Helene Hecke
Beiträge in merz
Helene Hecke: Krieg in den Medien
„Krieg in den Medien“ – Ein multimediales Lernangebot (Hrsg.: Bundszentrale für politische Bildung, Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen, u. a.) zu beziehen über die Bundeszentrale für politische Bildung für 6 Euro (unter: www.bpb.de)
Hubschrauber-Geknatter, Maschinengewehre, soldatische Heldenfiguren, Blut, Tod und Ehre … ob nun in Filmen, Computerspielen oder in den Nachrichten: Kriegsbilder bedienen fast immer die gleichen Klischees. Doch der öffentliche Umgang damit ist widersprüchlich. Einerseits werden sie als jugendgefährdend indiziert, auf der anderen Seite werden sie benötigt für die Berichterstattung. Wie aber soll man Jugendlichen erklären, warum bestimmte Kriegsspiele verboten sind, während ihnen in den TV-News eben-falls Granateinschläge oder amputierte Opfer vorgeführt werden? Gibt es ‚gute Gewalt’ wie in Aufklärungsfilmen und ‚schlechte Gewalt’ wie in Egoshootern? Realität lässt sich ja nicht verbieten.
Eine Arbeitsgruppe der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) hat sich drei Jahre lang mit diesem Thema beschäftigt. Herausgekommen ist Krieg in den Medien, ein umfangreiches Lernprogramm auf DVD. Aufgeteilt ist das Programm in drei Module. Im ersten Teil wird das Thema „Krieg“ historisch erklärt, im zweiten Teil die Inszenierung von Kriegsbildern untersucht und schließlich deren Einsatz für Propaganda-Zwecke vorgeführt. Bei alldem war es den Initiatoren wichtig, zwei Anliegen zu verknüpfen: die reine sachliche Wissensvermittlung und Methoden der Medienerziehung. Was ist eigentlich Krieg? Wie werden Kriege in der Öffentlichkeit verhandelt? Und was bedeutet Krieg für demokratische Gesellschaften? Politische Bildung wird hier endlich ‚medienkompetent’. Und interaktiv. Ein Novum gegenüber grauen Broschüren, die den Leserinnen und Lesern wenig eigene Gedankenkraft abfordern.
„Ausgangspunkt war für uns die Debatte um den Film Soldat James Ryan“, erklärt der Medienpädagoge Leopold Grün (FSF). Die Fernsehausstrahlung wurde kritisiert, weil es sich zwar um einen Antikriegsfilm handelt, jedoch um einen mit besonders brutalen Sequenzen. Gemäß dem FSK16-Siegel für jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer ungeeignet. Nun sind Kriege in unserem Land glücklicherweise weit weg oder lange her. Die Brutalität und Konsequenzen eines Krieges werden vielleicht nur durch solch drastische Bilder nachvollziehbar — wie es auch Aufgabe eines Antikriegsfilmes sein soll. Trotzdem können Filme mit aufklärerischem Gehalt genauso verstörend wirken wie ein simples Computerspiel.
Echte Medienkompetenz geht darüber hinaus, dass ein Teenager weiß, wo er verbotene Spiele herunterladen kann. Bei allem medialen Angebot sollte man in der Lage sein, die vorgesetzten Inhalte zu hinterfragen, ihre Machart zu durchschauen. Das Lernprogramm führt mit zahllosen Beispielen durch die ‚medialen Schützengräben’. Anhand der Filmszenen können Aufgaben gelöst werden. Es sind manche drastischen Bilder dabei, doch gerade die Analyse, der genaue Blick auf das Detail schafft Distanz und einen Schutz vor zu verstörender Wirkung.
So wird herausgearbeitet, mit welchen Methoden Filmemacher zusätzliche Spannung erzeugen. Wie werden schnelle Schnittfolgen, Nahaufnahmen, Musik zu bestimmten Zwecken eingesetzt? Und vor allem: Was kommt in der Dramaturgie einiger Genres überhaupt nicht vor? Besonders Computerspiele klammern die unerträglichen Seiten der Gewalt beinahe vollständig aus. Es geht weder um Opfer, noch um Schmerz, Leid, politische oder soziale Grundkonflikte. Jedes Medienprodukt kann also nur einen schmalen Blickwinkel auf die Realität wiedergeben. Wenige Schnitte verändern die komplette Bildaussage. Und gerade das, was ausgeblendet bleibt, wäre vielleicht der interessantere Teil der Botschaft gewesen.
Gleiches gilt für Nachrichtenformate. Kriegsreporterin Bettina Gaus erläutert, wie sogenanntes „Militainment“ funktioniert: „Wenn Blut geflossen ist, interessiert das jede Redaktion der Welt. Die Frage ist nur, ob man den Hintergrundbericht dazu auch noch losbekommt.“ — Warten auf Angriffe, Ekel und Angst sind meistens keine Meldung wert. Die eingebetteten Journalisten stehen ständig unter dem Druck, spektakuläre Bilder zu liefern ohne den Krieg zu verherrlichen. Denn auch Nachrichten sind eine Ware und müssen sich verkaufen. Und selbst Nachrichten machen sich gelegentlich zum Büttel der Propaganda, wie die Korrespondentin Antonia Rados im Interview eingesteht. Unter ganz bestimmten Prämissen hergestellt und nicht immer so wertfrei präsentiert, wie man sich das vorstellen mochte. Eine interessante Erkenntnis für Erwachsene wie Jugendliche zugleich, denen der Blick hinter die Kulissen fremd ist. Was aber ist Propaganda? Gefälschte Zeugenberichte im Kuwait-Krieg oder auch schon der erhobene Daumen eines Tom Cruise als Kampfpilot? Die Grenzen zwischen einer faustdicken Lüge und geschickt geschnittenen Bildern sind fließend: für den Profi nicht immer durchschaubar, für die Zuschauerinnen und Zuschauer nur, wenn er sich möglicher Manipulation bewusst ist. Die DVD Krieg in den Medien ist für den Schuleinsatz geeignet, entsprechend sind die Themenblöcke vom Umfang auf das Format einer Unterrichtsstunde angelegt. Arbeitsblätter lassen sich ausdrucken, Aufgabenteile können aber auch übersprungen werden, bzw. das reine Bild-Material für eigene Fragestellungen genutzt werden. Die Einführungstouren allein schaffen schon Ansatzpunkte für interessante Diskussionen. Gleichzeitig empfiehlt sich das Programm auch als interaktives Lernspiel außerhalb betreuter Curricula. Viele Eltern stehen hilflos vor der Frage, wie sie ihren Sprösslingen den Fernseh-Showdown erklären sollen. Beste Hilfe für die Jugendlichen: Informationen selbst filtern zu können, um sozusagen ihre eigenen Redakteurinnen bzw. Redakteure zu werden. In der Realität wie in Hollywood.