Kornelia Hahn
Beiträge in merz
Kornelia Hahn: Körperrepräsentation in der Mediengesellschaft
Die Einführung der Farb-Television im August 1967 in Westdeutschland war für einige mit einem äußerst schmerzhaften Erlebnis verbunden. Der Spiegel eröffnete einen Kommentar über die neue Bilderwelt mit der Schilderung aus einer aktuellen Fernsehproduktion:„Ein jäher Geißelhieb klatschte auf den entblößten Rücken des Marquis de Sade. Stöhnend krümmte sich der Gepeinigte – der Peitschenriemen hatte eine rötliche Spur in die Haut geschnitten. Dann durchzuckte ein zweiter Schlag die Stille im überhitzten Fernsehstudio. Dreimal, fünfmal, zehnmal sauste die Geißel nieder und zeichnete ein blutiges Muster in den Rücken des Sade-Darstellers Charles Regnier, der in die Knie brach. Nach dem zehnten Hieb erloschen die Scheinwerfer, die Kameras fuhren zurück.
Aus der zerfetzten Haut des Schauspielers sickerte Blut. Ein Arzt, vom Regisseur vorsorglich ins Atelier bestellt, eilte herbei und öffnete den Medikamentenkoffer. Die realistische Auspeitschung in den Hamburger Studios des NDR – Höhepunkt bei den Dreharbeiten zu dem Peter-Weiss-Stück ‚Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats...‘ im Juni – stand im Zeichen einer neuen Fernseh-Ära. Der zerfleischte Rücken des TV-Akteurs Regnier wird farbecht auf deutschen Bildschirmen bluten – schmerzlicher Tribut an eine Errungenschaft, über deren Wert oder Unwert noch gestritten wird ... Der Leiter des ZDF-Studios in Düsseldorf, Ferdinand Ranft, nannte es ‚einen Schmarrn‘: das Farbfernsehen.“...
( merz 2002/02, S. 89 - 94 )