Ludger Hanisch
Beiträge in merz
Ludger Hanisch: Umweltstudienplatz Lindlar
Wenn die Jugendlichen vor fünf Jahren noch ehrfürchtig vor dem Netzwerk standen, über Leistungsfähigkeit von Rechnern redeten oder andächtig das erste Mal eine Digitalkamera in der Hand hielten, so sind diese Dinge für die meisten inzwischen Alltagsvollzüge. Die veränderte Mediennutzung eröffnet den Raum für pädagogische Angebote.
Wir beginnen unsere Kurse mit einem Kameraspiel, welches die ästhetischen Fähigkeiten erweitert. Auf die Bereiche Linse, Beleuchtung und Bildkomposition legen wir besonderen Wert. Spielerisch erarbeiten sich die Jugendlichen Qualitätskriterien, die für effektvolle Fotografie nötig sind. Im Hinblick auf die nahezu kostenlose Verfügbarkeit großer Mengen von Bildmaterial ist diese Vorbereitung sehr hilfreich. Anschließend findet sich die Gruppe zur gemeinsamen Bildbeurteilung zusammen. Der Pädagoge sagt nicht, was richtig oder falsch ist. Durch intensives Fragen wird auf die Medienkompetenz der Jugendlichen zurückgegriffen. Ihr Repertoire an Medienerfahrungen ermöglicht ihnen, selbstständig zu beurteilen, was an einem Bild als spannend oder langweilig, anregend oder abtörnend, als gelungen oder misslungen empfunden wird. Einerseits beginnt an dieser Stelle die erste Bildauswahl für die Präsentationen, andererseits wird der „Fotoblick“ in Vorbereitung auf die Exkursionen geschult. Im Wald und am Bach ist die Digitalkammer immer dabei. Spannende Experimente mit Spiegel, Puppen und anderen „künstlichen“ Materialien verfremden Bekanntes. Auch handwerkliche Arbeit wie in der Weidenbauwochen wird von Kamerateams begleitet.
Das Beispiel Weidenbau soll unser Zusammenspiel von Umweltpädagogik und Medienarbeit erläutern.Die erste Begegnung mit dem Material geschieht im Kleinen. Aus einigen dünnen Weidenruten konstruieren die Kleingruppen ein eigenes Bauwerk. Häuser, Bögen, Tipis oder Flechtzäune entstehen. Die Phantasie wird ausschließlich von den Materialeigenschaften begrenzt. Erste Vorstellungen entstehen, was in Natura möglich ist. Das eine oder andere Baumwerk kann sogar schon als Modell für das „Großprojekt“ gelten. Auf unserer Weidenwiese werden am nächsten Tag tiefe Löcher gegraben. Bis zu sechs Meter lange Weidenruten müssen dort stabil verankert werden. Erst die Arbeit im Team zeigt, wie sich das ausgewählte Modell praktisch umsetzen lässt und welche Änderungen nötig sind.
Vom ersten Tag an haben die Fotografen in der Gruppe die Aufgabe, alles zu dokumentieren, d.h. hier in erster Linie nah an das Objekt heranzugehen. Schnappschüsse beim Zurechtschneiden und Bündeln der Weidenruten, wie zum Beispiel die Hand am Spaten, der Lehm am Rande der Grube, die matschige Hose von Sven, können interessante Ausgangspunkte für kleine Erzählungen werden. Welche Phantasien werden wach, wenn wir gemeinsam so praktisch in der Natur arbeiten?
Zurück am Rechner gibt es kein Halten mehr: Aus dem vorhandenen Bildmaterial müssen Geschichten entwickelt, ein Storyboard gezeichnet und mit Mediator (Netzwerkversion 7pro) kleine Präsentationen erarbeitet werden. Wichtig ist uns ein Zusammenspiel von Erlebnissen im Freien und der Arbeit im Medienraum. Beide Tätigkeiten sollen sich ergänzen und befruchten. Weil wir an die Erfahrungswelt der Jugendlichen anknüpfen, wird Umweltpädagogik mit neuen Medien für sie intensiver erlebbar.
In unserem Medienraum bestimmen die pädagogischen Erfordernisse die jeweilige Aufstellung. Die Rechnersteckplätze sind an den Seitenwänden sowie über vier Inseln in der Mitte erreichbar. Bis zu 16 Rechner können gleichzeitig online gehen. So können wir problemlos in Kleingruppen mit mehreren Rechnern oder mit einer Anordnung an der Wand das Bildmaterial für alle Teilnehmer verfügbar machen. Höchstmögliche Kommunikation ist hier das Ziel. Weitere Multimediaprojekte der Jugendherberge Lindlar sind: „Botschaften vom Bach“, „Leben wie vor 75 Jahren“, „Reporter unterwegs“ und „Von Bits und Bäumen“.
(merz 2004-5, S. 38-39)