Fernand Jung
Zur Person
(Jahrgang 1944)Filmjournalist. Seit 1980 für das JFF tätig. Aktuell Honorarmitarbeiter im Bereich Film.Beiträge in merz
Seeßlen, Georg/Jung, Fernand: Horror. Grundlagen des populären Films
„Das Grauen ist immer und überall“ – „Horror“ von Georg Seeßlen und Fernand Jung
Der Horrorfilm stellt ein Genre dar, das Jugendschutz, Justiz, Klerus, Medienpädagogik, Cineasten und Jugendliche gleichermaßen beschäftigt. Was die einen abstößt, ekelt oder entsetzt, bringt andere dagegen in wohliges Erschaudern und vielleicht sogar in Ekstase. Liebevoll gestaltete Horrorfanseiten im Internet und geharnischte Anträge von Staatsanwaltschaften zeugen nachhaltig von diesem Spannungsfeld. Das neue Buch „Horror“ von Georg Seeßlen und Fernand Jung – erschienen im Schüren Verlag in der Reihe „Grundlagen des populären Films“ – geht diesem Spannungsverhältnis und den Implikationen des Horrorgenres mit vielfältiger Analyse differenziert auf den Grund. Zum einen wird hier eine kenntnisreiche historisch literarische Genese des Begriffs Horror ausgebreitet, zum anderen versuchen die Autoren, die psychologischen und gesellschaftlichen Hintergründe und politischen Bezugnahmen von Horrorfilmen auszuloten. Seeßlen und Jung machen dabei immer wieder deutlich, mit welchen Ambivalenzen Zuschauerinnen und Zuschauer konfrontiert werden: Vom Eintauchen in psychoanalytische Abgründe menschlicher Angst bis zum Infragestellen familiärer Grundstrukturen unserer westlichen Gesellschaftsordnung.
Von wütender politisch-gesellschaftskritischer Kapitalismuskritik junger wilder Filmemacher bis hin zum perfiden Spiel mit bis dahin noch nie gezeigten Ekel-Bildern und dem Zurschaustellen von Gewalttätigkeiten und Monstrositäten jenseits jeglicher bürgerlicher Vorstellungskraft, all dies findet sich in den Analyse in Seeßlen und Jungs Werk wieder. Daher zitieren die beiden Autoren folgerichtig den Filmemacher Georg a. Romero, der treffenderweise diesen Konflikt in seinen frühen Zombie-Filmen folgendermaßen zuspitzte: „Wenn es in der Hölle zu eng wird, kehren die Toten auf die Erde zurück“. So gesehen sind Horrorfilme immer der filmische Reflex auf gesellschaftliche Realität. Banal umformuliert, bedeutet dies, dass jede Gesellschaft mit dem Horror im Film konfrontiert wird, den sie letztlich verdient. Doch die Revolution frisst ihre Kinder, auch davon wird in „Horror“ berichtet – von der Kommerzialisierung der Gesellschaftskritik und dem Verkümmern des Narrativen in Horrorfilmen.Das Werk ist insofern einzigartig, als dass kaum ein Film der Filmgeschichte unerwähnt bleibt, der sich diesem Genre, unabhängig von seinem Entstehungsdatum oder seiner filmischen Qualität, zuordnen lässt – selbst Nebenströmungen werden aufgegriffen. Ein besonderer Verdienst der beiden Autoren ist es, sich dabei weitgehend moralisierender Wertungen zu enthalten. Seeßlen und Jung versuchen vielmehr zu verstehen, was hinter den Filmbildern und Geschichten liegt und auf welche gesellschaftlichen Grundmuster und Mythen die gezeigten Bildwelten prallen oder aus welchen soziokulturellen Mustern die Filme ihren jeweiligen Thrill beziehen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass, egal ob nach einem bestimmten Film gesucht wird oder Entwicklungsstränge verfolgt werden, bei „Horror“ kundige Informationen und fundierte Analysen in verständlicher und mit Genuss zu lesender Art und Weise gefunden werden. Mit über 1000 Seiten kann von einem absoluten Standardwerk der Filmliteratur gesprochen werden. Ein umfangreicher Anhang mit umfassender Bibliografie, Filmografie und einem opulenten Register sind auch für Leserinnen und Leser, die das Werk lediglich quer oder lexikalisch nutzen möchten, umfangreiche Hilfen gegeben. Der einzige Wermutstropfen ist der, dass das Werk eben leider ein Buch und kein Film ist!
Fernand Jung: Wir surfen durch den film-dienst
Was macht den katholischen „film-dienst“ so wertvoll, dass er immer wieder recycelt wird? Erst mit einem vielbändigen Lexikonwerk, dessen dritte Ausgabe bevorsteht, dann den entsprechenden CD-ROMs, nun mit den vollständigen Texten von 1994 bis 1998 auf CD-ROM unter dem Titel „film-dienst KOMPAKT“. Und was man sich gerade zugelegt hat, ist morgen schon wieder Makulatur. Jeder weitere Jahrgang wird dann im Update im Abonnement für 40 DM angeboten.Man stelle sich vor: Wir haben damals die Blätter, aus denen der „film-dienst“ bestand, gesammelt. Die Bewertungen, bei ‘Trivialfilmen’ immer im Brustton der Entrüstung vorgetragen, dienten später nicht selten alternativen Kinobetreibern ironisch zur Werbung. Gesammelt haben wir den „film-dienst“ trotzdem, nicht wegen seiner krassen Fehlurteile, sondern aus einem ganz simplen Grund. Die Katholische Filmkommission hatte, aus welchen Gründen auch immer, eine weise Entscheidung getroffen: Alle in Deutschland herausgekommenen Spielfilme zu besprechen, ungeachtet ihrer vermeintlichen Qualität.
Diese lückenlose Auflistung machte die Jahrgänge immer unentbehrlicher und das Dokumentationsmaterial ist im Laufe der Jahrzehnte so angewachsen, dass heute bei Recherchen tatsächlich kein Weg mehr daran vorbei führt. Das vom KIM herausgegebene „Lexikon des Internationalen Films“ ist in Deutschland unbestritten die ausführlichste und kompetenteste Fundstelle für Spielfilme; die Fehlurteile von damals wurden größtenteils revidiert und die Fehlerquote in der Schreibweise von Namen und Titeln ist minimal (und prompt ist der italienische Titel des Films, der zur Illustration der Erläuterungen zur Benutzeroberfläche der vorliegenden CD-ROM beiliegt, falsch geschrieben!).„film-dienst KOMPAKT“ erspart langes Suchen und Blättern in den gesammelten Bänden und gekauften Registern – hat man sich erst mal an die Funktionsweise gewöhnt. Die Reiter auf der CD-ROM sind optimal eingerichtet und man ist in Sekundenschnelle auf dem gewünschten Text. Sie entsprechen den Kolumnen der Print-Ausgabe – man sollte die Zeitschrift also schon mal etwas kennen.
„Alle Texte“ aus den Jahrgängen 1994 bis 1998 seien abgedruckt, heißt es (Ob das wirklich stimmt?). Aber auch so kann man durch eine solche Fülle von Texten und Materialien surfen, bis man vergessen hat, was man eigentlich suchen wollte. Ich bin erst dabei, mich mit dieser Art der Recherche anzufreunden und habe dabei meine Schwierigkeiten. Als angehender User finde ich es zum Beispiel mangelhaft, dass filmspezifische Genres und Themen (auch solche allgemeiner Art) nicht sofort angeklickt werden können; dass ein Reiter für „Länder“ fehlt, über den man länderspezifische Filme abrufen könnte; dass die Verbindung zwischen einem Filmtitel und seiner vollen Besprechung in der entsprechenden film-dienst-Nummer nicht direkt über Mausklick erfolgen kann. Technische Details freilich, aber die Kategorien, in die das Inhaltsverzeichnis unterteilt ist, erscheinen mir so wenig sinnvoll und oft auch unpraktisch. Ausserdem finde ich die Erläuterungen zur Benutzeroberfläche etwas dürftig im Verhältnis zu dem, was das Programm insgesamt bietet, wenn man es installiert hat. Als Musterbeispiel hat man den Film „Geh’ wohin Dein Herz Dich trägt“ gewählt. Daran werde ich mich halten.
Fernand Jung: CD-ROMs zum Nachschlagen und Spielen
Eine zentrale nationale Kinemathek, wie sie in anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit ist, gibt es in Deutschland nicht (wegen der Kulturhoheit der Länder), und so kam es in den letzten Jahrzehnten immer wieder zu unkoordinierten regionalen Aktivitäten, um den Bestand der Filmkultur wenigstens in Teilaspekten aufzuarbeiten. Nach vielem Hin und Her gibt es seit einigen Jahren den Kinematheksverbund, der eine zentrale filmhistorische Arbeit ermöglicht und die filmkulturelle Tradition lebendig halten soll. Dazu gehören die Sammlung und Sicherung der deutschen Filmproduktion von den Anfängen bis zur Gegenwart, ferner die Restaurierung alter Kopien, die Veröffentlichung von Untersuchungen, die Veranstaltung von Retros u.a.m. Diese Aufgaben teilen sich nun die im Kinematheksverbund zusammengeschlossenen drei größten Filmarchive in Deutschland, das Bundesarchiv in Koblenz, das Deutsche Filminstitut in Frankfurt und das Deutsche Filmmuseum in Berlin – eine Reihe weiterer filmwissenschaftlicher Institutionen sind dem Verbund angeschlossen. Ein erstes Ergebnis dieser Gemeinschaftsarbeit ist die vorliegende CD-ROM, die sich in zwei Abschnitte teilt: Die „Top 100“ und die „Deutsche Filmografie“.1995 führte der Verbund unter Filmhistorikern und Journalisten eine Umfrage nach den „100 wichtigsten deutschen Filmen“ durch, um diese zu dokumentieren, die Kopien archivarisch zu sichern und sie für den nicht-kommerziellen Bereich verfügbar zu machen. Letzteres ist erst bedingt der Fall, aber die auf der CD-ROM versammelten Informationen zu den 100 „wichtigsten“ deutschen Filmen lassen keine Wünsche offen. Ein schier unerschöpflicher Materialfundus aus filmografischen Angaben, Inhaltsangaben und Kritiken, Abbildungen (bis zu 30 je Film) und Filmausschnitten, der dank der hier angewandten Technik leicht zu handhaben ist. Man braucht auch keine Angst zu haben, sich in den Datenmengen zu verlieren.
Die „Deutsche Filmografie“, das Ergebnis einer gesonderten Arbeitsgruppe im Kinematheksverbund, enthält die Grunddaten „aller“ Spielfilme, die zwischen 1895 und 1998 in Deutschland produziert oder mit deutscher Beteiligung koproduziert wurden. „Koproduziert“ wird dabei großzügig ausgelegt und so nimmt der Anteil von Filmen, die man keineswegs als „deutsche“ Produktionen einordnen würde, zuweilen groteske Ausmaße an. „The more the better“ scheint hier die Devise zu sein. Insgesamt sind 17 905 Titel nunmehr recherchierbar, wenn auch nur mit den notwendigsten filmografischen Angaben. Eine ähnlich aufgebaute Datei der deutschen Dokumentar- und Kurzfilme (und experimentellen Filme?) ist in Arbeit.
Für beide Verzeichnisse gilt: Die technischen Daten, die Schreibweise von Namen und Titeln, alles ist ‘astrein’ – man merkt, dass Fachleute zu Gange waren. An Details herumzumäkeln, erscheint bei der Materialfülle schon fast kleinlich oder wie Beckmesserei. Ein Desiderat bleibt doch: Dass alle Filme der Deutschen Filmografie mit derselben Ausführlichkeit dokumentiert werden wie das bei den „Top 100“ der Fall ist. Zu krass erscheinen im Moment die etwas mickrigen Grunddaten im Vergleich zu den opulenten Dokumentationen der Top 100. Jedenfalls ist die Deutsche Filmografie ein Projekt, dem man eine Zukunft wünscht, auch weil es vielfach ausbaufähig ist und von seinen Mitarbeitern offenbar ernst genommen wird.
Fernand Jung: Religionen: Infotainment und echte Information
In einer zutiefst säkularen Welt hat das Interesse an religiösen Themen auf eine überraschende Weise zugenommen. Was auch immer die Gründe hierfür sein mögen, vor allem fernöstliche Heilslehren und nichtchristliche Weltreligionen erleben zur Zeit im Westen eine Konjunktur. Die Nachfrage nach anschaulichen Unterrichtsfilmen zu fremden Kulturen und Religionen hat in letzter Zeit zu einem gesteigerten Angebot bei evangelischen und katholischen Medienzentralen geführt, bei den Landesfilmdiensten und Bildstellen kursieren über 200 Filme mit religiöser Thematik. Auffallend bei den Neuzugängen ist der Trend zu Mehrteilern und Serien, die von Fernsehanstalten übernommen werden, was einerseits einen Mindestanspruch an Qualität garantiert, andererseits aber auch zu Visualisierungsformen führt, die zuweilen an die Grenzen des Erträglichen gehen. Als Beispiel für diese Art von Infotainment im konfessionellen TV könnte man die groß angelegte ZDF-Reihe „2000 Jahre Christentum“ anführen, szenische Dokumentationen im Stil von „Terra-X“, mit viel Aufwand und teils reißerisch inszeniert, hart an der Grenze zum religiösen Kitsch.
Eine der neuesten Produktionen dieser Serie ist Glut unter der Asche - Die Zukunft der Religion: Kreuzzug oder Dialog(Regie: Rob Hof - Produktion: Eikon/ ZDF 1999 - Länge: 45 Minuten - Verleih: Matthias-Film)
In ihr wird der Versuch unternommen, das widersprüchliche Bild Gottes im Christentum, Judentum und Islam zu untersuchen. Die Schauplätze wechseln so schnell wie die Themen. Von Jerusalem über Rom in die arabische Wüste, von einer türkischen Soziologin über Maya-Priester in Guatemala bis hin zu einem Vertreter der San Egidio-Gemeinde in New York. Im Mittelpunkt steht der lange Weg zur Religionsfreiheit und die Entwicklung von mehr Toleranz und Mitgefühl für andere, wobei die Vernichtungsfeldzüge unter dem Zeichen des Kreuzes und die Diskriminierung der indigenen Völker durch den Katholizismus nicht ausgespart werden. Diese Reportage von Rob Hof zeichnet sich durch Sorgfalt bei der Bildgestaltung und beim Schnitt aus und bietet eine Reihe von interessanten Diskussionsansätzen (etwa über den islamischen Fundamentalismus in der Türkei).
Geradezu als Antipode zu dieser neuen Art der Information mittels fernsehgerechter Reportageformen erscheint die Video-Edition, die beim Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) unter dem Serientitel Welten des Glaubens erschienen ist. Einzeltitel lauten:Animismus - Naturreligion in Australien / Judentum - Bar Mitzwah / Sikhismus - Der goldene Tempel / Hinduismus - Der Elefanten-Gott(Produktion: Channel Four, Großbritannien 1996 - Länge: je 15 Minuten - Verleih: Bildstellen)
Wie will man Schülern Einsichten in diese bei uns weitgehend unbekannten Religionen vermitteln, wie die komplizierten Zusammenhänge der ihr zugrunde liegenden Philosophien und Denkmuster veranschaulichen, wie lassen sich abstrakte religiöse Gedankengänge filmisch überhaupt darstellen? Erst einmal gar nicht, oder höchstens mit ebenso die Abstraktionsfähigkeit des Zuschauers beanspruchenden Mitteln. Um ein Beispiel zu geben: Den im Buddhismus zentralen Begriff der „Leerheit“ könnte man allegorisch und filmisch adäquat mit einer weißen Leinwand darstellen. Erklärt wäre damit der Begriff aber keinesfalls: Die Schüler hätten vermutlich nichts verstanden und der Lehrer könnte vermutlich nichts erläutern. Die Autoren haben also wieder einmal den bequemsten Weg gewählt, nämlich die Religionen auf Riten und Zeremonien zu reduzieren, die sich filmisch leicht und eindrucksvoll dokumentieren lassen, wählten als Darsteller Jugendliche, die bei der Feier eines populären Festes ihrer jeweiligen Religion in ihrem familiären Umfeld gezeigt werden: Das Fest zu Ehren des Guru Nanak für die Sikhs, das Ganesh-Fest zu Ehren des Gottes mit dem Elefantenkopf für die Hindus usw. „Alles Wissenswerte“ vermittelt der Kommentar. Damit läßt sich zwar keine Einsicht in das Wesen des Sikhismus oder Hinduismus gewinnen, etwas von der Vielfältigkeit der Religionen und von einem anderen Lebensverständnis vermitteln die Filme aber allemal.
Nach diesem Muster sind die meisten der im Angebot befindlichen Filme gestrickt, in ihrer stereotypen Machart austauschbar, kommentarlastig und mit einem Schuss Exotik. Welchen Nutzen diese Art von Unterrichtsfilmen haben mögen, liegt ganz bei den Nutzern und beim pädagogischen Geschick, damit umzugehen. Ohne das Ausgangsmaterial zu kennen, mag dieses Urteil ungerecht sein, handelt es sich doch um die Übernahme von Schulfernsehsendungen des renommierten britischen Senders Channel 4, die aber bei uns in der bearbeiteten Fassung des FWU vorliegen, jeweils auf handliche 15 Minuten gekürzt.Wie problematisch derartige Bearbeitungen sind, hat sich schon des öfteren gezeigt und lässt sich in diesem Zusammenhang an dem Film Wie eine Welle im Ozean(Regie: Wolfgang Bischoff - Produktion: Bayerischer Rundfunk 1995 - Länge: 19 Minuten - Verleih: Medienzentralen) überprüfen, in dem es um die zunehmende Verbreitung des Buddhismus in Deutschland geht. Die Dokumentation aus dem Jahr 1995 war durch ihre Verkürzungen der buddhistischen Methode bereits damals ein Ärgernis für deutsche Buddhisten. Nun liegt eine auf 19 Minuten gekürzte Fassung vor, die das Manko des Originals noch potenziert. Die Quintessenz (und Ratlosigkeit) des Films drückt sich jetzt in seinem Schlußsatz treffend aus: „Weit sind viele Wege zu einem Leben als Buddhist in Deutschland...“
Es gibt nur einen Gott und Mohammed ist sein ProphetIslamische Kultur / Das Glaubensleben / Das Wort und das Gesetz / Kopftuch Glaube Politik / Der Prophet Mohammad / Eine Jugend in Kairo (Regie: Ulrich Baringhorst, Andreas Achenbach - Produktion: KAOS Film- und Videoteam Köln/ WDR 1996 - Länge: je 30 Minuten - Verleih: Medienzentralen)
Zum Thema Islam erschien 1996 eine sechs- teilige Reihe, die das KAOS Film- und Videoteam Köln für den WDR produzierte. Die einzelnen Folgen behandeln auf sehr disparate Weise die unterschiedlichsten Aspekte dieser Weltreligion mit fast einer Milliarde Anhänger. Auffallend lieblos gemacht erscheint „Eine Jugend in Kairo“. Zwei Schüler von islamischen Schulen stellen ziemlich teilnahmslos ihre Familienangehörigen vor. Empfehlenswert ist die Folge „Kopftuch Glaube Politik“, in der eine Auseinandersetzung über das Kopftuch einer Muslima in einer deutschen Schule zum Anlass genommen wird, dieses Symbol für die neue politische islamische Bewegung zu hinterfragen. Islamische Frauen in Istanbul äußern eine differenziertere Meinung zum Kopftuch als die progressive deutsche Lehrerin, die darin nur ein Symbol für die Unterdrückung der Frauen sieht.
„Das Wort und das Gesetz“ behandelt den Koran und die herausragende Bedeutung der Kalligraphie im Islam. Als Eingangssequenz dient hier wie in anderen Folgen auch die große Moschee in Dortmund, der eine Koranschule angegliedert ist. Junge deutsche Muslime geben Auskunft über ihre Religion. So erzählen sie in „Der Prophet Mohammad“ über ihren Religionsstifter, der den Monotheismus in der arabischen Welt begründete. Anschließend blendet der Film nach Istanbul, nach Mekka und zu anderen wichtigen Städten islamischer Kultur. Mit pausenlosem Kommentar versehen, sind Klammerteile aus anderen Filmen zusammenmontiert (die Kaaba in Mekka mit den sie umtobenden Pilgermassen ist ein beliebter Topos), alle möglichen Aspekte einer uns fremden Welt und eines anderen Denkens werden angeschnitten und der (unvorbereitete) Zuschauer bleibt ratlos zurück.
Eingängiger und vor allem filmisch fast allen vergleichbaren Materialien überlegen ist der Film „Mohammed - Die Stimme Gottes“ aus der dreiteiligen Reihe Himmel, Hölle und Nirvana Mohammed - Die Stimme Gottes / Jesus - Rebell oder Messias / Buddha - Der Weg der Erleuchtung (Regie: Sissy von Westphalen, Eike Schmitz, Jens-Peter Behrend, Ingom Hermann - Produktion: Atlantis Film für ZDF 1999 - Länge: je 44 Minuten - Vertrieb: Katholisches Filmwerk)Opulent bebildert gibt dieser Film einen hervorragenden Einblick in das Leben Mohammeds („Der Gepriesene“ lebte von 570 - 632 n. Chr.), ist historisch gründlich recherchiert und wartet mit einer Fülle von überraschenden Details auf, auch wenn die Kommentarlastigkeit ärgerlich ist. Jedenfalls wird der Siegeszug des Islam in der Dokumentation von Sissy von Westphalen und Eike Schmitz auch nachvollziehbar. Aus theologischer Sicht nicht unumstritten, ist er eine der ansprechendsten Produktionen zum Thema. Die beiden anderen Teile behandeln Jesus (Regie: Jens-Peter Behrend und Ingo Hermann) und Buddha, wobei der Filme zum Buddhismus einer der besseren ist, die für den Bildungsbereich angeboten werden. Die Reihe vereinigt alle eingangs erwähnten Vor- und Nachteile des modisch-religiösen TV-Infotainments. Die Spurensuche nach der historischen Figur Jesus etwa, der Christian Brückner als Kommentarsprecher sein Tremolo verleiht, und die stets verfremdeten szenischen Nachstellungen kann man leicht als religiösen Kitsch abtun. Zusammen mit dem vom ZDF-Redakteur Hans-Christian Huf herausgegebenen Begleitbuch „Himmel, Hölle und Nirvana“ (Bergisch-Gladbach 1999) sind die Filme, wenn auch nicht bequem, einsetzbar und empfehlenswert.Die Vermittlung von Religionen so bequem wie möglich zu machen, scheint sich die Bundeszentrale für politische Bildung vorgenommen zu haben. Mit Mini-Filmen aus der Serie „Apropos - Videos und Texte zur politischen Bildung“ werden die eher dürftigen Islam-Filme des KAOS Film- und Videoteams Köln noch einmal recycelt unter Titeln wie Der Prophet Mohammed, Der Koran, Fünf Säulen des Islam, Grundlagen des Islam, Kulturgeschichte des Islam, Orient (Länge: je 10 Minuten) usw. Für Pädagogen, die sich ernsthaft mit dem Islam auseinandersetzen wollen, sei hier der Zweiteiler IslamGlaubensgrundlagen / Religion und Gesellschaft (Regie: Gudrun Friedrich - Produktion: Bayerischer Rundfunk 1990 - Länge: je 30 Minuten - Vertrieb: Katholisches Filmwerk) empfohlen. Die Produktion des Bayerischen Rundfunks besteht aus zwei Filmen, die wegen der Informationsdichte allerdings kaum zur Grundinformation geeignet sind. Die Filme führen jedoch optimal in die Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum / Judentum ein und erläutern ausführlich die Unterschiede zum westlichen Gesellschaftssystem. Die Reihe legt einen Vergleich mit dem erwähnten Film „Mohammed - Die Stimme Gottes“ nahe. Während dort hervorgehoben wird, dass sich alle drei Religionen auf Abraham berufen und der Islam als ein naher Verwandter des Christentums dargestellt wird (was Mohammed immer wieder betont habe), stehen hier die Unterschiede mehr im Vordergrund. In beiden Filmen werden zudem die fünf Pflichten des Moslems (Glaubensbekenntnis zu Allah und seinem Propheten Mohammed, Ritualgebet, Fastengebot, Almosenabgabe für Bedürftige, Pilgerfahrt nach Mekka) ausführlich behandelt. Besonders interessant ist „Religion und Gesellschaft“, der fundiert Auskunft gibt über die Stellung der Frau im Islam, über die Tradition des Schleiers und die verschiedenen Formen der Scharia. Vor allem die politische Funktion des Islam wird eingängig behandelt: der Fanatismus der Fundamentalisten, das Scheitern der Revolution im Iran und die Ängste der westlichen Welt vor der Ausbreitung des Islam.Spurensuche - Die Weltreligionen auf dem WegStammesreligionen / Hinduismus / Chinesische Religion / Buddhismus / Judentum / Christentum / Islam(Regie: Hans Küng - Produktion: SWR/ DRS 1999 - Länge: je 60 Minuten - Vertrieb: Matthias-Film)Eine Sonderstellung in dem reichhaltigen Angebot nimmt die siebenteilige Reihe „Spurensuche“ ein, die vom SWR und dem Schweizerischen Fernsehen DRS produziert wurde. In ihr geht der bekannte Tübinger Theologe Hans Küng den Entwicklungen der verschiedenen Religionen nach auf der Suche nach einem „Weltethos“. Küng stellt das Friedenspotential, das in allen Religionen enthalten ist, und die sie verbindenden ethischen Grundsätze in den Vordergrund. Er unterscheidet bei den Leitfiguren der Weltreligionen zwischen den Mystikern (im Hinduismus, Buddhismus), den Weisen (im chinesischen Konfuzianismus und Taoismus) und den Propheten im Judentum, Christentum und Islam. Es überrascht nicht, dass der streitbare Katholik, dem Papst Johannes Paul II. die Lehrerlaubnis entzog, weil er von der „vollkommenen Wahrheit“ abgerückt sei, die Geltungsansprüche eines europäisch geprägten Christentums in Frage stellt. Gleichwohl sind Küngs Ausführungen bei allem Wohlwollen gegenüber den nichtchristlichen Religionen stark vom Christentum geprägt. Er brilliert mit Sachkenntnis, ohne überheblich zu wirken und seiner Argumentation ist gut zu folgen. Die einzelnen Filme setzen jedoch Vorwissen voraus. Als Diskussionsgrundlage zum einem Thema wie „Glauben und Toleranz in der postindustriellen Informationsgesellschaft“ wären sie unbedingt zu empfehlen. Diese Filme überragen inhaltlich wie formal alle anderen Angebote.Unabhängig von der Qualität der hier vorgestellten Filme bleibt die Frage offen, wie spirituelle Inhalte über Filme vermittelbar sind. Keine Frage, Filme können die abstraktesten Gedanken darstellen, aber für eine Stoff-Bewältigung sind sie wenig geeignet. Vielleicht liegt die Lösung im umgekehrten Weg: Von profanen Spielfilmen ausgehend religiöse Inhalte zu erkunden. Die beste Anleitung auf diesem Weg bietet das Handbuch „Spuren des Religiösen im Film. Meilensteine aus 100 Jahren Filmgeschichte“, herausgegeben von Peter Hasenberg, Wolfgang Luley und Charles Martig im Auftrag der Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz Bonn und des Katholischen Mediendienstes Zürich. Der Band erschien 1995 im Matthias Grünewald Verlag Mainz.