚denen da oben‘ finden, empfehle ich einen Selbstversuch: Einfach mal nicht lesen. Sie werden sich wundern, wie vieles leichter wird, wenn man den Bullshit 9.0 sich selbst überlässt.
Im Gespräch mit Michael Gurt und Nadine Kloos (FLIMMO): Elternberatung zu TV, Streaming, YouTube & Co.
Die Herausforderungen der Medienerziehung in der Familie sind mit der zunehmenden Verbreitung digitaler Abspielwege von Bewegtbildangeboten größer geworden. Nadine Kloos und Michael Gurt von der Redaktion FLIMMO gehen darauf ein, inwieweit die vielfältigen Möglichkeiten und Herausforderungen überfordern können, welche Regelungen funktionieren und was Eltern insgesamt beachten sollten, um Kinder beim Aufwachsen in einer digitalen Umwelt voller bewegter Bilder gut zu begleiten.
Benedikt Aigner/Linus Einsiedler/Michael Gurt/Selma Maglic/Georg Materna: Postmigrantische Medienpädagogik in Zeiten von Krieg und Konflikt
Junge Menschen mit Kriegs- und Fluchterfahrung gehören zunehmend zur Zielgruppe medienpädagogischer Praxis und Forschung. Für eine postmigrantische Medienpädagogik entstehen daraus neue Herausforderungen. Im Text reflektieren die Autor*innen auf Basis ihrer Erfahrungen, welche Konsequenzen für Schutz und Teilhabe diverser Zielgruppen sowie das eigene pädagogische Handeln daraus entstehen.
Literatur
Bridgland, V. M. E., Jones, P. J. & Bellet, B. W. (2023). A meta-analysis of the efficacy of trigger warnings, content warnings, and content notes. Clinical Psychological Science. https://doi.org/10.1177/21677026231186625
Brüggen, N., Müller, E. (2021). Diskussion der Ergebnisse aus medienpädagogischer Perspektive. In N. Brüggen, M. Dohle, O. Kelm & E. Müller (Hrsg.), Flucht als Krise? Flucht, Migration und Integration in den Medien sowie die themenbezogene Aneignung durch Heranwachsende (S. 317–319). kopaed. https://dx.doi.org/10.25969/mediarep/18930
Endres, S. & Filipović, A. (2019). Ethikdidaktische Grundsätze zum Themenbereiche Flucht als Krise. Arbeitspapier für das Projekt ‚MeKriF – Flucht als Krise. Mediale Krisendarstellung, Medienumgang und Bewältigung durch Heranwachsende am Beispiel Flucht‘. https://mekrif.jff.de/fileadmin/user_upload/mekrif/AP02_MeKriF_Ethikdidaktische_Grundsaetze_zum_Themenbereich_Flucht_als_Krise.pdf
Foroutan, N. (2016). Postmigrantische Gesellschaften. In H. Brinkmann & M. Sauer (Hrsg.), Einwanderungsgesellschaft Deutschland (S. 227–254). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05746-6_9
Initiative Awareness e. V. (2021). Umgang mit Diskriminierung & (sexualisierter) Gewalt bei Veranstaltungen. https://assets-global.website-files.com/61adebf2ee423f79265e3f74/624ea82330e33644482252b3_Support%20f(x)_Broschu%CC%88re.pdf
Kampert, M. & Rusack T. (2019). Schutzkonzepte in Organisationen für junge Menschen mit Fluchterfahrung. Partizipation als Chance zur Selbstwirksamkeit. In Braches-R. Chyrek, T. Kallenbach, C. Müller & L. Stahl (Hrsg.), Bildungs- und Teilhabechancen geflüchteter Menschen: Kritische Diskussionen in der Sozialen Arbeit (S. 79–92). Barbara Budrich.
Maser, N. & Neckel, S. (2023). Awareness: Paradoxien eines Emotionsprogramms. Leviathan, 51(2), 300–324. https://doi.org/10.5771/0340-0425-2023-2-300
Mecheril, P. (2010). „Kompetenzlosigkeitskompetenz“. Pädagogisches Handeln unter Einwanderungsbedingungen. In G. Auernheimer, G. (Hrsg.), Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität (S. 15–34). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92312-3_2
Spielhaus, R. (2014). Studien in der postmigrantischen Gesellschaft: Eine kritische Auseinandersetzung. In Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.), Kongressdokumentation (S. 96–100). Bundesfachkongress Interkultur Diversity 2012.
FLIMMO/Michael Gurt: Kinderfilm über Flucht und Freundschaft
Slava, der Hund (Spielfilm)
Die Geschwister Andryi und Alona müssen mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. In Hamburg kommt die Familie beim Ex-Freund der Mutter unter. Doch der Anfang in einem neuen Land ist schwer, vor allem weil der Familienhund Slava unterwegs verloren gegangen ist. Bei ihrer Suche nach Slava bekommen sie viel Unterstützung und können ihren Hund am Ende wieder in die Arme schließen. Mit viel Einfühlungsvermögen und einer Prise Zirkusmagie erzählt der Film von Flucht und Krieg aus der Sicht von Kindern. Kinder ab Mitte des Grundschulalters können sich in Alona und Andryi gut hineinversetzen und fiebern bei der Suche mit.
FLIMMO/Michael Gurt: Kinder berichten: Krieg aus erster Hand
Ukraine - wie wir den Krieg erleben
Ukrainische Kinder halten ihre Flucht- und Kriegserfahrungen mit der Kamera fest. Gedanken, Gefühle und Strapazen werden in der Dokumentation authentisch festgehalten und nachvollziehbar gemacht. Die Doku sensibilisiert die Zuschauer*innen im Umgang mit Geflüchteten und zeigt, dass ein offenes und neugieriges Miteinander eine Bereicherung für alle sein können. Dass die Betroffenen in ihrer schrecklichen Situation Hilfe erhalten, kann Kinder motivieren, selbst aktiv zu werden und Unterstützung anzubieten.
Michael Gurt: Friedensbildung für pädagogische Fachkräfte
Servicestelle Friedensbildung Baden-Württemberg
Die Website richtet sich an Lehrer*innen und pädagogische Fachkräfte und stellt Materialien und Anregungen zur Friedensbildung im Unterricht und darüber hinaus zur Verfügung. Die Informationen und Lehrmaterialien sind übersichtlich gegliedert und auf unterschiedliche Altersgruppen zugeschnitten. Neben Materialien (Filme, Handouts, Projektbeschreibungen, Texte usw.) für den pädagogischen Einsatz finden sich auch Informationen zu Veranstaltungen, Ausstellungen und Fortbildungen.
Michael Gurt: Kindergerechte Informationen zu aktuellen Ereignissen
Logo! Themenseite: Krieg im Gazastreifen
Die logo!-Redaktion bietet Kindern im Grundschulalter aktuelle Informationen, Hintergründe, aber auch Einblicke in den Krieg aus Sicht von betroffenen Kindern. Die Ereignisse und Zusammenhänge werden in kindgerechte Sprache übersetzt und an Beispielen erklärt. Zentrale Rubrik auf der Seite ist Eure Frage: Hier werden Anfragen von Kindern in kurzen Clips von Expert*innen beantwortet.
Michael Gurt: Fragen zu Krieg und Frieden kindergerecht beantwortet
Friedenfragen
Auf der Website https://frieden-fragen.de werden Fragen zu Krieg und Frieden, zu Konflikten und Auseinandersetzungen aufgegriffen und kindgerecht bearbeitet. Die Fragen von Kindern und Jugendlichen werden individuell beantwortet und entweder auf der Website veröffentlicht oder privat per E-Mail versendet. Zusätzlich gibt es Informationen zu aktuellen Kriegen, ein Lexikon und Beiträge über die „Friedensmacher weltweit“. Auch für den pädagogischen Kontext gibt es Material, zum Beispiel über den Umgang mit Konflikten oder die Arbeit von Streitschlichter*innen.
Christa Gebel / Michael Gurt / Ulrike Wagner: Kompetenzbezogene Computeranalyse
Dass Computerspiele Kompetenzen fördern, ist eine höchst plausible Annahme. Der Nachweis, dass Leistungsverbesserung in Computerspielen auch gesteigerte Kompetenz außerhalb des Spiels bedeutet, und die Bestimmung förderlicher Bedingungen stehen jedoch noch aus. Hierfür bedarf es kompetenzbezogener Kriterien zur Beurteilung von Computerspielen, die unter anderem auf einer differenzierten Medienanalyse gründen und die herkömmliche grobe und unsystematische Genrezuordnung überwinden.
(merz 2004-03, S. 18-23)
Michael Gurt: Der Sommer der Wahrheit
„Das ist halt die Wahrheit und das richtige Leben. Wie es halt wirklich ist.“ (Flimmo-Kinderbefragung 1/2009 zu Erziehungs-TV). Wer sich im Sommerloch der letzten Wochen durchs TV-Programm zappte, war diesem richtigen Leben an allen Ecken und Enden ausgeliefert: Die Sommermädchen liefen auf ProSieben Schau und ließen sich von Möchtegern-Zuhältern am und im Pool erniedrigen. Auf RTL durften „Halberwachsene“(ebenda). Erwachsen auf Probe spielen und Babyattrappen im Schlaf erdrücken. Auf dem selben Sender griff Kolb ein, um Nachbarschaftsstreits ein Ende zu setzen. Dazu zwang er streitsüchtige Kleingärtner und hysterische Hausbesitzer an einen Tisch, damit diese vor der Fernsehöffentlichkeit ihre dreckige Wäsche waschen. Die Baustelle Liebe zeigte wackere Handwerker, denen die Romantik mit der Brechstange eingebläut wird. Und am Ende mussten die bedauernswerten Burschen auf der Showbühne auf die Tränendrüse ihrer Holden drücken. Die süffisanten Einlassungen der gazellengleichen Moderatorin machten die Sache nicht besser. Der absolute Renner des „Echtmenschen-Fernsehens“ sind Erziehungsformate. Damit auch der letzte Ewig-Gestrige einsieht, wie verdorben die junge Generation ist, werden reihenweise Zwangsmaßnahmen abgefilmt. Kaum zu glauben, dass es noch Heranwachsende gibt, die nicht durch die Besserungsanstalt Fernsehen getrieben wurden: Von der Super-Nanny geht es zu den Super Lehrern, von den Strengsten Eltern der Welt zu den Schulermittlern. Das Aufwachsen unter erschwerten Bedingungen ist ein steter Quell neuer Formate. Böse Zungen behaupten, die einschlägigen Sender ziehen sich durch ihren Programm-Müll die künftigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Formate gezielt heran. Auch wenn diese These etwas gewagt ist, muss die Frage erlaubt sein, warum unter dem Deckmantel pädagogischer Aufklärung dem Voyeurismus bedingungslos gefrönt werden darf. Angesichts der Qualität und des Ausmaßes der Reality-Doku-Soap-Coaching-TV-Welle reagieren Presse und Öffentlichkeit matt und abgestumpft auf die Zumutungen des Sommerprogramms. Nur Erwachsen auf Probe ließ die üblichen Alarmglocken läuten, weil Babys (und nicht wie sonst Kinder, Jugendliche oder Erwachsene) als Unterhaltungsware instrumentalisiert wurden. Dem Reality- und Casting-Wahn stemmte sich lediglich ein beherzter Vorzeige-Intellektueller entgegen, dafür in drastischer Form: Roger Willemsen drohte Germany’s Next Topmodel Heidi Klum Schläge an. Aber die knallharte Heidi wäre nicht ihres Vaters Tochter, würde sie aus solch medienwirksamen Anfeindungen nicht Publicity-Prof it schlagen. Wäre es nicht so traurig, könnte man über besonders aberwitzige Programm-Entgleisungen herzhaft lachen: Dass ausgerechnet Till Schweiger Germanys Next Hollywood-Star kürt, ist etwa so einleuchtend wie Dieter Bohlen als Musik-Juror. Aber das ist eine andere traurige Geschichte. Besonders beschämend wird es, wenn ehemalige B-Prominente nicht einfach bleiben, wo sie hingehören: In der Versenkung. Box-Legende René Weller („Der schöne René“) macht im Promi-Trödel-Trupp (RTL II) auf grenzdebilen Messie, der seine bessere Hälfte durch renitenten Altersstarrsinn zur Verzweif lung treibt. Bei Sendungen wie diesen gewinnt das Wort Fremdschämen eine ganz neue Bedeutung. Auch die Bräutigamschau von Giulia „In Love“ Siegel fällt in diese Kategorie. Der inszenierte Lustwandel taugt Gott sei Dank ebenso wenig zum Quotenrenner wie 90 Prozent der Sendeformate dieses Schlages. So bleibt die Hoffnung, dass Giulia, Till und Co. dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen sind: ins abgrundtiefe Sommerloch.
Michael Gurt: Kein Sex mehr mit Vampiren!
Neulich auf einer Party: Sie:„Und, was machst du so ...?“
Ich: „Ich bin Medienpädagoge.“
Sie: „Das ist ja interessant. Und was macht man da so?“
Ich: „Ich erkläre Eltern zum Beispiel, warum sich Kinder und Jugendlich für bestimmteMedieninhalte begeistern.“
Sie: „Aha ... versteh ich nicht.“
Ich: „Also zum Beispiel diese Teenager-Vampierfilme, die grade so in Mode sind. Twilight – BIS(S) zum Morgengrauen und so ...“
Die Miene meiner Gesprächspartnerin hellt sich etwas auf. „Ich kann dir genau erklären, warum dieser Quatsch bei Teenagern so populär ist. Es geht um einen total gut aussehenden jungen Vampir, der neu an der Schule ist, der verliebt sich unsterblich in ein Mädchen. Aber weil er nun mal ein Vampir ist, dürfen sie keinen Sex haben, sonst gerät er in den üblichen vampirmäßigen Blutrausch und – zack bumm – aus ist’s mit der großen Liebe, du verstehst? Die alte Geschichte von der ‚reinen Liebe’, die von der dunklen Triebhaftigkeit der menschlichen Sexualität bedroht wird. Ist ja auch kein Wunder, die Autorin gehört der Kirche der Heiligen der Letzten Tage an. Kein Sex vor der Ehe, verstehst du ...und schon gar nicht für Vampire mit Beißhemmung! Na ja, typischer amerikanischer Teenagerquatsch eben. Und die Nachahmer stehen schon in den Startlöchern. Auf ProSieben ist grade Vampire Diaries angelaufen, das ist dasselbe in Grün. Eine schwülstige Inszenierung verdrängter Leidenschaft mit schmachtenden Blicken und im Kerzenschein blitzenden Eckzähnen.“
Meine Gesprächspartnerin hat eindeutig die Gesichtsfarbe gewechselt. Meine Ausführungen haben ihr eine schamhafte Röte ins Gesicht getrieben ...
„Ach, du kennst die Romane? Twilight hast du schon dreimal gesehen? Und Vampire Diaries ist deine Lieblingsserie? Verstehe.“
Irgendwie hat die Beantwortung der eigentlich so unverfänglichen Frage „Und, was machst du so?“ dazu geführt, dass die sexuelle Enthaltsamkeit an diesem Abend nicht alleine den Vampiren vorbehalten war. Dass selbst Anfang 30-jährige Akademikerinnen, die ungemein gebildet, karrierebewusst und aufgeklärt sind, diesem Schmonzus auf den Leim gehen, belegt dreierlei:
1. Die akademische Ausbildung ist auch nicht mehr das, was sie mal war
2. Vampirismus ist auch nicht mehr das, was er mal war
3. Jugendkult ist auch nicht mehr das, was er mal war ... nämlich der Jugend vorbehalten.
Beseelt von diesen Einsichten besinne ich mich auf meinen anstehenden vierzigsten Geburtstag, überlasse den romantischen Vampiren ihren triebfeindlichen Lebenswandel und merke mir vor, endlich mal wieder Murnaus Nosferatu anzusehen. Vielleicht gibt es ja bald eine Neuverfilmung mit Keira Knightley und Ashton Kutcher ... igitt!Außerdem fällt auf, dass die mittlerweile übliche multimediale Vermarktungsstrategie auch vor den jungen Blutsaugern nicht haltmacht. Teenager jeden Alters identifizieren sich mit ihren lichtscheuen Idolen und nehmen dafür zusätzlicheKosten in Kauf. Das Potenzial ist aber längst nicht ausgeschöpft. Unter dem Slogan „Bis(s) die Kasse klingelt“ ließen sich Kondome mit Knoblauchgeschmack, Blutwurst in Herzform oder sargförmiges Kastenbrot vermarkten. Dernächste Valentinstag kann kommen!
P. S.: Ich habe beschlossen, beim Small-Talk auf Partys als Beruf Jurist anzugeben. Das erscheint mir unverfänglich und provoziert keine Nachfragen. Mal sehen, ob es funktioniert.
Michael Gurt: "Diese ganze überzogene Welt kann man halt sehen"
Partnersuche, Partynächte, waghalsige Stunts – was auf den ‚Musiksendern‘ VIVA und MTV zu sehen ist, hat mit ‚Musikprogramm‘ oft wenig zu tun. Stattdessen werden Themen des Jugendalters auf oft plakative und überzogene Weise dargestellt und verhandelt. Jugendliche können mit der provokativen Überspitzung häufig schon umgehen, suchen sie gar, um sich von den Erwachsenen abzugrenzen. Doch nicht selten schalten auch Kinder ein, wenn im Fernsehen gedated, geknutscht und geprügelt wird. Was sie daran fasziniert und wie sie damit umgehen zeigen die Ergebnisse der FLIMMO-Kinderbefragung 2010.
Michael Gurt: Alles echt? Reality TV ohne Ende
Reality TV gibt es im deutschen Fernsehen schon relativ lange. Als Vorläufer gilt die Sendung Aktenzeichen XY im ZDF, die 1968 das erste Mal auf Sendung ging. Mit Hilfe des Publikums sollten Straftaten im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung aufgeklärt werden. Dazu wurden in jeder Sendung drei bis fünf ungelöste Kriminalfälle in Form von filmischen Rekonstruktionen vorgestellt. Im Anschluss wurden die Zuschauerinnen und Zuschauer aufgefordert, durch Hinweise zur Aufklärung der Kriminalfälle beizutragen. In dieser Tradition steht auch die Sendung Notruf (RTL) mit Moderator Hans Meiser, in der tatsächliche Ereignisse – meist Katastrophen, Unfälle oder Verbrechen – nachgestellt oder durch Videoaufnahmen (z. B. Überwachungskameras) dokumentiert wurden. Meist wurde der Verlauf der Unfälle mit den Beteiligten an Originalschauplätzen nachgedreht. Off-Kommentare und Kurz-Statements der Unfallbeteiligten, des Rettungspersonals und der Ärzte begleiten und strukturieren dabei die filmischen Sequenzen. Durch die mitunter drastische Darstellung der Gefühle und schmerzhaften Verletzungen der Beteiligten sollte das Publikum auf einer emotional mitreißenden Art und Weise angesprochen werden. Dazu wurden die filmischen Sequenzen häufig mit Musik unterlegt, des Weiteren wurden Zeitlupe und ähnliche Elemente eingesetzt. Für manche Eltern war Notruf eine Art Aufklärungsunterricht, um Kindern und Jugendlichen die Gefahren des Alltags nahe zu bringen: Ich sag’ ‚guck dir das an’, dass er mit keinem mitgehen soll … oder die Tür nicht öffnen darf, wenn er alleine ist“ (Theunert 1996, S. 25), begründete eine Mutter, warum sie gemeinsam mit ihrem Sohn die Sendung Notruf anschaut. In den folgenden Jahren wurden weitere narrative Reality TV-Angebote entwickelt, unter anderen Nur die Liebe zählt (Sat.1) oder Verzeih mir (RTL).
Statt lebensbedrohlicher Situationen oder Verbrechen standen hier romantische Gefühle, Liebeserklärungen und Versöhnung von zerstrittenen Partnern im Mittelpunkt. Gemeinsam war all diesen Sendungen ein hoher Grad von Emotionalisierung. Andere Varianten des „Affektfernsehens“ (Klaus/Lücke 2003, S. 197) waren Suchsendungen oder Konfrontations-Talkshows (Der heisse Stuhl (RTL)). Mit Big Brother (RTL II) startete dann im Jahr 1999 der Prototyp des sogenannten „performativen Reality TV“ (ebd., S. 199). Hier wird die Sendung zur „Bühne einer nicht-alltäglichen Inszenierung, die jedoch direkt auf die Lebenswirklichkeit der Kandidatinnen und Kandidaten eingreift“ (ebd.). An Big Brother entzündete sich besonders heftig die Diskussion über Formen und Grenzen dieser neuartigen Fernsehformate. Vor allem die Frage, ob die Zurschaustellung von Privatpersonen in ihrer Privat- bzw. Intimsphäre legitim ist, selbst wenn es mit Zustimmung der beteiligten Personen geschieht. Die öffentliche Erregung verschaffte dem Format enorme Aufmerksamkeit und machte auch vor dem jüngeren Publikum nicht halt. So war zu Beginn die Neugier auch bei (älteren) Kindern und Jugendlichen groß. Laura (16 Jahre) brachte diese Faszination auf den Punkt: „Es ist authentischer als die meisten Daily-Soaps. Da ist alles sehr authentisch, wahr gelebt.“ (FLIMMO-Kinderbefragung 1/2001) Aktuelle Einschaltquoten zeigen, dass die mittlerweile elfte Staffel von Big Brother bei Kindern und Jugendlichen kaum noch eine Rolle spielt. Dagegen sind Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar (RTL) bei Kindern und Jugendlichen nach wie vor populär. Die Sendung hat in Deutschland einen wahren Castingshow-Boom ausgelöst. Ein Grund für die Popularität der Sendung dürften auch die verbalen Einlassungen des Jury-Chefs Dieter Bohlen sein. Die Beschimpfung wenig talentierter Bewerber wurde zum Markenzeichen der Sendung und führte bereits mehrfach zur Beanstandung durch die KJM. „Die hämische Inszenierung der Auftritte untalentierter Kandidaten und die herabwürdigenden Kommentare der Jury stellen Menschen bloß und können zusehende Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigen“, so die KJM anlässlich der Einleitung eines Ordnungswidrigkeits-Verfahrens im Jahr 2008. Überhaupt spielt der kalkulierte Tabubruch im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit in diesem Programsegment eine wichtige Rolle: „Die öffentliche Sensibilität um Skandale im Reality TV, die sich zuletzt vor dem Start des Formats Erwachsen auf Probe gezeigt hat, droht zum kalkulierten, ja strategisch geplanten Kommunikationsereignis im Interesse des ausstrahlenden Senders zu werden, wenn sie sich auf folgenlose, öffentliche Empörung beschränkt.“ (Lünenborg et al. 2011, S. 12) Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde eine Vielzahl von Programmformaten des Reality TV entwickelt, mit sehr unterschiedlichem Erfolg.Während manche Sendungen nach schlechten Quoten schnell wieder verschwunden sind (z. B. Girls Camp (Sat.1) und The Big Boss (RTL)) wurden andere zu echten Dauerbrennern (Frauentausch (RTL II)). Die aktuelle Programmlandschaft zeigt eine große Zahl von Sendungen, in denen vorgeblich Wirklichkeit abgebildet wird oder – im Sinne des performativen Reality TV – reale, nichtprominente Menschen in konflikthaften und mehr oder weniger dramatischen Settings zur Schau gestellt werden. Derzeit lassen sich vor allem drei Ausprägungen zusammenfassen:
„Help-TV“: Das Fernsehen als Retter in der Not
Auch wenn das Sendungskonzept variiert, letztendlich werden Menschen mit mehr oder weniger großen Problemen in unangenehmen, verzweifelten und ausweglosen Situationen gezeigt: egal ob Menschen mit Übergewicht (The biggest Looser (Kabel1)), mit massiven Erziehungsproblemen (Die Supernanny (RTL), Teenager außer Kontrolle (RTL)), oder mit Schwierigkeiten bei der Bewältigung des eigenen Alltags (Schluss mit Hotel Mama (Kabel 1), Das Messie-Team – Start in ein neues Leben (RTL II)). Die Dramaturgie solcher Sendungen läuft immer ähnlich ab: Zunächst wird die problematische Finanz-, Familien- oder Lebenssituation in drastischer Weise in Szene gesetzt, die dann mithilfe eines Experten oder einer Expertin bearbeitet wird. Dabei setzt die Sendung auf Stereotype und Vereinfachung, differenzierte Ursachenforschung wird kaum betrieben. Stattdessen werden die Schwächen und Probleme der Beteiligten lustvoll ausgeschlachtet: Die Qualen beim Abnehmen, die Hilflosigkeit überforderter Eltern in Konfliktsituationen mit ihren Kindern, die Unfähigkeit sogenannter Messies, sich dem Chaos in den eigenen vier Wänden zu stellen. Dabei wird die Vorstellung transportiert, dass durch eine einmalige Hilfsaktion grundlegende und nachhaltige Verbesserung für die Betroffenen herbeigeführt werden kann. Dass dies nicht der Realität entspricht, wird von Fachleuten aus den Bereichen Erziehungsberatung, Psychotherapie und Pädagogik immer wieder betont. Ein Coaching der besonderen Art wird jungen Männern in der Sendung Das Model und der Freak – Falling in Love am Nachmittag auf PRO 7 zuteil. In jeder Sendung sollen zwei schüchterne Eigenbrötler zu „ganzen Kerlen“ gemacht werden. Die Kandidaten werden zunächst als einfältige Trottel und alltagsuntaugliche Verlierer in Szene gesetzt, um dann von attraktiven und weltgewandten Models ‚beziehungstauglich‘ gemacht zu werden. Dabei soll zum Beispiel fehlendes Körpergefühl durch die Kontaktaufnahme mit einer Stripperin gefördert werden, ein neues Outfit soll Selbstvertrauen schaffen et cetera. Die „Freaks“ müssen Häme und Schadenfreude über sich ergehen lassen, um bereit zu sein für ihr neues, besseres weil ‚normales‘ Ich. Wie in allen Formaten dürften sich die Beteiligten kaum über die Konsequenzen im Klaren sein. Nämlich was es bedeutet, im Alltag als „Freak“, „Messie“ oder „Problemkind“ aus dem Fernsehen erkannt zu werden.
Alltag nach Drehbuch: Scripted Reality
Andere Sendungen zeigen einen mehr oder weniger dramatischen Alltag nach Drehbuch. „Scripted Reality“ werden solche gestellten Dokumentaraufnahmen genannt. Schon bei Ermittlungs- und Gerichtsshows wurde nach diesem Prinzip verfahren, mittlerweile gibt es immer mehr Formate, die auf dieses Stilmittel zurückgreifen. Mit „Scripted Reality“ wird der Eindruck erweckt, die Zuschauerinnen und Zuschauer seien bei realem Geschehen live dabei. Stattdessen werden die Geschichten von Laienschauspielerinnen und -schauspielern in Szene gesetzt. Die Produktionskosten sind gering und die Konflikte können auf diese Weise viel effektvoller dargestellt werden. Vor allem am Nachmittag finden sich zahlreiche Vertreter dieser Form des Reality TV. Egal ob große Familienstreitigkeit, Computersucht, bevormundende Großeltern oder nachlässige Väter: Mitten im Leben (RTL) lässt das Publikum an den Problemen fiktiver Menschen teilhaben. Genervte Ehefrauen, traurige Kinder oder rebellierende Jugendliche klagen vor der Kamera über Schwierigkeiten, Ungerechtigkeit oder erlittene Schicksalsschläge. Bei der Suche nach den Ursachen wird mit Schuldzuweisungen nicht gespart: Die Konflikte werden detailliert ausgetragen – dramatische Gefühlsausbrüche inklusive. Oft sind in die Problemfälle Kinder und Jugendliche verwickelt, zum Beispiel in X-Diaries – love, sun & fun (RTL II). Dort spielen jugendliche Laiendarsteller angebliche Urlaubsgeschichten auf Ibiza, Mallorca und an ähnlichen Urlaubsorten. Die Kamera folgt den ‚Urlaubern‘ dabei eine Woche lang auf Schritt und Tritt, die gespielten Konflikte, Dialoge und sexuellen Aktivitäten werden dabei von den Beteiligten ausgiebig kommentiert.
Experimente, Rollentausch und Selbstinszenierung
Im Gegensatz zu Scripted-Reality liegt beim „performativen Reality TV“ (z. B. Big Brother) kein Drehbuch vor. Stattdessen werden Kandidaten in einer schwierigen, konflikthaften ‚Zwangslage‘ mit der Kamera begleitet. Diejenigen, die sich in dieser Situation als ausdauernd und leidensfähig erweisen und sogenannte ‚Challenges‘ meistern, haben gute Chancen, vom Publikum zum Sieger bzw. zur Siegerin gekürt zu werden. Bei Frauentausch (RTL II) etwa tauschen zwei Mütter für jeweils zehn Tage ihre Familien. Mit nur wenig Kontakt zur eigenen Familie erbringen die Tauschmütter ihren Alltag mit der Tauschfamilie. Von Anfang an kommt es zu dramatischen Gefühlsausbrüchen oder handfesten Streitigkeiten aufgrund unterschiedlicher Meinungen über Haushalt und Familienleben. Dies umso mehr, da gezielt Familien mit unterschiedlichen Lebensweisen und Gewohnheiten ausgewählt werden, was zu Konflikten führt, die die Teilnehmer an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führen. PRO 7 kürt auch dieses Jahr wieder das Sommermädchen. Um diesen Titel tragen zu dürfen, stellen sich die Kandidatinnen zahlreichen Herausforderungen. Eine rasante Fahrt in der Achterbahn zählt ebenso dazu wie ein Fotoshooting unter Wasser. Letztendlich dienen diese Aufgaben den Kandidatinnen als Bühne, um den eigenen mehr oder weniger makellosen Körper zu präsentieren. Bei diesem Schaulaufen werden Missgunst und Konflikte unter den jungen Frauen geschürt. Die Kandidatinnen sind von Anfang an auf eine bestimmte Rolle festgelegt, etwa die „Drama-Queen“ oder das „Luder“. Die Kamera bleibt dran, wenn Tränen fließen, wenn sich Angst, Frust oder Enttäuschung Bahn brechen. Diese Gefühle sind vorprogrammiert, denn der quotenträchtig aufgebauschte Zusammenbruch ist Teil der Inszenierung.
Offene Fragen und Ausblick
Gerade ältere Kinder sind neugierig, in vorgeblich realitätsnahen, authentischen Sendungen das Verhalten von Teenagern und Erwachsenen zu beobachten. Sie erhoffen sich Anregungen für die eigene Identitätsarbeit und das eigene Alltagshandeln: Wie muss ich mich verhalten, um beim anderen Geschlecht anzukommen? Welches Verhalten führt zu gesellschaftlicher Anerkennung? Welche Rolle, welches ‚Image‘ passt zu mir? Vor diesem Hintergrund erscheinen die Art der Darstellung und die gezeigten Inhalte der meisten Reality TV Formate aus pädagogischer Sicht äußerst problematisch. Dabei lassen sich vor allem drei Problembereiche identifizieren: - Kindern fällt es noch schwer, die ‚gemachte Fernsehrealität‘ als solche zu durchschauen, weil durch dramaturgische und technische Gestaltungsmittel die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischt werden. Dies dürfte vor allem auf Kinder zutreffen, die über wenig Strukturwissen bezüglich der Inszenierung von Fernsehformaten verfügen. - Entsprechend groß ist das Risiko, dass Kinder die gezeigten Handlungsmuster und Vorbilder der Sendungen ernst nehmen. Die Inhalte und Botschaften bekommen durch die Inszenierung als Pseudorealität‘ mehr Gewicht, es fällt schwerer, sich vom Gezeigten zu distanzieren. - Die beteiligten Personen werden vorgeführt, ihre Probleme und Eigenarten ausgeschlachtet. Dies kann die Vorstellung begünstigen, dass das Vorführen und Lächerlich-machen von Menschen zu Unterhaltungszwecken legitim ist. Darüber hinaus wird fragwürdiges Sozialverhalten als Normalität dargestellt. Vor diesem Hintergrund wäre es wichtig, vorhandenes Wissen zur kindlichen Fernsehrezeption in Bezug auf Reality-TV-Formate zu vertiefen und vor allem die Frage zu klären, inwieweit Kinder die Inszenierungsformen des Reality TV durchschauen, welche Unterschiede es in der Rezeption von Kindern und Jugendlichen gibt und welche Unterstützungsformen geeignet sind, um Kindern die Einordnung solcher Formate zu erleichtern.
Literatur
FLIMMO-Kinderbefragung 1/2001: www.flimmo.tv/downloads/BerichtBigBrother.pdf [Zugriff 21.07.2011].
Klaus, Elisabeth/Lücke, Stephanie (2003). Reality TV – Definition und Merkmale einer erfolgreichen Genrefamilie am Beispiel von Reality Soap und Docu Soap. In: Medien- und Kommunikationswissenschaft 2003/2. Baden-Baden: Nomos Verlag, S. 195-212.
Lünenborg, Margreth/Martens, Dirk/Köhler, Tobias/Töpper, Claudia (2011). Skandalisierung im Fernsehen. Strategien, Erscheinungsformen und Rezeption von Reality TV. Berlin: Vistas.Theunert, Helga (1996). „Da kann ich lernen, was ich nicht machen soll“. Kinder rezipieren Reality-TV. In: Schorb, Bernd/Stiehler, Hans-Jürgen (Hrsg.), Medienlust – Medienlast. Was bringt die Rezipientenforschung den Rezipienten? München: kopaed, S. 17-30
Michael Gurt: Spielerische Familiengestaltung
Familiäre Strukturen spielen in den meisten Spielegenres kaum eine Rolle. In narrativen Spielformen (Adventures, Rollenspiele) kommt es vor, dass familiäre Strukturen als Aspekt der Spielgeschichten thematisiert werden. Dort geht es etwa um Fragen der Abstammung des Spielhelden und der daraus resultierenden ‚schicksalshaften‘ Konsequenzen zum Beispiel in Dragon Age oder Knights oft the Old Republic. Zentrales Thema ist die Familie in der Lebenssimulation Die Sims 1-3. Im Zentrum des Spiels stehen Sozialsysteme, die von den Spielenden gemanaged werden müssen. Egal ob Single, Pärchen oder Großfamilie: Es gilt, die Bedürfnisse und Wünsche der Spielfiguren mit ihren unterschiedlichen Dispositionen sowie den Anforderungen der jeweiligen Lebenssituation unter einen Hut zu bringen.
Fast wie im richtigen Leben ist dabei der Faktor Zeit entscheidend: Stehen Karriere oder Hobbys zu sehr im Mittelpunkt, kommen andere Aspekte des menschlichen Lebens zu kurz.Mit dem Ableben von Spielfiguren ist das Spiel übrigens nicht zu Ende: Die Sims können sich fortpflanzen, inklusive Vererbung von äußerlichen und charakterlichen Merkmalen. Das Setting des Spiels ist zwar auf eine konsumorientierte US-amerikanische bürgerliche Mittelschicht ausgerichtet, wie familiäre Strukturen tatsächlich gestaltet werden, bleibt jedoch – in gewissen Grenzen – den Spielenden überlassen. So sind zum Beispiel auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften möglich.
Das Spiel bietet ein sogenanntes Sandbox-Spielprinzip, also die Möglichkeit, ganz individuelle Vorstellungen von menschlichem Zusammenleben und Interaktion spielerisch zu testen. Diese Chancen, Lebensmodelle nach Lust und Laune ohne Konsequenzen für das tatsächliche ‚reale‘ Leben zu erproben, ist sicher ein Grund für den enormen Erfolg dieser Spieleserie.
Michael Gurt: Mit der Familie ins Internet
Das Internet kann für Familien eine Fundgrube sein, um Räume für Unterhaltung, Information oder gemeinsame Aktivitäten in und außerhalb des Netzes zu entdecken. Zahlreiche Eltern- und Familienplattformen wie www.eltern.de oder www.familie-und-eltern.de bündeln Informationen, Kommunikationsmöglichkeiten und Serviceleistungen für Eltern. Neben vielerlei Informationen rund um das Thema Kinder und Familie gibt es auch jeweils einen Community-Bereich, in dem sich Eltern mit anderen Müttern und Vätern vernetzen können, um Ratschläge, Tipps und Anregungen auszutauschen.
Daneben gibt es zahlreiche Seiten, die sich primär an Kinder richten, sich aber besonders gut für die gemeinsame Nutzung in der Familie eignen, etwa die Kindersuchmaschine www.blinde-kuh.de oder www.knipsclub.de, die Fotocommunity für Kinder. Darunter sind Internetseiten, mit sehr unterschiedlichen Themenschwerpunkten, von Freizeit (z.B. www.sportspatz.de, www.notenmax.de, www.wortwusel.net) über Medien (www.clipklapp.de, eine Videocommunity für Kinder mit pädagogisch betreuten Filmprojekten) bis hin zu Politik und Gesellschaft wie zum Beispiel www.frieden-fragen.de oder www.hanisauland.de, einer Kinderinformationsseite der Bundeszentrale für politische Bildung.
Steht das Thema Medien in der Familie im Blickpunkt, können medienpädagogische Angebote Eltern UND Kindern einen Leitfaden durch den Mediendschungel bieten, zum Beispiel für das Fernsehen www.flimmo.tv, für Medien in der Familie www.zappen-klicken-surfen.de und für das Internet zum Beispiel www.internet-abc.de oder www.surfen-ohne-risiko.net
Michael Gurt: Familienbilder im Fernsehen
Die Fernsehfamilie hat im deutschen Fernsehen eine lange Tradition. Aus heutiger Sicht mutet manch Familienidylle (z. B. Familie Hesselbach(ARD), Ich heirate eine Familie (ZDF)) von damals betulich und bieder an. Die ‚Normalfamilie‘ war die Regel, häusliche Strukturen auf eher traditionelle Rollenverteilung ausgerichtet. Der Familienvater als Ernährer, die Mutter als gute Seele und Ankerpunkt des (mehr oder weniger) harmonischen Familienlebens. Heute ist das Spektrum der Familienkonstellationen weitaus vielfältiger: Multikulti in Türkisch für Anfänger (ARD), chaotischschräg bei den Simpsons (PRO7), hip-dynamisch bei Gute Zeiten – Schlechte Zeiten (RTL). Neben den Soaps zeigen vor allem US-amerikanische Sitcoms traditionell Geschichten mit starkem Familienbezug: Familien mit (Malcolm mittendrin (PRO7)) oder ohne Kinder (King of Queens (Kabel1)), Familien von Teenagerstars (Hannah Montana (SuperRTL)), oder Familien mit offensichtlich dysfunktionalen Beziehungen (Two and a half men (PRO7/Kabel1)). Daneben spielen in manchen Sitcoms familienähnliche Freundschaftsstrukturen eine große Rolle (How I met your mother (PRO7)).
In den letzten Jahren sind auch prekäre Familienverhältnisse ins Zentrum des Programms gerückt: In den sogenannten Reality-Dokus wie Frauentausch (RTLII) oder der Super Nanny (RTL) werden Menschen in problematischen Familienkonstellationen vorgeführt. Der anhaltende Quotenerfolg solcher Formate legt nahe, dass die gezeigten Konflikte und Problemstellungen beim Publikum einen Nerv treffen. Entweder, weil sich die Zusehenden tatsächlich Orientierung für das eigene Familienleben erhoffen, oder weil sie sich selbst über die bedauernswerte Lebenssituation der gezeigten Familien erheben können. Noch einen Schritt weiter ging im Jahr 2009 die Sendung Erwachsen auf Probe (RTL) und löste damals einen Medienskandal aus. Statt einer realen Ausgangssituation wurde ein komplett künstliches Szenario geschaffen. In dem sogenannten TV-Experiment wurden Jugendliche in Musterhäuser einquartiert, um mit geliehenen Kindern Familie zu spielen.
Ziel war es laut Sender, den Teenagern vor Augen zu führen, wie anstrengend es ist, Eltern zu sein. Dabei vertraute man vor allem auf die abschreckende Wirkung der „Leihkinder“. Andere vergleichbare Formate mit starkem Familienbezug sind reine Fiktion, wie zum Beispiel Familien im Brennpunkt (RTL). Die Konflikte und Situationen werden von Laiendarstellern nach Drehbuch in Szene gesetzt, ‚Experten‘-Interviews und die Aussagen von Beteiligten sollen dem Ganzen Seriosität verleihen. Insgesamt ist festzuhalten, dass viele solcher ‚quasi-dokumentarischen‘ Sendungsformate ein überwiegend abschreckendes Bild von Familie zeichnen.
Michael Gurt und Nadine Kloos: Den Medienalltag bewusst gestalten
Familien, die durch herkömmliche Bildungsangebote kaum oder nicht erreicht werden, stehen im Zentrum eines Pilotprojekts der Aktion Jugendschutz Baden-Württemberg (ajs): Workshop- und Fortbildungsangebote zu Medien bzw. Medienerziehung für Fachkräfte der SozialpädagogischenFamilienhilfe und die von ihnen betreuten Familien machen Medien zum Thema und bieten Unterstützung bei der Medienerziehung. Workshops zum Schwerpunkt Fernsehen hat das JFF durchgeführt: Der vorliegende Beitrag fasst konzeptuelle Überlegungen, erste Erfahrungen sowie Perspektiven für die Weiterentwicklung zusammen.
Literatur:
Düssel, Mareike (2010): Familiäre Mediennutzung: Einsam oder gemeinsam? Forschungsergebnisse zu Medienerziehung im Kontext sozialer Benachteiligung. In: Medien und Erziehung, 54/2010/4, S. 11-18.
Kluge, Ursula (2012). Medienpädagogische Seminartage und Workshops. Ein Angebot für die Sozialpädagogische Familienhilfe. In: ajs-Informationen, 48/2012/1, S. 15-16. www.ajs-bw.de/media/files/ajs-info/2012/AJS-Info_1_2012.pdf
Kuchenbuch, Katharina (2003). Die Fernsehnutzung von Kindern aus verschiedenen Herkunftsmilieus. Eine Analyse anhand des Sinus-Milieu-Modells. In: Media Perspektiven, 2003/1, S. 2-11. (http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/01-2003_Kuchenbuch.pdf)
Paus-Hasebrink, Ingrid (2010). Fernsehen als Familienmittelpunkt. Eine Panelstudie zum Medienhandeln sozial benachteiligter Eltern und Kinder. In: Medien und Erziehung, 54/2010/4, S. 19-25.
Ingrid Paus-Hasebrink, Michelle Bichler und Christine W. Wijnen (2007). Kinderfernsehen bei sozial benachteiligten Kindern. In: MedienPädagogik. Themenheft, -/2007/13, S. 1-15 . www.medienpaed.com/13/paus-hasebrink0707.pdf
Michael Gurt: iPad, also bin ich
Ein Schulhof in der fränkischen Provinz im Jahr 1984: „Was willst du denn mit deinen ollen Pumas? Das sind doch billige Samba-Schlampen und sonst nichts!“ Der Angepöbelte sieht an sich herunter, mustert das eigene Schuhwerk mit Puma-Emblem und kontert gedankenschnell: „Du bist ja nur neidisch mit deinen blöden Adidas-Tretern. Die hat doch jeder Depp, das ist doch nichts Besonderes!“ … Eines kommt zum andern und schnell ist die schönste Schulhofschlägerei im Gange.München, ein Café irgendwo in Schwabing, im Frühherbst 2012: Ein ebenso lässiger wie gepflegter Mittvierziger starrt verträumt auf sein iPad, die Ohren verstöpselt, der Blick gefangen in den Tiefen des WWW in Westentaschenformat. Am Nebentisch verfolgt ein etwa gleich alter Geschlechtsgenosse das kontemplative Treiben. Der Nebentischmann ist deutlich weniger lässig, schlecht rasiert, der Blick verhuscht und wirkt wenig selbstbewusst. Nach kurzer Zeit durchdringt ein Klingelton die Stille, der iPad Nutzer blickt kurz auf und beobachtet sein Gegenüber.
Umständlich wird ein Smartphone eines fernöstlichen Herstellers hervorgekramt und nach einigen Drückern und Wischern hört er ein hervorgenuscheltes „Hallo? Ja, ich sitze grade im Café“. Die Blicke der beiden kreuzen sich und ein herablassendes Lächeln später, das zwischen Mitleid und Verachtung pendelt, geht jeder wieder seiner virtuellen Wege.Später am Abend nimmt die Schlammschlacht im virtuellen Raum richtig Fahrt auf: Der empfindlich gekränkte Smartphoner lässt seinem Frust im Forum einer X-beliebigen Technikplattform freien Lauf: Was denn eigentlich so toll ist an den Apple Produkten, schließlich kann das neue Samsung-Gerät viel mehr, schneidet bei den meisten Tests besser ab und hat einfach das bessere Preis-Leistungsverhältnis. Darauf hat die gegnerische Fraktion nur gewartet: Die Rede ist schnell vom abgekupferten Abfallprodukt, von Patentverletzungen und schlechter Infrastruktur, von Bedienungsmängeln und „blöden Farben“.Im Leben jedes Mannes kommt der Zeitpunkt, an dem er sich entscheiden muss: Adidas oder Puma, PC oder Mac, Levis oder Mustang, Audi oder Golf, Apple oder Samsung, Batman oder Superman, Iris oder Sandra, Max oder Moritz.
Mit den wirklich wichtigen Entscheidungen des Lebens sollte man(n) wirklich nicht leichtfertig umgehen. Ist es doch ein schmaler Grat zwischen angepasstem, seelenlosen Mitläufer und selbstbewusstem Tatmensch, der sein Glück in die eigenen Hände nimmt und die Symbole seiner Individualität vor sich herträgt wie ein Kreuzritter sein Banner. A propos Kreuzritter: In punkto Sendungsbewusstsein macht den verbissenen Apfel-Jüngern keiner etwas vor, nicht einmal die religiös verblendeten Gotteskrieger des Mittelalters. Ähnlich wie für diese gibt es für den echten Apfelianer keinen Zweifel über Gut und Böse und keine Kompromisse bei der Suche nach dem rechten Weg: Dieser Weg ins Paradies führt über Heiland Steve Jobs oder nirgendwohin.Wie sang schon Kabarettist Michael Krebs so schön: „Ich bin ja echt kein Markenfetischist. Ich steh bloß drauf, wenn meins das Beste ist.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Kati Struckmeyer und Michael Gurt: Von Fernsehlieblingen, Wortwuseln und interaktiven Stickeralben
Der Medienmarkt für die Kleinsten steht dem für die Größeren in nichts nach, was die kontinuierliche Erweiterung betrifft. Neue Serien, neue Apps, neue Angebote im Bereich des Edutainments – es ist schwer, einen Überblick zu behalten – vor allem was die Qualität betrifft. Es gibt zahlreiche neue Entwicklungen hinsichtlich des Fernsehens, aber auch auf YouTube, in der Kinderseiten-Landschaft sowie in der Welt der Apps, die einem kritischen Blick aus medienpädagogischer Perspektive unterzogen werden.
Michael Gurt: stichwort Technischer Jugendmedienschutz
Im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) ist festgelegt, dass Anbieter von Internetdiensten – genauso wie Rundfunksender – verpflichtet sind, Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten zu schützen. Dies kann mit technischen Hilfsmitteln gewährleistet werden. Dem Anbieter stehen dafür drei Möglichkeiten zur Verfügung:- Zeitgrenzen, die den Zugang beschränken. So ist die Verbreitung von Angeboten ab 18 Jahren zwischen 23 und 6 Uhr zulässig. Zwischen 22 und 6 Uhr dürfen Angebote ab 16 Jahren verbreitet werden;- technische Mittel, etwa die Jugendschutzvorsperre, bei der zur Freischaltung der Sendung erst ein spezieller Jugendschutz-PIN eingegeben werden muss, oder der sogenannte Perso-Check (auch Personalausweiskennziffernprüfung), bei dem die Personalausweisnummer als Schlüssel für den Zugang zum Angebot dient;- Jugendschutzprogramme: Der Anbieter kann die Inhalte mit einer technischen Altersinformation(Label) versehen, die von anerkannten Jugendschutzprogrammen ausgelesen werden können.
Das derzeit einzige anerkannte Jugendschutzprogramm ist JusProg.Die letzte der drei Möglichkeiten kommt bei vielen Videoportalen zum Einsatz, zum Beispiel bei tvnow.de, der Mediathek der RTL-Gruppe. Dies bedeutet in der Praxis, dass zum Beispiel ungeschnittene Folgen von Game of Thrones, die vom Sender ‚ab 18‘ gelabelt wurden, sieben Tage nach Ausstrahlung abrufbar sind. Um zu verhindern, dass Kinder mit unangemessenen Inhalten in Berührung kommen, müssen Eltern demnach eine Jugendschutzsoftware am heimischen Rechner installieren und entsprechend konfigurieren. Vorausgesetzt, sie sind sich des Problems bewusst und über die entsprechenden Möglichkeiten ausreichend informiert. Die andere Möglichkeit ist, nur gemeinsam mit den Kinder Internetangebote zu nutzen, was mit zunehmendem Alter immer schwieriger werden dürfte.
Noch komplizierter ist die Lage bei mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets. Hier bietet JusProg mit dem JusProg-Kinderschutzbrowser – nach eigenen Angaben – schnell, einfach und kostenfrei einen sicheren Surfraum für Kinder. Diese JusProg-App filtert automatisch Inhalte im Internet nach Anbieterkennzeichnungen und ständig aktualisierten Filterlisten für die jeweils eingestellte Altersgruppe – zumindest für das Betriebssystem iOS, die Android-Variante funktioniert für aktuellere Betriebssysteme nicht (mehr). Ob und wann diese Lücke geschlossen wird, steht in den Sternen. Der Anbieter weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass die Smartphone-Varianten nicht Gegenstand der gesetzlichen Anerkennung sind. Bei Settop-Boxen, Spielekonsolen, Smart-TVs und ähnlichen Geräten, die auch Zugang zu Internetinhalten bieten, sind Zugänge und Sicherungsmöglichkeiten noch unübersichtlicher. Eltern bleibt es also nicht erspart, im Einzelnen die Optionen zu prüfen, und sich mit den jeweiligen technischen Besonderheiten auseinanderzusetzen.
Michael Gurt: Medienpädagogik first!
Die Welt steht am Abgrund. Atomare Apokalypse, Klimakatastrophe, die nächste Finanzkrise, Rassenhass, weltweite Massenpanik und, und, und. Das alles, weil ein orangefarbener US-Präsident jegliche Medienkompetenz vermissen lässt und die Finger nicht von Twitter lassen kann. Was hilft? Natürlich nur die Medienpädagogik. Warum? Ein Blick auf das „Medien-Menü“ (John Oliver) des POTUS gibt Aufschluss:
- Actionmovies Was erregt die Aufmerksamkeit unseres Sonnenkönigs für Arme mehr als Healthcare, nordkoreanische Raketen oder Verschwörungen des Deepstate? Die Karriere von Arnold Schwarzenegger, Nachfolger von DT in The Apprentice. Der österreichische Actionhero mit politischem Background wird niedergemacht und er revanchiert sich: „Wenn ich Präsident wäre, könnten die Leute wenigstens wieder ruhig schlafen.“ Bammm. Hasta la vista, Baby. Unvergessen auch die Reaktion von DT auf den Actionfilm Air Force 1 mit Harrison Ford als US-Präsident, der seine Kidnapper eigenhändig ungespitzt in den Boden rammt. “A president, that stood up for America“, oder so ähnlich. Daraufhin Ford: “Donald, it was a movie. It’s not like this in real life, but how would you know?” Ja, warum eigentlich? Weil US-Präsidenten Action-Kracher à la Hollywood nicht für bare Münze nehmen sollten? Weil sie sonst denken, sie könnten sich alles erlauben und Gewaltenteilung wäre was für Weicheier? Wie schon Voltaire, Spider-Man und Sheldon aus The Big Bang Theory wussten: “With great power comes great responsibility!” Read FLIMMO, dumbass!
- Reality TV Der Mann ist quasi Mister Reality TV, auf deutsche Verhältnisse übertragen eine Kreuzung aus Dieter Bohlen, Robert Geiss und Sonja Zietlow. Das Handwerk hat der POTUS von der Pieke auf bei The Apprentice gelernt, einer menschenverachtenden Casting-Show für Möchtegern-Mogule. Seither weiß der Mann: Auf die Inszenierung kommt es an. Jemand sollte ihm sagen, dass das Konzept von Scripted Reality nicht eins zu eins auf das amerikanische politische System übertragbar ist. Klar gibt es Drehbuchschreiber und schlechte Schauspieler, aber manchmal funkt dann doch die Realität dazwischen. Oder seriöse Presseorgane. Oder unabhängige Bundesrichter. Oder die Gesetze der Physik. Dabei weiß jedes Kind, dass Reality TV in die Rubik ‚Mit Ecken und Kanten‘ gehört, weil: „Die Geschichten sind frei erfunden, was durch den dokumentarischen Stil schwer zu durchschauen ist.“ Read FLIMMO, dumbass!
- So called News Channel Zum Frühstück genehmigt sich DT die volle Dröhnung FOX & Friends. Die haarsträubend (haha) verzerrten, diffamierenden und reißerischen ‚News‘ des Frühstücksfernsehens werden sofort auf Twitter als Tatsachen verbreitet: “Terrible! Just found out that Obama had my ‘wires tapped’ in Trump Tower”, und so weiter und so fort. Good Lord, lass Hirn vom Himmel regnen. Man stelle sich vor, Angela Merkel würde ihre morgendlichen Briefings durch Volle Kanne, Susanne ersetzen. „Schockierend! Habe herausgefunden, dass Howard Carpendale nicht live singt!“ Read FLIMMO, dumbass!
Da hilft nichts, eine Abordnung medienpädagogischer Fachleute muss im Weißen Haus vorsprechen und dem POTUS Medienkompetenz beibringen. Allerdings nicht ohne zielgruppengerechte Ansprache via Twitter vorab: “Hey Orange Guy, you gotta learn! But we can fix that! Follow us on @jff_de.”
Michael Gurt: stichwort YouTube Kids
Die angeblich familienfreundliche Version der Videoplattform YouTube ist seit einigen Monaten für iOS und Android auch in Deutschland erhältlich; in den Vereinigten Staaten existiert sie bereits seit Anfang 2017. Die Zielgruppe der Videoplattform sind primär jüngere Kinder im Kindergarten- bis Grundschulalter. Eltern verspricht das Portal die Lösung vieler Probleme, wenn es um die Nutzung von ‚Bewegtbild‘ im Netz geht, denn die Videoplattform enthält laut Anbieter ausschließlich kindgerechtes Material. Im Gegensatz zu YouTube ist der Zugriff auf Videos eingeschränkt, die Auswahl basiert auf Algorithmen und Nutzerrückmeldungen. Die Vorschläge auf der Startseite werden aufgrund von Suchverhalten und persönlichen Vorlieben der Nutzerinnen und Nutzer zusammengestellt.
Anders als beim normalen YouTube sind auch die Oberfläche und die Navigation: Große Schaltflächen, ein helles Design und das vereinfachte Handling sollen jüngere Kinder ansprechen und ihren Fähigkeiten entgegen kommen. Das Angebot ist werbefinanziert: Vor und zwischen den einzelnen Videos laufen Werbeclips, die auf die junge Zielgruppe zugeschnitten sind. Um Einstellungen zum Beispiel bezüglich Sicherheit und Auswahl vorzunehmen, muss eine vierstellige PIN eingegeben werden. Die Zahlen der PIN tauchen ausgeschrieben auf dem Bildschirm auf. Für Kinder, die schon lesen können, macht diese Lösung keinen Sinn; die PIN kann aber auch personalisiert werden. Über die Einstellungen kann zudem ein Timer eingestellt werden, der die YouTube-Nutzungsdauer beschränkt.
Trotzdem sollten Kinder nicht alleine vor YouTube Kids gesetzt werden. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf nicht kindgerechte Videos stoßen, wesentlich geringer ist als bei You-Tube, kann dies angesichts der schieren Masse an Videomaterial nicht ausgeschlossen werden. Zumal seit Ende letzten Jahres Meldungen über verstörende Videos kursieren, in dem bei Kindern beliebte Figuren sich Gewalt antun oder anstößige Dinge treiben. Da die Fake-Videos aussehen wie Clips für Kinder, sind sie mittels Algorithmen schwer zu identifizieren. Auch wenn YouTube angekündigt hat, seine Filter nachzubessern: Es dürfte unmöglich sein, YouTube Kids wirklich ‚kindersicher‘ zu machen, ohne sämtliche Inhalte vor der Aufnahme zu überprüfen.
Michael Gurt: Nintendo Switch
Im März 2017 brachte Nintendo eine neue Konsole auf dem Markt, die mit Spannung erwartet wurde. Ähnlich wie bei der Wii macht der Hersteller mit der Nintendo Switch wieder einiges anders als die Konkurrenz: Der modulare Aufbau erlaubt sowohl stationäre als auch mobile Nutzung, statt auf enorme Hardware-Power setzt Nintendo auf ein verspieltes und durchaus innovatives Gesamtkonzept, das eine große Zielgruppe jenseits der Hardcore-Zocker ansprechen soll.
Handhabung und Spielmodi:
Zunächst kann die Konsole ganz traditionell mittels einer Dockingstation mit dem Fernseher verbunden werden. Die Steuerung erfolgt wie gehabt über Controller, die Spiele können von einerGame-Card abgespielt oder im Nintendo-Shop heruntergeladen werden. Die Darstellung auf dem Fernseher ist sehr ansehnlich, kann aber mit der grafischen Brillanz einer PS4 oder Xbox One, geschweige denn den aufgebohrten Versionen PS4 Pro und Xbox One X nicht mithalten. Dafür punktet die Konsole mit einem völlig neuen Gesamtkonzept: Das aktuelle Spiel kann quasi übergangslos mitgenommen werden, indem die mobile Einheit – eine Art Tablet mit Controlleranschlüssen – aus der Station herausgenommen wird. Die beiden Controller, die einfach links und rechts eingerastet werden, sind dabei sehr variabel einsetzbar. Sie funktioniere als Steuergeräte im mobilen Modus, können aber auch einzeln genutzt werden, um zu zweit die mobile Konsole zu ‚bespielen‘.
Überhaupt sind die Möglichkeiten im Multiplayermodus sehr vielfältig: Sowohl am Fernseher als auch in der mobilen Variante können bis zu vier Spielerinnen und Spieler teilnehmen, entweder direkt vor Ort oder via Internet. Die beiden Controller können dabei unabhängig voneinander bedient werden und mittels Sensoren Bewegungen direkt in das Spielgeschehen übertragen. Wie innovativ das Konzept ist, deutet das Spiel 1-2-Switch an. In zahlreichen Minispielen treten die Spielerinnen und Spieler gegeneinander an, vom Revolverduell bis zur Tanzeinlage. Der Clou dabei: Die Kontrahentinnen und Kontrahenten stehen sich gegenüber und schauen nicht auf den Monitor, sondern agieren sprichwörtlich face-toface. Die Spiele selbst sind allerdings eher ein netter Zeitvertreib für Partys oder im Freundeskreis. Das Potenzial zeigt sich aber sehr deutlich und macht Lust auf mehr. Darüber hinaus ist der Bildschirm wie beim Wii U GamePad berührungssensitiv und bietet damit eine weitere Steuerungsoption.
Spieleauswahl:
Was das Spiele-Line-Up angeht, hat Nintendo natürlich die Klassiker im Programm: Mario Kart 8 Deluxe, Super Mario Odyssey oder auch der neuste Teil der Zelda-Reihe Breath of the Wild. Gerade letztere überzeugt durch eine stimmige Open-World-Spielmechanik, eine sehr überzeugende Grafik und insgesamt durch ein durchdachtes Spiel- und Charakterdesign.Daneben gibt es auch Switch-Ableger bekannter Spiele, die ein erwachsenes Publikum ansprechen: Von FIFA 18 über Skyrim bis hin zu Doom.Dass Spiele mit einer Freigabe ab 18 Jahren zum Portfolio gehören, ist für eine Nintendo-Konsole sehr ungewöhnlich, wurde doch bisher fast ausschließlich auf kindgerechte Inhalte gesetzt.Thema
Jugendschutz:
Den Eltern sollte bewusst sein, dass es auch bei dieser Konsole wichtig ist, sich über Regelungen von Inhalten und Zugängen Gedanken zu machen – am besten vor der Anschaffung. Da die Konsole über einen Internetzugang verfügt und Spiele direkt im Shop gekauft und heruntergeladen werden können, sind elterliche Vorgaben und Kontrollen unumgänglich. Zu diesem Zweck bietet Nintendo die App Nintendo Switch-Altersbeschränkung, die für iOS und Android verfügbar ist. Mit der App können Eltern unter anderem die tägliche Spieldauer oder Spielzeiten für einzelne Tage festlegen und Obergrenzen definieren, die nach Erreichen der vereinbarten Spielzeit eine automatische Sperrung des Geräts nach sich ziehen. Außerdem erhalten Eltern in einer monatlichen Übersicht Einblick in das Spielverhalten der Mädchen und Jungen. Über die Eingabe von Altersfreigaben können zudem Spiele wie Doom für Minderjährige gesperrt werden. Ebenso ist es möglich, die Onlinekommunikation oder den Zugang zum Shop zu unterbinden.
Natürlich sollte Eltern klar sein, dass solche technischen Hilfsmittel zur Medienerziehung nur unterstützende Funktion haben, viel wichtiger sind familiäre Kommunikation und ein stabiles Vertrauensverhältnis zu den Kindern. Wenn aber Grenzen gezogen werden müssen, weil sich nicht an Absprachen gehalten und/oder andere Aktivitäten vernachlässigt werden, kann die App durchaus gute Dienste leisten. Für manche Eltern mag es ein Ärgernis sein, für Jugendschutzmaßnahmen extra eine App installieren zu müssen, für andere gehört die Nutzung von Apps zum Alltag. Positiv anzumerken ist, dass Sinn und Funktion der App zur Altersbeschränkung mit einem unterhaltsamen Video erklärt werden. Somit ist die Schwelle, sich mit dem Thema zu beschäftigen, sehr niedrig gehalten. Ebenfalls kann bei der App noch vor dem eigentlichen Start die Datenübertragung unterbunden werden, was in Zeiten hemmungsloser Datensammelwut von Geräteherstellern und Diensteabietern ebenfalls positiv zu vermerken ist.
Fazit:
Die Nintendo Switch setzt vor allem auf unkomplizierten (Multiplayer-)Spielspaß und ist in der Handhabung und den Spielmöglichkeiten sehr variabel – und damit auch und gerade für Kinder ab dem Grundschulalter attraktiv. Negativ zu Buche schlagen die hohen Preise, vor allem für Spiele und Zubehör. Wenn für Umsetzungen älterer Spiele wie Skyrim (aus dem Jahr 2011) noch um die 60 Euro veranschlagt werden, trübt das den Spielspaß durchaus. Die Verkaufszahlen scheinen dem Hersteller recht zu geben, über zehn Millionen Einheiten wurden noch vor Weihnachten gemeldet. Ob die Konsole in Familien mit spielebegeisterten Kindern einen Platz findet, müssen Eltern abwägen. Die attraktiven Spiele können durchaus Sogwirkung haben, gerade Jungen ab dem Grundschulalter fühlen sich oft magisch von den ‚Daddelkisten‘ angezogen. Die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern, Freundinnen und Freunden oder Verwandten zu spielen, eröffnet zumindest viele Ansatzpunkte für soziales Miteinander und gemeinsamen Spaß. Im Vergleich zu anderen Produkten wie Xbox oder Playstation, die mit den meisten Blockbustern auf ein erwachsenes Publikum abzielen, kann die Nintendo Switch aus pädagogischer Sicht jedenfalls durchaus punkten.
Michael Gurt: YouTube als Orientierungsquelle im Alltag von Kindern zwischen sechs und 13 Jahren
Für Kinder ist YouTube als derzeit populärste Videoplattform ein wichtiger Teil ihres Medienalltags. Die Vielfalt der Angebote fasziniert sie. Jüngere Heranwachsende sehen in YouTube vor allem eine Abspielstation von Videos und eine weitere Möglichkeit fernzusehen. Mit zunehmendem Alter rücken aktiven YouTuberinnen und YouTubern auch interaktive und kommunikative Funktionen bzw. Möglichkeiten der Plattform ins Zentrum des Interesses. Welche Bedeutung diese YouTuberinnen bzw. YouTuber als Orientierungsquelle haben, welche Eigenschaften und Themen für die Kinder wichtig sind und ob sie sich selbst ein Leben als YouTuberin bzw. YouTuber vorstellen können, zeigen Ergebnisse der FLIMMO-Kinderbefragung von 2017.