Matthias Kießling
Beiträge in merz
Maren Würfel, Matthias Kießling, Jan Keilhauer: You(th)Tube – Die Rezeption von Onlinevideos durch Jugendliche
Videoplattformen wie YouTube oder MyVideo bieten Jugendlichen eine inhaltliche Vielfalt und den Zugang zu Musik und Funvideos. Sie schätzen die scheinbar unbegrenzten Nutzungsoptionen der Online-Angebote. Sowohl mit der Rezeption von Onlinevideos als auch mit dem Einstellen eigener Videos ins Netz sind aus medienpädagogischer Sicht problematische Aspekte verbunden.
Literatur
van Eimeren, Birgit/Frees, Beate (2007). Internetnutzung zwischen Pragmatismus und YouTube-Euphorie. Media Perspektiven, 08/2007, S. 362-378
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2007). JIM-Studie 2007. Jugend, Information, (Multi-) Media. Stuttgart
Schorb, Bernd/Keilhauer, Jan/Würfel, Maren/Kießling, Matthias (2008). Medienkonvergenz Monitoring Report 2008. Jugendliche in konvergierenden Medienwelten. Online-Dokument: www.uni-leipzig.de/~umfmed/Medienkonvergenz_Monitoring_Report08.pdf [Zugriff: 30.06.2008]
Schulz, Iren (2007). Jugend im Hosentaschenformat. Die Bedeutung des Mobiltelefons für Identität, Alltag und Beziehungen im Jugendalter. Computer + Unterricht, 68, S. 16-19
(merz 2008-4, S. 54-60)
Matthias Kießling: Jugend 2.0?
Will man die Internetnutzung Jugendlicher differenziert beschreiben, so sind die Tätigkeiten zu erfassen, die sie im Internet realisieren. Im Rahmen des Medienkonvergenz Monitoring an der Universität Leipzig wurden mehr als 5.000 Jugendliche zwischen zwölf und 19 Jahren unter anderem zu ihrer Internetnutzung befragt.1 Die Stichprobe umfasst ausschließlich Internetnutzende. Diese greifen zu 94 Prozent auf Breitbandanschlüsse zu. Knapp einem Zehntel der Jugendlichen wurde ein niedriger Bildungshintergrund (nBH) zugeschrieben. Dies sind all jene, deren (geplanter) Schulabschluss nicht das Abitur ist. Der vergleichsweise geringe Anteil könnte darauf verweisen, dass für genau diese Gruppe stärkere Zugangsbeschränkungen in Bezug auf (schnelle) Internetanschlüsse bestehen (vgl. JIM 2007). Unter dem Fokus Web 2.0 sind Internetaktivitäten von Interesse, die mit Plattformen, Netzwerken, Selbstpräsentation und Eigenproduktivität zusammenhängen. Diese umfassen vor allem kommunikative und produktive, aber auch rezeptive Tätigkeiten: Bei kommunikativen Internettätigkeiten zeigen sich kaum Differenzen in Bezug auf Bildung: Formal hoch wie niedrig Gebildete kommunizieren im Netz, seltener öffentlich als privat. Vorrang vor dem Gestalten von Inhalten2 in Weblogs oder Foren hat für sie also der Austausch im Freundeskreis oder mit Mitschülerinnen und Mitschülern über Instant Messenger oder E-Mail.3 Die Daten bestätigen zudem den Zusammenhang zwischen häufigerem Chatten und einem niedrigen Bildungshintergrund. (vgl. z. B. Otto et al. 2005).
Auch rezeptiv sind Jugendliche ohne relevante Differenzen in Bezug auf den Bildungshintergrund tätig. Vor allem mögen sie Online-Videos und somit die programmunabhängige, individualisierte Rezeption massenmedialer und privater Inhalte und die Einbettung der Rezeption in kommunikative Kontexte. Insgesamt sind hinsichtlich rezeptiver und kommunikativer Internettätigkeiten kaum auffällige bildungsbezogene Unterschiede ersichtlich. Diesbezüglich unerwartete Differenzen zeigen sich jedoch für produktiv-gestaltende Internettätigkeiten. Nur ein Teil der Jugendlichen nutzt das Internet als Mitmachmedium. Jedoch sind Heranwachsende mit nBH hier aktiver. Nach eigener Auskunft stellen sie etwas häufiger Dateien ins Internet und haben so selbst an der Gestaltung von Inhalten teil. Am wichtigsten sind hier Bilder, die vor allem im Kontext der Selbstpräsentation in sozialen Netzwerken hochgeladen werden. Sehr viel seltener gestalten Heranwachsende Inhalte im Internet mit potenziell massenmedialem Charakter. Zwar rezipieren fast alle Videos, aber nur wenige stellen auch selbst Filme ins Internet. Befragte mit nBH werden auch hier signifikant häufiger tätig als jene mit hBH. Die Partizipation an der Gestaltung von Internetinhalten ist demnach verstärkt für Jugendliche mit nBH von Interesse.
Ein nBH schränkt den Zugang zu produktiv-gestaltenden Medientätigkeiten nicht nur nicht ein; für die untersuchte Stichprobe ist sogar ein gegenteiliger Effekt beobachtbar. Jugendliche mit nBH, die auf die Breite der produktiven Möglichkeiten des Web 2.0 zugreifen können, eignen sich produktiv-gestaltende Medientechniken offenbar in mindestens gleichem Umfang an wie Jugendliche mit hBH. Damit rücken zwei Aspekte in den Mittelpunkt des Interesses: Einerseits stellt sich die Frage, aus welchen Gründen Jugendliche produktiv-gestaltende Internettätigkeiten (nicht) ausführen. Andererseits sind die inhaltsbezogenen Fähigkeiten Jugendlicher von besonderem Interesse: Wie setzen sich Jugendliche kommunikativ, rezeptiv und produktiv mit welchen Inhalten auseinander und inwiefern spielt der Bildungshintergrund beim Verständnis und der Reflektion eigener und fremder Inhalte eine Rolle? Das Medienkonvergenz Monitoring wird als Untersuchung mit Langzeitperspektive zukünftig vor allem versuchen, die Entwicklung jugendlicher Wege durch Medienwelten zu qualifizieren und somit auch wichtige Ergebnisse zum Umgang Jugendlicher mit Medieninhalten und mit dem Internet als Mitmachmedium zu liefern.
Anmerkungen
1 Das Medienkonvergenz Monitoring untersucht die konvergenzbezogene Medienaneignung Jugendlicher. Die kompletten Ergebnisse der hier vorgestellten Online-Befragung werden auf der Website des Projekts (www.medienkonvergenz-monitoring.de) dokumentiert.
2 Das Gestalten von Inhalten umfasst Tätigkeiten, bei denen öffentlich zugängliche Internetinhalte erschaffen bzw. verändert werden. Das reicht vom Einstellen von Texten oder Links über die Spiegelung von YouTube-Videos bis hin zur Präsentation eigener Bilder oder Videos.
3 Darauf verweist auch die große Verbreitung von sozialen Netzwerken wie schülerVZ. Hier kommunizieren die Nutzenden vornehmlich mit Personen aus dem sozialen Nahraum.Literatur:
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2007). JIM-Studie 2007 – Jugend, Information, (Multi-) Media. Stuttgart: Landesanstalt für Kommunikation
Otto, Hans-Uwe/Kutscher, Nadia/Klein, Alexandra/Iske, Stefan (2005). Soziale Ungleichheit im virtuellen Raum: Wie nutzen Jugendliche das Internet? familien-wegweiser.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Abteilung5/Pdf-Anlagen/jugend-internetlangfassung,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf [Zugriff: 20.02.2008].
Wagner, Ulrike/Theunert, Helga (2006). Neue Wege durch die konvergente Medienwelt. München: Fischer
(merz 2008-2, S. 21-22)