Dr. Bernd Kleinhans
- Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd
Beiträge in merz
Bernd Kleinhans: Ein unmoralischer Ort?
Die Etablierung des Kinos Anfang des 20. Jahrhunderts führte beim konservativen Bildungsbürgertum zu Befürchtungen, das neue Medium könne zur Erosion sozialer Normen führen. Man schrieb dem Kino – den Filmen wie dem Raum der Vorführungen – die Förderung der Kriminalität, die Zerstörung der Sexualmoral und der sozialen Strukturen vor. Nach anfänglich pauschaler Ablehnung wurde dasKino einer strikten Disziplinierung unterworfen, die es in die Gesellschaft integrierte, ihm aber weitgehend sein kritisches Potenzial nahm. Die Geschichte des Kinos steht prototypisch für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit neuen Medien.
Literatur
Altenloh, Emilie (2012). Zur Soziologie des Kino. Die Kino-Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher [1914]. Frankfurt a. M.: Stroemfeld.
Baudry, Jean-Louis (2003). Das Dispositiv. Metapsychologische Betrachtungen des Realitätseindrucks [frz. 1975]. In: Riesinger, Robert (Hrsg.), Der kinematographische Apparat. Geschichte und Gegenwart einer Debatte. Münster: Nodus, S. 41–62.
Brunner, Karl (1913). Der Kinematograph von heute – eine Volksgefahr. Berlin: Verlag des Vaterländischen Schriftenverbandes.
Conradt, Walter (1910). Kirche und Kinematograph. Berlin: Walther.
Diehle, H. (1913). Kino und Jugend. Warendorf: Schnell.
Elsaesser, Thomas (2002). Filmgeschichte und frühes Kino. Archäologie eines Medienwandels. München: edition text+kritik.
Foucault, Michel (2013). Überwachen und Strafen [1975]. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Kleinhans, Bernd: (2013). „Der schärfste Ersatz für die Wirklichkeit“. Die Geschichte der Kinowochenschau. St. Ingbert: Röhrig Univerisätsverlag.
Garncarz, Joseph (2010). Maßlose Unterhaltung. Zur Etablierung des Films in Deutschland 1896-1914. Frankfurt a. M.: Stroemfeld.
Hellwig, Albert (1911). Schundfilms – Ihr Wesen, ihre Gefahren und ihre Bekämpfung. Halle: Verlag der Buchh. des Waisenhaus.
Hellwig, Albert (1916). Aktenmäßige Fälle über Schundliteratur und Schundfilms als Verbrechensanreiz. In: Der Gerichtssaal, 84, S. 402–431.
Keitz, Ursula v./Kulle, Daniel/Stiglegger, Marcus (Hrsg.) (2013.). Erfahrungsraum Kino. Augenblick 56/57. Marburg: Schüren Lange, Konrad (1918). Nationale Kinoreform. Mönchen Gladbach: Volksvereins Verlag.
Lichtspielgesetz vom 12.05.1920. In: Deutsches Reichsgesetzblatt 1920, S. 953–958.
Laquer, Leopold (1011). Über die Schädlichkeit kinematographischer Veranstaltungen für die die Psyche des Kindesalters. In: Ärztliche Sachverständigenzeitschrift, 17 (11), S. 221–224.
Liesegang, Paul (1913). Lichtbild- und Kinotechnik, M. Gladbach: Volksvereinsverlag GmbH.
Loiperdinger, Martin (1999). Film und Schokolade – Stollwercks Geschäfte mit lebenden Bildern. Frankfurt a. M.: Stroemfeld.
Loiperdinger, Martin (2004). Filmzensur und Selbstkontrolle. Politische Reifeprüfung. In: Jacobsen, Wolfgang/Kaes, Anton/Prinzler, Hans Helmut (Hrsg.), Geschichte des deutschen Films. Stuttgart: J. B. Metzler.
Planck, Oskar (Hrsg.) (1919). Gegen das Kinounwesen. Materialsammlung zur Kinoreform. Stuttgart: Evangelischer Volksbund für Württemberg.
Prokop, Dieter (1982). Soziologie des Films. Frankfurt a. M.: Luchterhand.
Rose, Olaf (1994). Erregende Bilder. Adolf Sellmann und die Kinoreformbewegung in Hagen vor dem 1. Weltkrieg. Hagener Impuls, S. 32–36.
Sellmann, Adolf (1911): Der Kinematograph als Bildungsmittel, Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung, 63 (5), S. 572–574.
Schultze, Ernst (1911). Der Kinematograph als Bildungsmittel. Eine kulturpolitische Untersuchung. Halle: Waisenhaus.
Schulze, Volker (1977). Frühe kommunale Kinos und die Kinoreformbewegung in Deutschland bis zum Ende des ersten Weltkriegs. In: Publizistik 22, S. 61–71.
Bernd Kleinhans: "Welcome to the Typosphere!"
Seit den 2000er Jahren gibt es ein scheinbar anachronistisches Revival der mechanischen Schreibmaschine, das vor allem von jüngeren Studierenden, Akademikerinnen bzw. Akademikern und Autorinnen und Autoren, die selbst nur mit dem Computer aufgewachsen sind, getragen wird. Sie labeln sich unter Begriffen wie „Typosphere“ oder „Schreibmaschinisten“ und propagieren einen Wiedereinsatz der Schreibmaschine. War sie im 19. Jahrhundert noch ein Instrument der Rationalisierung der Büroarbeit, wird sie nun zum Instrument gegen die industrielle Effizienzlogik. Es geht in diesem Diskurs auch um eine grundlegende medientheoretische Frage: Sind Medien bloße Mittel oder bestimmen sie durch ihre spezifische Technizität auch Denken und Handeln der Nutzerinnen und Nutzer?
Literatur
Bliven, Bruce Jr. (1954). The Wonderful Writing Machine. New York: Random House.
Bolz, Norbert (1993). Am Ende der Gutenberg-Galaxis. Die neuen Kommunikationsverhältnisse. München: Wilhelm Fink Verlag.
Eye, Werner von (1941). Kurz gefaßte Geschichte der Schreibmaschine und des Maschinenschreibens. Berlin: Apitz, Verlagsbuchhandlung.
Fritz, Hans-Joachim (1985). Der Weg zum modernen Büro. Vom Sekretär zur Sekretärin, In: Stümpel, Rolf (Hrsg.), Vom Sekretär zur Sekretärin. Katalog der Ausstellung zur Geschichte der Schreibmaschine und ihrer Bedeutung für den Beruf der Frau im Büro. Mainz: Gutenberg-Museum Mainz, S. 48–60.
Glavinic, Thomas (2014). Meine Schreibmaschine und ich. Bamberger Vorlesungen. München: Carl Hanser Verlag.
Giuriato, Davide/Stingelin, Martin/Zanetti, Sandro (Hrsg.) (2005). „Schreibkugel ist ein Ding gleich mir: von Eisen“. Schreibszenen im Zeitalter der Typoskripte. München: Fink.
Gustafson, Michael/Uberti, Oliver (2018). Notes from a Public Typewriter. New York: Hachette Book Group.
Hayles, Katherine (2002). Writing Machines. Cambridge und London: Mediawork. The MIT Press.
Ihde, Don (1990). Technology and the Lifeworld from Garden to Earth. Bloomington and Indianapolis: Indiana University Press.
Kittler, Friedrich (1986). Grammophon, Film, Typewriter. Berlin: Brinkmann & Bose.
Knobloch, Jürgen (2018). Für sensible Poeten: Die Rückkehr der Schreibmaschine, Berliner Zeitung vom 19.03.2018: www.berliner-zeitung.de/berlin/fuer-sensible-poeten-die-rueckkehr-der-schreibmaschine-29889058 [Zugriff: 31.07.2018]
Koziol, Klaus (2017). Die Erzählung vom besseren Leben gegen die Logik der digitalen Welt. München: kopaed.
Lassnig, Ewald (1993). Peter Mitterhofer 1822 – 1893. Ein Pionier der Schreibmaschine. Bozen: Verlagsanstalt Athesia.
Masi, Frank T. (1985). The Typewriter Legend. New Jersey: Matsushita Electric Corporation of America.
McLuhan, Marshall (2001). Das Medium ist die Botschaft. The Medium is the Message. Dresden: Philo Fine Arts. Verlag der Kunst.
McLuhan, Marshall (2018). Die magischen Kanäle. Hamburg: Gingko Press Verlag.
Messer, Sam/Auster, Paul (2005). Die Geschichte meiner Schreibmaschine. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Müller, Friedrich (1900). Schreibmaschinen und Schriften-Vervielfältigung. Berlin: Verlag der Papierzeitung.
Munk, Theodore (2017). The Manual Typewriter Repair Bible.
NZZ Digital (2018). Die Schreibmaschine ist 150 Jahre alt - und nicht tot zu kriegen, Neue Züricher Zeitung Digital vom 17.06.2018: www.nzz.ch/panorama/die-schreibmaschine-ist-150-jahre-alt-und-nicht-tot-ld.1395516 [Zugriff: 31.07.2018]
Platon: Phaidros, In: Eigler, Gunther (Hrsg.), Platon. Werke in acht Bänden, Bd. 5. 4. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Polt, Richard (2015). The Typewriter Revolution. A Typist´s Companion for the 21st Century. New York: The Countryman Press.
Sax, David (2016). The Revenge of the Analog. Real things and why they Matters. New York: Public Affairs
Stümpel, Rolf (Hrsg.) (1985). Vom Sekretär zur Sekretärin. Katalog der Ausstellung zur Geschichte der Schreibmaschine und ihrer Bedeutung für den Beruf der Frau im Büro. Mainz: Gutenberg-Museum Mainz.
Ulbrich, Gerhard (1953). Kleine Entwicklungsgeschichte der Schreibmaschine. Leipzig: Fachbuchverlag GmbH.
Waize, Alfred (1998). Die Welt der Schreibmaschinen. Stationen einer Entwicklungsgeschichte. Erfurt: Desotron Verlagsgesellschaft.
Bernd Kleinhans: Medien der Aufklärung – Aufklärung durch Medien
Das Zeitalter der Aufklärung prägt unser Selbstverständnis bis heute: Die Leitbilder von individueller Mündigkeit, eigenständigem Denken und Partizipation wurden in dieser Zeit entwickelt. Sie sind in den modernen Demokratien anerkannte Normen und selbstverständlicher Inhalt der Bildungskonzepte. Dass der niemals abgeschlossene Prozess des ‚Ausgangs aus der Unmündigkeit‘, wie es der Philosoph Immanuel Kant formulierte, überhaupt möglich wurde, daran hatten die Medien – Bücher, Zeitungen und Zeitschriften – einen wesentlichen Anteil. Sie schufen den Diskursraum, in dem überhaupt erst Aufklärung möglich wurde.
Literatur
Bayle, Pierre (1740). Historisches und critisches Woerterbuch, nach der 9. Aufl. von 1740 ins Deutsche übersetzt von Johann Gottfried Gottsched, Nachdruck 1997. Hildesheim: Olms.
Becker, Rudolf Zacharias (1788). Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute [oder lehrreiche Freuden- und Trauer-Geschichte des Dorfs Mildheim], Nachdr. d. Erstausgausgabe/Hrsg. u. mit einem Nachwort von Reinhart Siegert 1980. Dortmund: Harenberg.
Bödeker, Hans Erich/Hinrichs, Ernst (Hrsg.) (1999). Alphabetisierung und Liberalisierung in Deutschland in der frühen Neuzeit. Tübingen: Niemeyer.
Borgstedt, Angela (2004). Das Zeitalter der Aufklärung. Darmstadt: wbg.
Faulstich, Werner (2002). Die bürgerliche Mediengesellschaft 1700 – 1830. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Engelsing, Rolf (1973). Analphabetentum und Lektüre. Zur Sozialgeschichte des Lesens zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft. Stuttgart: Metzler.
Faulstich, Werner (2006). Mediengeschichte von 1700 bis ins 3. Jahrtausend. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Görres, Joseph von (1926). Wachsthum der Historie (zuerst 1807). In: Schellberg, Wilhelm/Dyoff, Adolf/Just, Leo/Raab, Heribert (Hrsg.), Joseph Görres. Gesammelte Schriften. Bd.3: Geistesgeschichtliche und literarische Schriften I (1803-1808). Köln: Gilde-Verlag.
Gurjer, Erich (2017). Wahrheit und andere Lügen. Zürich. www.nzz.ch/meinung/guter-journalismus-wahrheit-und-andere-luegen-ld.1289153 [Zugriff: 14.02.2019]
Habermas, Jürgen (1962). Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Neuwied am Rhein: Luchterhand.
Habermas, Jürgen (1981). Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, Bd. 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W. (1969). Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main: S. Fischer.
Kant, Immanuel (1783). Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung. In: Weischedel, Wilhelm (Hrsg.), Immanuel Kant: Werkausgabe. Bd. XI: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie und Pädagogik. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 51-61.
Lichtenberg, Georg Christoph (1994). Schriften und Briefe. In: Promies, Wolfgang (Hrsg.), Bd. 1: Sudelbücher I. Frankfurt am Main: Zweitausendeins.
Martus, Steffen (2015). Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert – ein Epochenbild. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Meyer, Annette (2010). Die Epoche der Aufklärung. Berlin: Akademie Verlag.
Opitz, Claudia (2002). Aufklärung der Geschlechter, Revolution der Geschlechterordnung. Studien zur Politik- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Münster/New York/München/Berlin: Waxmann.
Russ-Mohl, Stephan (2018). Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde. Warum die Digitalisierung unsere Demokratie gefährdet. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Seibert, Peter (1993). Der literarische Salon. Literatur und Geselligkeit zwischen Aufklärung und Vormärz. Stuttgart und Weimar: Metzler.
Siegert, Reinhart (1999). Zur Alphabetisierung in den deutschen Regionen am Ende des 18. Jahrhunderts. In: Bödeker, Hans Erich/Hinrichs, Ernst (Hrsg.), Alphabetisierung und Liberalisierung in Deutschland in der frühen Neuzeit. Tübingen: Niemeyer, S. 283–307.
Thomasius, Christian (1719). Einleitung zu der Vernunftlehre. Halle in Magdeburg.
Wilke, Jürgen (2008). Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Köln, Weimar, Wien: Böhlau.